Huawei Mate 10 Pro: High-End-Smartphone im Kurztest

Im ersten Test müssen der KI-Prozessor, die Doppelkamera und OLED-Display des Huawei Mate 10 Pro zeigen, ob sie wirklich den High-End-Anspruch erfüllen. Einige Features hätte Huawei lieber etwas bescheidener bewerben sollen.

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Huawei Mate 10 Pro im Kurztest
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hannes A. Czerulla
Inhaltsverzeichnis

Das Huawei Mate 10 Pro will so überhaupt nicht dem Klischee eines chinesischen Produkts entsprechen. Es sieht so aus und fühlt sich so an, wie ein High-End-Smartphone es eben muss: Die Vorderseite besteht fast nur aus dem farbkräftigen OLED-Display. Die Seitenränder messen nur wenige Millimeter, die Ränder ober- und unterhalb des Bildschirms sind gerade einmal breit genug, dass der Schriftzug des Herstellers beziehungsweise Lautsprecher und Frontkamera darauf passen.

Ganz so in die Extreme wie Samsung oder Xiaomi geht Huawei mit seinem (fast) randlosen Display nicht, doch wirkt das Gerät weit eleganter als beispielsweise das LG G6 mit ähnlichem Konzept. Außerdem mittlerweile ungewöhnlich: eckige Bildschirmecken. Während einige Mitbewerber die Ecken ihrer (fast) randlosen Displays abrunden und damit auf ein paar Pixel verzichten, bleiben Huaweis Ecken spitz. Abgesehen vom ästhetischen Aspekt bietet der dünne Bildschirmrand den Vorteil, dass das Gehäuse des Mate 10 Pro trotz der ausladenden 6 Zoll Display-Diagonale einigermaßen handlich ausfällt.

Unpacking Huawei Mate 10 Pro (9 Bilder)

Leica hat bei den Kameras wieder seine Finger mit im Spiel. Hergestellt werden die Linsen aber von Auftragsfertigern.

Subjektiv hat uns das Display sehr gut gefallen. Es zeigt OLED-typisch kräftige Farben, hohen Kontrast und ist mit 680 cd/m² so hell wie die bisherigen Spitzenreiter Galaxy Note 8 und S8. Mit einer Auflösung von 2160 × 1080 kann die Anzeige nicht gerade durch hohe Schärfe beeindrucken. Doch nur Display-Fetischisten werden sich von diesem Wert abschrecken lassen. Beim alltäglichen Blick aufs Display fällt kein Unterschied zu Bildschirmen mit mehr Bildpunkten auf. Nur wer ganz genau hinschaut und weiß, wonach er sucht, kann einen leichten Regenbogeneffekt an weißen Bildelementen entdecken, wie ihn die für OLED-Displays typische Subpixel-Matrix verursacht.

Die Glasrückseite wirkt bei allen Farbmodellen edel und makellos verarbeitet. Der Metallrahmen ist klar von Samsungs Geräten abgekupfert, aber fügt sich prima ins Gesamtbild ein.

Wie schon beim beim Huawei P10 sind eine RGB-Kamera mit 12 Megapixel und eine monochrome 20-Megapixel-Kamera in die Rückseite eingebaut. Die Bilder beider Kameras werden fürs fertige Bild zusammengesetzt. Das soll den Autofokus beschleunigen, die allgemeine Schärfe und den Kontrast erhöhen, besseren (Digital-)Zoom ermöglichen und für einen schöneren (künstlichen) Bokeh-Effekt sorgen.

Standardmäßig ist die Kamera auf nur 12 Megapixel eingestellt. Wird die Auflösung auf 20 Megapixel erhöht, ist der Zoom nicht mehr nutzbar. Zoomt man mit 12 Megapixel, passiert das digital. Es werden aber Bildinformationen des 20 Megapixel großen monochromen Bildes verwendet und so verliert das Foto nicht ganz so stark an Schärfe wie bei klassischen Digitalvergrößerungen.

Der künstliche Bokeh-Effekt funktioniert bei den meisten Objekten und besonders bei Menschen recht gut. Ein Unterschied zu optisch erzeugten Bokeh-Effekten, die von vollwertigen Kameras mit großem Sensor und kleiner Blende stammen, ist weiterhin zu erkennen. Je detaillierter die Umrisse des Objekts ausfallen und umso näher sich die Kamera am Objekt befindet, desto eher treten Fokusfehler auf. Filigrane, herausragende Elemente wie Haare werden dann unscharf gestellt, obwohl sie zum Vordergrund gehören.

