Kritik: Open Music Initiative löst Urheberrechts-Probleme der Streaming-Dienste nicht
Die Open Music Initiative will durch eine dezentrale Datenbank die Zuordnug von Urheberrechten erleichtern, weil Streaminganbieter oft nicht wissen, wen sie bezahlen sollen. Doch das Problem seien nicht die Daten, meint Musikdaten-Experte Jeff Price.
Große Streaminganbieter sind Komponisten und Textern Millionen an Tantiemen schuldig geblieben. Spotify & Co weisen gerne darauf hin, nicht zu wissen, an wen sie die Tantiemen ausschütten sollen. Für diese Wissenslücke stellt die neue Open Music Initiative (OMI) eine Lösung in Aussicht. OMI will eine dezentrale Datenbank und Standards für Datensammlung und Dateiformate erarbeiten. Doch das gehe völlig am wahren Problem vorbei, meint Musikdaten-Experte Jeff Price. Die Daten seien vorhanden, würden aber oft ignoriert.
Jeff Price ist Mitgründer des Distributors Tunecore, CEO des von ihm mitgegründeten Auditing-Dienstleisters Audiam und ausgewiesener Experte für Musik-Metadaten. "Für Spotify und die anderen Streamingdienste ist es kein Datenproblem, oder Datenformat-Problem", sagte Price im Gespräch mit heise online. "Die Daten sind da, die Formate sind da. Das Problem ist, dass Spotify nie die Systeme oder Prozesse gebaut hat, um die Lizenzen [für Kompositionen und Texte] zu erwerben, die Daten zu verarbeiten und zu bezahlen."
Price: Streaminganbieter ignorieren die Daten
Die Streaminganbieter hätten nicht einmal um die Daten über Komponisten und Texter gebeten. "Wir [von Audiam] schicken [den Streamingdiensten] seit über zwei Jahren die Daten, aber sie erwerben noch immer keine Lizenzen und zahlen", klagte Price. Für ihn liegt das Problem klar bei den Musikverwertern, nicht auf der Datenseite: "Bevor Sie eine Aufnahme auf den Streamingserver stellen, brauchen Sie Lizenzen für die Aufnahme, für die Komposition und für den Text. Und wenn Sie diese Lizenzen erwerben, wissen sie, wer die Rechteinhaber sind."
"Wenn Sie nicht wissen, ob sie eine Lizenz haben, oder wer den Song geschrieben hat, dann haben Sie keine Lizenz. Und dann dürfen Sie die Musik nicht streamen", fuhr Price fort. "Die Lösung ist eine 1:1-Datenübertragung, genau wie bei den Rechten an der Aufnahme auch, keine dezentralisierte Datenbank. […] Ich weiß nicht, welches Problem die OMI löst, aber es ist nicht das vorliegende."
Unabhängig davon könne der Zugriff auf Daten nur ein Teil des Puzzles sein: "Wie verbindet man eine bestimmte Aufnahme mit der zugehörigen Komposition? Da nimmt jemand ein Cover von 'All Along the Watchtower' auf und lädt es zum Streamingdienst hoch. Der muss von Bob Dylan eine Lizenz für Komposition und Text haben. Aber wie verbindet der Server die neue Aufnahme mit Bob Dylans Rechten?", führte Price aus, "Und jemand anders übermittelt eine Aufnahme namens 'Butterfly'. Unter dem Namen gibt es mehrere Lieder. Wie wird das richtig zugeordnet? OMIs angestrebte Lösung geht diese Herausforderung überhaupt nicht an."
Historische Ursachen
Zwar schütten Streaminganbieter jährlich Millionen an Tantiemen aus; doch gelten sie damit oft nur die von den Plattenlabels vertretenen Rechte der an der jeweiligen Aufnahme beteiligten Künstler ab. Die Komponisten und Texter respektive deren Verleger gehen vor allem in den USA häufig leer aus. Das dürfte historische Ursachen haben: Beim Verkauf von Musikdateien muss ein US-Händler nur eine Lizenz des Plattenlabels lösen.
Das Label leitet dann einen Teil des Geldes an die Komponisten und Texter beziehungsweise deren Verleger weiter. Der Online-Händler muss nicht wissen, wer diese Rechte hält. Beim Streaming ist die US-Rechtslage anders. Statt eines Verkaufs findet eine Aufführung statt. Dafür muss der Anbieter mehrere Lizenzen lösen: Vom Label für die Rechte der aufnehmenden Künstler, und vom Verleger für die Komposition und gegebenenfalls den Text.
Pfusch
Unter Streaminganbietern war es üblich, Dateien und Datenbestand eines bestehenden Online-Shops als Grundlage für den Streamingdienst zu nehmen. Der Aufbau eigener Datenbanken hätte wertvolle Zeit gekostet und den Marktauftritt verzögert. Doch weil der Online-Händler keine Verleger-Lizenz braucht, fehlen in seinen Daten regelmäßig die Angaben zu Komponisten und Textern.
Die Streaminganbieter mussten diese Lücke kennen, streamten aber dennoch drauf los. YouTube einigte sich 2011 mit der NMPA, dem Verband der US-Musikverlage; dieses Jahr gelang das auch Spotify. Doch nicht alle Rechteinhaber sind mit der erzielten Einigung einverstanden, weshalb weiter prozessiert wird. (ds)