Missing Link: "Es gibt keine Pflegeroboter"

Seite 2: Zukunftsmusik und harte Realität

Inhaltsverzeichnis

heise online: An welchen Technologien forschen sie gerade, die noch nicht im Einsatz sind?

Buhtz: Wir erforschen in erster Linie keine Technologien, sondern beschäftigen uns mit der Frage, wie man pflegende Angehörige und Fachkräfte mit Bildungskonzepten dazu befähigen kann, selbst Technologie auszuwählen, zu nutzen und aber auch kritisch zu hinterfragen. Wir versuchen mit unserem Projekt technologische Berührungsängste abzubauen und Pflegekräfte mit kritischer Reflektion auf die Pflege von morgen vorzubereiten.

Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns auf der technischen Seite u. a. mit Geräten, welche bei der Strukturierung des Alltags helfen können. Es gibt Medikamentenspender, die an die Einnahme erinnern und sie auch überwachen. Als Spiegel oder Wanduhr in die Wohnung integrierte Displays können als "smarte" Kalender an Termine erinnern. Ein in ein Kissen integriertes Audiosystem kann über ein spezielles Verfahren Probleme beim Ein- und Durchschlafen reduzieren, was u. a. das Problem der nächtlichen Unruhe bei Menschen mit Demenz lindern könnte. Zudem setzen wir uns aber auch mit Möglichkeiten der Virtual Reality auseinander.

heise online: In der medialen Debatte um Pflegerobotik kommt immer ein Roboter vor: Pepper. Der in Frankreich entwickelte und von dem japanischen Konzern SoftbankMobile Corp vertriebenen humanoide Roboter stand erst letztens wegen starker Sicherheitsprobleme in der Kritik, doch hat man das Gefühl, dass dieser Roboter schon in allen Pflegeheimen angekommen ist. Stimmt diese Einschätzung?

Buhtz: Nein, überhaupt nicht, obwohl das Bild leicht entstehen kann und von einigen Medien auch gerne suggeriert wird. Pepper wird in einigen Projekten gerne eingesetzt, weil er ein Roboter ist, den man in dieser Größe und mit diesem Funktionsumfang von "der Stange kaufen kann". Man kann ihn einfach auspacken und einschalten, deswegen wird er häufig eingesetzt.

Pepper wird gerne als Beispiel für einen Roboter in der Pflege genannt. Helfen kann er den Pflegekräften aber kaum.

Seine Fähigkeiten sind allerdings limitiert. Im eigentlichen Sinne ist er kein Roboter für die Pflege, aber er kann, mit erweiterter Programmierung, auch für diesen Einsatz im begrenzten Maße nutzbar gemacht werden. Da der Pepper-Roboter keine Greiffunktion mitbringt, sondern nur fahren und sprechen kann, haben wir Szenarien entwickelt in dem er den Patienten Erklärungen zu Untersuchungen oder auch Terminerinnerungen geben kann.

heise online: Der Roboter soll alte Menschen amüsieren und ablenken, sodass Pflegende nicht mit der Unterhaltung von Menschen mit Demenz weiter überlastet werden. Ist das keine gute Entwicklung?

Buhtz: Nein, denn wenn überhaupt, kann man dieses Gerät nur als einen Kommunikations- oder Entertainmentroboter einordnen. Man sollte ihn auf keinen Fall mit dem Begriff "Pflegeroboter" belegen. Das Gerät Pepper hat ein humanoides Aussehen bekommen, damit er niedlich und ungefährlich wirkt und die Akzeptanz steigt. Menschliche Zuwendung in der Pflege kann und darf durch einen auch noch so niedlichen Roboter nicht ersetzt werden.

heise online: Was würde denn passieren, wenn ein Mensch mit Demenz zu Pepper eine Beziehung aufbaut?

Buhtz: Ich kann mir schon vorstellen, dass man für einen süßen Roboter Sympathie empfinden kann. Es sollte aber immer klar sein, was Mensch und was Maschine ist. Den gezielten Einsatz, um menschliche Zuwendung und soziale Interaktion zu ersetzen, lehnen wir ab. Außerdem wäre dadurch zu viel Missbrauch möglich. Wollen wir die Gefahr einer emotionalen Abhängigkeit zu einer Maschine, die ggf. fremdgesteuert werden kann?