Kommentar: Vorratsdatenspeicherung beim BND? Lasst das!

Der Bundesnachrichtendienst hat keine Befugnis, massenhaft Telefonverbindungsdaten auf Vorrat in einer Datenbank zu speichern, meint c't-Redakteur Tim Gerber.

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Kommentar: Lasst das!

BND-Außenstelle Rheinhausen

(Bild: BND)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tim Gerber

Vergangenen Mittwoch war ich in Leipzig. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden Klagen gegen den Bundesnachrichtendienst verhandelt. Sie betrafen zum Einen die schon länger bekannte Überwachung des Internetverkehrs, zum Anderen aber auch die erst kürzlich bekannt gewordene massenhafte Speicherung von Telefonverbindungsdaten im System VerAS.

Was in der Verhandlung vor Gericht alles zu Tage kam, verschlägt selbst erfahrenen Beobachtern die Sprache: Aufgrund so genannter G-10-Anordnungen, die durch ein parlamentarisches Kontrollgremium genehmigt werden, müssen Telekommunikationsunternehmen dem Auslandsgeheimdienst ganze Datenströme zuleiten. Die dürfen die Schlapphüte nach den ihnen genehmigten Suchkriterien durchforsten und die Treffer anschließend auswerten. Den riesigen Rest müssen sie sofort löschen. Soweit, so ungut, aber immerhin nach Recht und – schlechtem – Gesetz.

Ein Kommentar von Tim Gerber

Tim Gerber ist gelernter Theaterbeleuchter und Beleuchtungsmeister; Jura-Studium in Leipzig, seit 2001 c't-Redakteur. Dort anfangs für Drucker zuständig, aktuell für Programmierung, Löten und Basteln mit Elektronik sowie für Verbraucherthemen in der Rubrik "Vorsicht, Kunde".

Das Gesetz verpflichtet das BND, die Daten unbescholtener Bürger zu löschen. Macht der Geheimdienst aber nicht – nach dem Motto: was ich einmal habe, gebe ich nicht wieder her. Also leiten sie die so genannten Meta-Daten von Telefonverbindungen ab und speisen damit ihr Analysetool VerAS – das steht für Verkehrsdaten-Analysesystem. Schwacher Trost: Die Datensätze zu Telefonnummern im Inland "anonymisert" der Dienst durch ausixen von ein paar Zahlen. Doch schon bei der Frage, ob sich die Daten nicht doch mit relativ geringem Aufwand einer bestimmten Person zuordnen lassen, eierten die BND-Vertreter vor Gericht derart herum, dass einem als Zuhörer im Saal schlecht wurde. Natürlich können die das anhand der verbleibenden Daten wie Ort und Zeit der Telefonate, aber sie dürfen es nicht.

Für diese Datei VerAS existiert offenbar nicht einmal die zwingend erforderliche Dateianordnung durch das Bundeskanzleramt. Insgesamt betreibt der Dienst 25 verschiedenen Datenbanken, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sind, kam in der Verhandlung ebenfalls heraus. Die Frage, ob wir überhaupt einen Geheimdienst brauchen, will ich hier nicht stellen. Aber so einen Dienst, der auf Vorrat millionenfach Daten über uns ansammelt und analysiert, der unsere Freiheit, ohne staatliche Überwachung zu telefonieren oder Kurznachrichten zu versenden, derart einschränkt, brauchen wir bestimmt nicht.

Auch die Geheimdienstler sind nach Artikel 20 Absatz 3 unserer Verfassung an Recht und Gesetz gebunden. Eine Behörde, die wie der BND sehenden Auges derart offenen Rechtsbruch begeht, gehört in die Schranken verwiesen. In erster Linie sind dafür nicht die Gerichte zuständig, sondern die Fachaufsicht. Im Falle des BND ist das das Bundeskanzleramt der Frau Doktor Angela Merkel. Die sollte als Ostdeutsche auf keinen Fall dulden, dass sich ein Geheimdienst unter ihrer Ägide zu einer Stasi 2.0 entwickelt. (tig)