Kfz-Kennzeichen-Scanning: Bayern und Brandenburg speichern Fahrer auf Vorrat
Die bayerische Polizei soll mehrfach Nummernschilder sämtlicher Fahrer auf Autobahnen teils über Stunden hinweg aufgezeichnet und aufbewahrt haben.
Neuer Streit über das Kfz-Kennzeichen-Scanning: Entgegen öffentlicher Angaben, automatisierte Lesegeräte für Nummernschilder nur gezielt zur Suche nach Fahndungsausschreibungen einzusetzen, hat die bayerische Polizei seit 2018 offenbar in mehreren Fällen entsprechende Daten über Autofahrer pauschal erhoben und auf Vorrat gespeichert. Dies berichtet die Piratenpartei, der entsprechende, nicht näher erläuterte Informationen zugespielt worden sein sollen.
Strafverfolger des Freistaates haben demnach im vorigen Jahr achtmal und 2019 mindestens bereits dreimal im Anschluss an erfolgte Straftaten die Kennzeichen sämtlicher Fahrer auf nahe gelegenen Autobahnen eingescannt und die Fahrzeuge fotografiert. Nach einem konkreten Nummernschild eines Fluchtwagens sei dabei aber gerade nicht gefahndet worden. Die Überwachungsgeräte seien dafür in einen "Aufzeichnungsmodus" versetzt worden.
Die OrdnungshĂĽter sollen so zum Teil ĂĽber zwei Stunden lang Tausende Fahrzeuge aufgenommen haben, heiĂźt es weiter. Die Daten wĂĽrden "bis heute aufbewahrt". Ob sie aktiv durchsucht oder ausgewertet wĂĽrden, sei nicht bekannt.
VerstoĂź gegen das Grundgesetz
Gerichte haben wiederholt klargestellt, dass beim Kfz-Kennzeichen-Scanning die informationelle Selbstbestimmung der Fahrer nur dann nicht gefährdet ist, wenn direkt vor Ort ein visueller Abgleich durch den damit betrauten Polizeibeamten erfolgt. Das erfasste Kennzeichen müsse im Anschluss sofort wieder gelöscht werden, wenn es keine Übereinstimmung mit Fahndungsdatenbeständen gebe.
Erst im Februar hatte das Bundesverfassungsgericht die Praxis solcher Kontrollen unter anderem in Bayern teils als Verstoß gegen das Grundgesetz gewertet. Es dürften keine Grundrechtseingriffe gegenüber allen Personen erfolgen unabhängig davon, ob die Maßnahme zu einem Treffer führe. Dieses Urteil hat die bayerische Polizei offenbar nicht richtig gelesen.
Polizei in Brandenburg speicherte Autoverkehr auf Vorrat
Jüngst war zudem bekannt geworden, dass die Polizei in Brandenburg zumindest 2018 und Anfang 2019 mit wechselnder Begründung mithilfe der Lesegeräte sogar täglich den kompletten Autoverkehr auf Vorrat gespeichert hat. Sie nutzt dazu unter anderem an neun festen Standorten in dem Bundesland die dort "Kesy" getaufte automatische Kennzeichenfahndung.
Bei einschlägigen Maßnahmen geht es laut dem Brandenburger Polizeipräsidium beispielsweise um die Suche nach Fahrzeugen, die zur Fahndung ausgeschrieben sind. Sie könnten gestohlen oder für Straftaten genutzt worden sein. Kennzeichen anderer Fahrzeugen würden dabei gelöscht. Die teils auf Vorrat gespeicherten Daten könnten nach einem richterlichen Beschluss jedoch erneut ausgelesen und gesichtet werden, heißt es bei der Behörde. Dieses Vorgehen sei auf Basis des Paragrafen 36a des brandenburgischen Polizeigesetzes zulässig.
"Totalerfassung ins Blaue hinein"
Die Landesdatenschutzbeauftragte Dagmar Hartge hat bereits vor vier Jahren damit begonnen, das System zu prüfen. In ihrem Tätigkeitsbericht für 2015 ging sie schon davon aus, dass die Geräte mir ihren Kameras "nahezu ständig Kennzeichen aufnehmen". Somit würden bestimmte Straßenabschnitte flächendeckend erfasst, was mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar sei. Auflagen für die brandenburgische Polizei gibt es bislang aber offenbar nicht.
"Kennzeichenscanner bekommen eine völlig neue Qualität, wenn damit jeder Autofahrer auf Vorrat gespeichert wird", moniert Patrick Breyer, Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl. Diese "Totalerfassung" ins Blaue hinein sei eine "völlig unverhältnismäßige und rechtswidrige Strafverfolgungsmaßnahme, gegen die wir vor Gericht ziehen werden". Dafür suchen die Piraten aktuell noch "klagewillige Autohalter im Raum Brandenburg". Gegen das Kennzeichen-Scanning der Bundespolizei und die auf diesem Instrument aufbauende "Section Control" in Niedersachsen sind Piraten bereits vor Gericht gezogen. (bme)