Hintergrund: Das Flatrate-Sterben und die Poweruser

Wann lohnt sich eine Flatrate? Diese Frage ist nicht nur für Nutzer des Internet interessant, sondern entwickelt sich für Anbieter solcher Dienste zum finanziellen Problem.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter Monnerjahn

Wann lohnt sich eine Flatrate? Dies entwickelt sich nicht nur für Nutzer des Internet zu einer spannenden Frage, sondern, wie sich in den letzten Tagen gezeigt hat, offensichtlich auch zu einem ernsten Problem für Anbieter solcher Dienste. Einige Flatrate-Provider haben so genannten Powerusern gekündigt, andere Angebote sind komplett eingestellt worden. Offensichtlich sind die Kalkulationen einiger Anbieter nicht so aufgegangen, wie man sich das vorgestellt hatte – fragt sich natürlich, wie die Anbieter überhaupt gerechnet haben und wann ein Pauschaltarif für sie überhaupt rentabel ist.

Viele Unternehmen haben inzwischen damit begonnen, denjenigen Usern zu kündigen, die nach Ansicht der Firmen entgegen den Allgemeinen Geschäftbedingungen die Flatrate als Standleitung genutzt haben. Nicht nur die inzwischen zahlungsunfähige Firma Surf1, sondern auch Sonnet und der Funone-Flatrate-Betreiber Medien Info Center haben entsprechende Maßnahmen ergriffen. Die Pauschalangebote von Cisma und DUSnet sind nicht mehr für Neukunden erhältlich, der DUSnet-FlatCity-Tarif soll dem Vernehmen nach zum Monatsende auslaufen. T-Online, NGI und Talkline mit einer Teilzeit-Flatrate beispielsweise haben dagegen nach eigener Auskunft gegenüber c't keine Kalkulationsprobleme und wollen ihr Angebot auch weiter aufrechterhalten. Ein Sprecher von NGI wies sogar ausdrücklich darauf hin, dass man nicht daran denke, Zwangsmaßnahmen gegen "Vielsurfer" zu ergreifen, auch diese gehörten schließlich zur Kalkulation.

Offenbar haben viele Firmen aber nicht damit gerechnet, dass ihre Flatrates auch wirklich über den Rahmen eines Normalsurfers hinaus genutzt würden. So hieß es beispielsweise bei DUSnet, man habe darauf gebaut, mehr Bestandskunden zu einem Tarifwechsel zu bewegen; von dem Ansturm neuer Kunden, die auch deutlich andere Nutzungsprofile mitbrachten als die bisherigen Kunden, sei man überrascht worden.

Da die meisten Anbieter den Telekom-Backbone nutzen, ist eine grobe Kalkulation aber eigentlich gar nicht einmal schwierig: Für die Nutzung der Telekom-Leitungen muss nach Informationen aus Anbieterkreisen im Durchschnitt eine Interconnectiongebühr von 1,72 Pfennig pro Minute entrichtet werden, hinzu kommen Internet-Nutzungsgebühren zwischen 0,32 und 0,68 Pfennig pro Minute – je mehr Nutzer, desto geringer diese Gebühr. Dazu kommt ein Entgelt für das Download-Volumen, das allerdings weitgehend Verhandlungssache sein soll. Bei einem Flatrate-Preis von 79 Mark kann man also davon ausgehen, dass die User deutlich weniger als 65 Stunden pro Monat, also durchschnittlich zwei Stunden am Tag, im Netz verbringen dürfen, damit sich das Angebot unter Vernachlässigung aller übrigen Kostenfaktoren gerade noch rechnet.

Nicht alle Anbieter können für ihre Fehlkalkulation allerdings die Telekom verantwortlich machen. Sonnet beispielsweise nutzt die Leitungen von WorldCom. Hier sieht die Rechnung sogar noch düsterer aus: Allein an Leitungsgebühren, die allerdings alle Leistungen einschließen, muss die Firma 4,22 Pfennig pro Minute abführen, was bedeutet, dass die Nutzer höchstens gut 31 Stunden pro Monat, durchschnittlich also gut eine Stunde pro Tag, online sein dürfen, damit das Flatrate-Modell rechnerisch trägt. Bei allen Anbietern, ob sie Telekom-Leitungen oder die eines anderen Anbieters benutzen, kommen darüber hinaus natürlich eigene Kosten hinzu, etwa für Infrastruktur, Personal, Marketing und ähnliches.

Für ein Modell wie etwa bei Sonnet ergibt sich für den Surfer aber eine ganz andere Rechnung: Per Internet-by-Call für 2,5 Pfennig pro Minute wäre eine Online-Zeit von 31 Stunden pro Monat bereits für 46,50 Mark zu haben. Die 60 Stunden, mit denen Flatrate-Provider, die das Telekom-Netz benutzen, wohl kalkulieren dürften, kosten bei einem solchen Internet-by-Call-Tarif immerhin 90 Mark. Der Kunde liegt damit also zwar rund 10 Mark teurer als bei den meisten Flatrates, aber über eine längere Frist gerechnet nur, wenn er jeden Monat tatsächlich diese 60 Stunden voll ausschöpft.

Auch wenn die Firmen ihren Rechnungen selbstverständlich eine Mischkalkulation zugrundegelegt haben, die beispielsweise berücksichtigt, dass der User auch einmal Urlaub macht, ist ersichtlich, dass bei Preisen von rund 80 Mark für eine Flatrate das Geschäftsmodell der Anbieter kaum als gesund zu bezeichnen ist. Talkline beispielsweise entzieht sich diesen Problemen zum Teil, indem die angebotene Flatrate werktags nur von 18 bis 9 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen nutzbar ist und zudem noch bei einem Downloadvolumen von über 500 MByte im Monat weitere Gebühren fällig werden. Nur T-Online und NGI scheinen von alledem (bislang) unbeeindruckt... Dafür werfen inzwischen einige Internet-User der Telekom wegen ihrer Preise und vermuteter Bevorzugung von T-Online wettbwerbswidriges Verhalten vor und fordern zum Protest bei der Regulierungsbehörde auf. Nur ist die RegTP für Gebühren, die Internet-Zugänge betreffen, nach ihren eigenen Aussagen gar nicht zuständig. (pmo)