Kommentar: Digitalisiert die Fahrgastrechte!

Ein "Fahrgastrechtezentrum" für Online-Kunden der Bahn, das nur per Schneckenpost erreichbar ist, hat seinen Namen nicht verdient, findet c't-Redakteur Tim Gerber.

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ICE
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Tim Gerber

Seit letztem Sommer schuldet mir die Bahn 7,25 Euro. Ein Blitzeinschlag in die Oberleitung am Stadtrand von Hannover hatte meinem IC gute zwei Stunden Verspätung eingebracht. Dafür steht mir die Hälfte des Fahrpreis als Erstattung zu.

Natürlich hatte ich die Fahrkarte online gebucht, aufs Handy geladen, vom Schaffner eingescannt und die Bahn hatte mir sogar wunschgemäß einen Verspätungsalarm aufs Handy gebeamt. Das ist schließlich ein modernes Unternehmen. Man kann die Zugfahrten inzwischen sogar per "Zugradar" live im Internet verfolgen.

Ein Kommentar von Tim Gerber

Tim Gerber ist gelernter Theaterbeleuchter und Beleuchtungsmeister; Jura-Studium in Leipzig, seit 2001 c't-Redakteur. Dort anfangs für Drucker zuständig, aktuell für Programmierung, Löten und Basteln mit Elektronik sowie für Verbraucherthemen in der Rubrik "Vorsicht, Kunde".

Und natürlich beachtet die Bahn die gesetzlichen Fahrgastrechte, wie sie aus Brüssel EU-weit vorgeschrieben sind. Für mehr als eine Stunde Verspätung gibt's 25 Prozent vom Fahrpreis zurück, ab zwei Stunden 50 Prozent. Ganz einfach, ist ja alles online. Also schnell die E-Mail mit der Buchungsbestätigung gesucht, auf "Antworten" geklickt und einen netten Text formuliert.

Die Reaktion der Bahn war ernüchternd: Ich soll ein zwei DIN-A4-Seiten langes "Fahrgastrechteformular" ausfüllen, das nur Angaben enthält, die der Bahn bereits vorliegen. Das Formular kann ich auch nicht etwa via Internet oder per E-Mail einreichen, sondern muss es ausdrucken und zum "Fahrgastrechtezentrum" senden, das lediglich eine Postfach-Adresse besitzt. Bei diesem Schneckenpostversand habe ich also nicht einmal einen Beleg dafür, dass ich den Antrag eingereicht habe.

Dank Brüssel gibt es sogar eine unabhängige Beschwerdestelle für Fahrgäste, die sich in ihren Rechten aus den EU-Regularien verletzt sehen. Die ist sogar per Internet erreichbar. Meine Beschwerde über die Ignoranz der Bahn, meinen Erstattungsantrag nicht selbst -- elektronisch oder per reitendem Boten -- an ihr Fahrgastrechtezentrum weiter zu geben, behandelt sie aber gar nicht erst. Begründung: Die Bahn habe meinen Antrag ja nicht abgelehnt.

Die Hoffnung, dass die Bahn ein Einsehen haben könnte und uns nicht anschließend noch mit papierenen "Fahrgastrechteformularen" quält, habe ich längst aufgegeben. Das wäre ja noch schöner, wenn man den Antrag per Mausklick stellen könnte, die Daten alle aus dem Kunden-Account automatisch übernommen würden und der Antrag gar noch elektronisch ins Fahrgastrechtezentrum käme, sodass der Reisen das in Sekundenschnelle erledigt hätte. Dann würden das womöglich alle machen.

Wenn die Fahrgastrechteexperten in Brüssel es ernst meinen, dann sollten sie endlich ein Gesetz vorlegen, das vorschreibt, dass die Erstattung bei einer Verspätung auch so erfolgen kann wie die Fahrkarte gekauft wurde: Per Mausklick im Internet. (tig)