Netflix: Klares Nein zu werbefinanziertem Programm

Netflix will allen Unken aus der Branche zum Trotz weiter beim Bezahlmodell für seine Eigenproduktionen bleiben und sieht zentrale VoD-Plattformen skeptisch.

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Netflix: Klares Nein zu werbefinanziertem Programm

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Eine Finanzierung selbst einzelner Programmteile wie gut laufender Serien durch Werbung ist und bleibt für Netflix kein Thema. "Wir haben keinerlei Pläne in diese Richtung", betonte Wolf Osthaus, der bei dem US-Streaming-Anbieter die Pflege der öffentlichen Beziehungen in Deutschland verantwortet. Ein werbebasierter Ansatz gereiche "nicht zum Vorteil unserer Nutzer", meinte Osthaus auf einem Symposium zum Digital-TV, das der Breitbandverband Anga Com in Berlin veranstaltete.

Den meisten Anbietern im Medien- und TV-Geschäft erscheint Werbung als unverzichtbarer Finanzierungsbestandteil. Die Branche wettet daher seit Längerem darauf, dass das "Kartenhaus" Netflix einstürzt und der Konzern angesichts hoher Schulden und eines beschränkten Wachstumspotenzials sein Geschäftsmodell ändert und sich mit Dritten zusammentut. "Die Bereitschaft, für gute Inhalte zu bezahlen, nimmt gerade erst zu", hält Osthaus dem entgegen. Vor allem in den USA, wo ein Haushalt mit Pay-TV rasch bei Kosten von über 100 US-Dollar im Monat lande, sei die Neigung groß, sich vom Kabelfernsehen zu verabschieden.

Auch vor der wachsenden Streaming-Konkurrenz ist dem hiesigen "Außenminister" von Netflix nicht bange. Amazon Prime sei zwar sehr vielfältig, aber Video on Demand (VoD) stehe dort "nicht so im Vordergrund". Bei Apple liege der Fokus im Kern auf der Hardware, Programm sei nur ein Zusatzschmankerl. Disney wiederum habe "starke Marken", mit denen könne der Medienkonzern aber am besten "Kreuzfahrten anbieten". Auch dort "fehlt vielleicht ein finaler Fokus auf die eine Geschichte, die es zu erzählen gilt".

Netflix gehe hier kompromissloser an originale Inhalte heran und führe vermutlich auch deshalb bei den diesjährigen Oscars die Nominierungsliste mit 24 Erwähnungen für "The Irishman", "Marriage Story" und "Die zwei Päpste" an, meinte der Jurist. Bei den Golden Globes Anfang Januar konnte der Anbieter allerdings letztlich nicht wirklich punkten.

Aus Netflix werde kein Aggregator, bei dem man "alles" finden könne, unterstrich Osthaus. Er sei sich auch nicht sicher, "ob wir alles auf einer Plattform machen müssen". Dinge zusammenzubringen sei eher die Rolle der Gerätehersteller oder der Internetprovider. Es sei auch nicht zu unterschätzen, "wie mobil die Nutzer inzwischen sind und wie fließend sie zwischen Apps wechseln". Netflix werde weiter bereit sein, "ins Risiko zu gehen" und Künstlern die Freiheit zu geben, "sich im besten Sinne des Wortes gehen zu lassen".

"Das rein werbefinanzierte Modell verliert weitgehend an Relevanz", berichtete auch Niklas Brambring, Geschäftsführer des Streamingdienstes Zattoo. Wer noch einen traditionellen Kabel-TV-Anbieter habe, brauche Zattoo zwar nicht. Aber wer nur einen Internetanschluss besitze, bezahle "uns für den technischen Zugang". Für diese Kundschaft habe sich die Firma mit einem Abo-Modell positioniert.

Zattoo profitiere mittelbar von anderen "Over the Top"-Services (OTT), die Zuschauern Streaming direkt über das Internet anbieten, erläuterte Brambring. Wer Apple TV oder einen Amazon Fire TV Stick habe, sei es gewohnt, auf diesem Weg Fernsehen zu konsumieren. Nur für Deutschland Serien oder Filme zu produzieren sei aber zu teuer. Die Leute wollten zudem auch weiter Fernsehinhalte sehen, da sie sich bei Netflix nur schwer informieren könnten, "wenn gerade Wahlen anstehen oder Australien brennt". Zattoo setze daher auf "Media over IP" im Rahmen der Deutschen TV-Plattform, um "starke Inhalte" in "guter Form" und bald in 4K unabhängig von der Transportform an den Nutzer zu bringen.

"Wir steuern genau aus, wo unsere Zielgruppen sind und wie wir sie am besten bedienen mit unserer Programmexpertise", erklärte die Distributionsexpertin von ProSiebenSat.1, Nicole Agudo Berbel. Im Internet erreiche die Sendergruppe vor allem "die Jungen", sodass sie hier etwa eine Kooperation mit YouTube für Kurzvideos etwa von Galileo abgeschlossen habe. "Weltmeisteranteile", wie sie das Haus gerade mit "The Masked Singer" eingefahren habe, kriege man mit einer kleinen Online-Zuschauergruppe aber nicht hin.

"Wir sind im Kern ein Free-TV-Haus", konstatierte die Managerin. Mit sieben Fernsehsendern allein in Deutschland sei man "immer auf die breite Masse ausgerichtet" sowie auf Reichweite, die zielgerichtet vermarktet werden könne. Live-Inhalte wie "Germany's Next Topmodel" oder "The Voice" blieben im Vordergrund. Zusätzliche Refinanzierungsmöglichkeiten ergäben sich über VoD-Angebote wie Maxdome und Joyn. Bei reinen Streaming-Anbietern erwartet sie spätestens "in vier oder fünf Jahren Konsolidierungstendenzen".