Kameratest Huawei Mate 10 Pro (6 Bilder)

Auch schon ohne speziellen Modus, entsteht eine nette Unschärfe hinter Objekten.

Die generelle Bildqualität liegt leicht über dem Niveau des P10. Vorzeigegeräte wie das Galaxy Note 8 oder Pixel 2 konnte das Mate 10 Pro zumindest im Kurztest noch nicht schlagen.

Von der angepriesenen KI-gestützten Bilderkennung ist noch nicht viel zu spüren, obwohl der Prozessor Kirin 970 eigens eine Recheneinheit dafür mitbringt. Hält man die Kamera auf bestimmte Objekte, soll sie automatisch erkennen, um was es sich handelt und entsprechende Bildeinstellungen vornehmen. Im Kurztest erkannte das Gerät einen Blumenstrauß, Personen, Schrift und Haustiere. Mit Bäumen, Autos oder elektronischen Geräten konnte die Kamera-App nichts anfangen.

KI-Spielereien sind schön und gut, dennoch kommt es beim Prozessor weiterhin primär auf die generelle Rechengeschwindigkeit an. Die acht Kerne des Kirin 970 sind in zwei Gruppen unterteilt: Vier Kerne basieren auf der A73-Architektur und laufen mit 2,36 GHz, die restlichen vier sind A53-Modelle und haben einen Maximaltakt von 1,8 GHz.

Wir haben den Kirin 970 unserem Coremark-Benchmark unterzogen, der ausschließlich die CPU-Leistung misst. Dabei liefert das Smartphone zwar außerordentlich hohe Werte, kann aber mit den Höchstleistungen von Google Pixel 2, Samsung Galaxy Note 8 oder HTC U11 nicht mithalten. Während die Kirin-CPU im Multi-Thread-Test 51588 erreicht, schaffen die High-End-Konkurrenten rund 10.000 Punkte mehr. Ähnliches passiert im Single-Thread-Modus, in dem nur ein einziger Rechenkern belastet wird. 10.169 Punkte liefert das Mate 10 Pro, die Mitbewerber um die 12.000 Punkte.

Bleibt die eigentlich viel wichtigere Frage, ob der Performance-Abstand zu den Spitzenmodellen der anderen Marken im Alltag zu spüren ist. Nach unseren bisherigen Tests lautet die klare Antwort nein. Das hat zwei Gründe: Auch wenn die Leistungswerte des Mate 10 Pro den anderen Herstellern nicht das Fürchten lehren, liegen diese sehr hoch und schon Android-Geräte, die unsere Benchmarks weit langsamer absolviert haben, animierten das System flüssig und waren für alle Aufgaben gewappnet.

Für den Rest der "Schwupdisität" ist die Software verantwortlich: Huawei ist einer der ersten, der Smartphones mit Android 8 verkauft – nur Sony und Google kamen den Chinesen zuvor. Ähnlich wie beim Sony Xperia XZ1 und Google Pixel 2 ist am Mate 10 Pro erkennbar, dass Google viel am Betriebssystem optimiert hat.

Daran kann auch Huaweis eigenwillige Bedienoberfläche EMUI 8.0 nichts ändern. Immerhin kann man seit Version 5 auswählen, ob man ein App-Menü haben möchte oder alle App-Verknüpfungen wie bei Apple auf den Startbildschirm geworfen werden. Ansonsten sind noch die üblichen vom Hersteller stammenden Standard-Apps an Bord, die wenig Grund geben, sie statt der ebenfalls installierten Google-Apps zu nutzen.

Huawei bietet mit dem Mate 10 Pro ein sehr hübsches Gerät an, das wegen seiner Haptik, dem fast randlosen OLED-Display und dem flinken System Käufern viel Freude bereiten wird. Zwar leistet sich das Gerät im Kurztest keine groben Schnitzer, einige Konkurrenten wie das Galaxy Note 8 oder Pixel 2 machen aber unter anderem in Benchmarks eine bessere Figur.

Huaweis Stärke ist es, nicht das allerbeste Gerät auf dem Markt zu bauen, sondern Modelle mit tollem Preisleistungsverhältnis anzubieten – und dafür ist das Mate 10 Pro für 800 Euro noch etwas zu teuer. Es gilt das gleiche wie schon bei vielen Huawei-Smartphones zuvor: Wer sich das Mate 10 Pro zulegen möchte, sollte Geduld beweisen und ein paar Wochen abwarten, bis der Preis gefallen ist. (hcz)