Missing Link: Der Schöne und die Influencerin - von KI, virtuellen Models, Schönheitswahn und Mode

Seite 2: Designer-KI

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Shudu Gram – eine Frau mit den Merkmalen echter Menschen wie den feinen Äderchen und Zellstrukturen auf ihrer Haut. Doch Gram ist immer noch so dünn wie ein im Wind raschelndes Schilfrohr. Auch ihr ebenso berühmtes Pendant Lil Miquela, ein animiertes, sehr dünnes Model, das auf Instagram für Prada Werbung macht, wird von ihren Designern in jeder denkbaren Position positioniert, sodass ihr knochig-flacher Bauch hinter der Designerkleidung hervorblitzt. Lil Miquela kann man auf Instagram dabei zusehen, wie sie Salat isst und einen Kinofilm schaut; wie und sie poetisch ihren Followern wünscht, "dass die Flügel des schwarzen Eyeliners für immer auf eurer Haut haften mögen".

Digitales Model Lil Miquela

(Bild: Instagram )

Sind diese digitalen Models nur die logische Weiterentwicklung der omnipräsenten Werbeanzeigen, im Bus, in der Bahn, auf Litfaßsäulen im öffentlichen Raum, die stets nur das knochige Schönheitsideal einer makellosen weißen Frau und durchtrainierten Männern zeigen? Sind digitale Models die Antwort auf den immergleichen Druck, besser und schöner auszusehen – bis "besser und schöner" eben nur noch in 3D geht?

Animiertes 19-jähriges Model Lil Miquela

(Bild: Instagram )

In der Zukunft könnten Designer beispielsweise ihre neu entworfenen Kleider an die Software-Entwickler im Haus geben, diese platzieren die Kleider dann auf die hauseigenen 3D-Avatare, und die zuständigen Social-Media-Manager posten die Bilder auf allen sozialen Kanälen. Das "echte" Model wurde dabei einfach übergangen. Ihr Beruf? Passé.

Die berühmte $Oxford-Studie von Frey und Osborne aus dem Jahr 2013 bewertet Model als einen der Berufe, deren Aufgaben bald vollständig von der Künstlichen Intelligenz übernommen werden könnten. Der Beruf Model rangiert im Ranking auf Platz 669, die Plätze davor sind denen vergeben, deren Aufgaben nicht in Bälde von Computern übernommen werden können – z.B. Sozialarbeiter oder Psychologen.

Bleibt für Models nur noch der Laufsteg. Doch auch hier ist die Technik schon schneller. Die ersten Hologramme von Topmodeln liefen schon Anfang der 2000er Jahre über den Laufsteg. Bislang sind es jedoch nur Kopien von "echten" Models. Da ist zum Beispiel das Hologramm von Kate Moss, die mit flackerndem blauem Kleid den Designer Alexander McQueen nach seinem Selbstmord ehrte. Das Publikum beklatschte den blauen Moss-Geist mit dem gleichen Enthusiasmus auf der Queen Fashion Show wie den Auftritt der echten Laufstegmodels.

Ralph Lauren zog nach: Der Designer ließ während der New York Fashion Week seine holographischen Models 2016 über den See des Central Parks laufen – den Besuchern gefiel es: Die Hologramme, die auf dem künstlichen Catwalk entlang staksten, blickten auf ein Meer von Smartphone-Kameras herab. Den Vogel schoss der Modeschöpfer selbst ab: Als er 2018 den Preis für sein Lebenswerk von der Männerzeitschrift GQ erhielt, beamte er sich bei der Dankesrede auf die Bühne. "Sorry, dass ich nicht hier sein kann", sagte das Ralph-Lauren-Hologramm und drehte verlegen die goldene GQ-Skulptur in den Händen.

Rede bei den GQ-Awards mit dem Hologramm von Ralph Lauren

(Bild: GQ )

Ist die Entstehung der Hologramm-Models ein Untergangsmerkmal für alle Laufstegmodels, genauso wie digitale Supermodels den schwindenden Einfluss realer Influencer einläuten? Noch nicht. Es bleibt festzuhalten, dass diese virtuellen Charaktere noch nicht im Mainstream angekommen sind. Laufsteg-Hologramme leistet sich nur, wer herausstechen möchte aus dem immergleichen Zirkus der Kleiderstangenmaschierer.

Eine weitere Variante der Hologramm-Mode zeigt die niederländische Designerin Slooten. Eine durchaus beeindruckende Show hätte die Amsterdam Fashion Week 2016 werden können. Eine echte Frau im hautfarbenen Body tanzte hinter einem durchsichtigen Vorhang, auf dem ein üppiges Kleid gebeamt worden war. Der Eindruck sollte entstehen, dass das Kleid tatsächlich an ihrem Körper hing.

Ähnlich wie der Erschaffer des schwarzen Topmodels Shudu Gram, der explizit menschliche "Makel" in den Körper seiner Figur mit einbaut, nutzte auch die Niederländerin Amber Slooten den virtuellen Raum, um auf die Schönheit des physisch Realität zu verweisen: Ihre Hologrammkleider waren mit sich selbst bewegenden Tieraugen und -mäulern versehen, die die Seele jedes Gegenstandes um uns herum repräsentierten sollten, inspiriert von der der spirituellen Theorie des Animismus. Es scheint, dass virtuelle Designer die verborgenen Facetten der Realität entlarven.