Piraten klagen vor Bundesverfassungsgericht gegen 3-Prozent-Hürde zur Europawahl

Die Piraten stört unter anderem, dass durch die Klausel unverhältnismäßig viele Stimmen unter den Tisch fielen und große Parteien begünstigt würden.

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Die Piratenpartei hält die in Deutschland geltende 3-Prozent-Hürde zur Europawahl im Mai 2014 für verfassungswidrig. Sie will vor dem Bundesverfassungsgericht erreichen, dass die Hürde aufgehoben wird, und hat dort nun einen Antrag auf ein Organstreitverfahren eingereicht. Durch die Hürde muss eine Partei mindestens drei Prozent der hierzulande abgegebenen Stimmen erhalten, um Abgeordnete ins EU-Parlament entsenden zu können.

Die Piraten stört unter anderem, dass durch die Klausel unverhältnismäßig viele Stimmen unter den Tisch fielen und große Parteien begünstigt würden. Da die zuletzt 96 deutschen Abgeordneten zustehenden Sitze auf die Wählerstimmen aufgeteilt würden, gebe es bereits eine De-facto-Sperrklausel, denn ein Abgeordneter benötige hierzulande mindestens 650.000 Stimmen, um ins Europaparlament zu kommen. Mit der 3-Prozent-Hürde werde aber in den "Schutzbereich der Chancengleichheit und der Wahlgleichheit eingegriffen. Diese Rechte ergeben sich aus Art. 21 Abs. 1 und Art 3 Abs. 1  GG ", heißt es in der Klage.

Die Piraten streben eine Eilentscheidung an, um noch vor der Europawahl im Mai 2014 ein Urteil zu erwirken. Die Drei-Prozent-Hürde wurde im Sommer 2013 im Bundestag von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Bundespräsident Joachim Gauck hat am gestrigen Montag das neue Europawahlgesetz ausgefertigt. Dieses war modifiziert worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im November 2011 die ursprünglich in Deutschland geltende 5-Prozent-Hürde verworfen hatte. Die Piraten sind nicht die ersten, die gegen die neue 3-Prozent-Hürde vor das Bundesverfassungsgericht gegangen sind; dort liegen bereits drei Organstreitverfahren, und zwar von der NPD, der "Freiheit" und einem Bündnis von zehn Kleinparteien.

Ohne eine deutsche Sperrklausel wären zur vorigen Europawahl 2009 sieben weitere Parteien in das Europaparlament eingezogen, rechnen die Piraten vor. Die Zahl der Parteien hätte also 169 statt 162 betragen. Zu einer Zersplitterung des Parlaments wäre es dadurch nicht gekommen, da sich dort Abgeordnete verschiedener Parteien zu Fraktionen zusammenfänden. Die Einführung der Fünf-Prozent-Hürde in Deutschland war bei Gründung der Bundesrepublik mit den Erfahrungen der Weimarer Republik begründet worden; dort habe das Fehlen einer Hürde für den Einzug ins Parlament die Zersplitterung gefördert.

Darüber hinaus sei das Europaparlament nicht von stabilen Mehrheiten abhängig, erklären die Piraten. "Entscheidungen werden einmalig getroffen, und auch bei der Wahl von Repräsentationsorganen sind diese nicht auf fortlaufende Mehrheiten für Folgeabstimmungen angewiesen. Für jede Entscheidung können sich wechselnde Mehrheiten finden", schreiben die Piraten. Das habe sich auch durch Vertrag von Lissabon nicht grundlegend verändert. Das Verfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung gegen die Fünf-Prozent-Hürde bei Europawahlen auf strukturelle Unterschiede zwischen Bundestag (für den eine 5-Prozent-Hürde laut Gericht verfassungsgemäß ist) und dem EU-Parlament hingewiesen, so wähle das EU-Parlament beispielsweise keine Regierung, die auf seine andauernde Unterstützung angewiesen sei.

In einer Entschließung des Europaparlaments würden zwar die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, "geeignete und angemessene Mindestschwellen für die Zuteilung der Sitze festzulegen, um dem in den Wahlen zum Ausdruck gekommenen Wählerwillen gebührend Rechnung zu tragen", doch sei das kein Freibrief für die Einführung einer Sperrklausel, meinen die Piraten. Vielmehr fordere das Parlament die Mitgliedsstaaten auf zu prüfen, ob eine Mindestschwelle geeignet und erforderlich ist.

"Offenheit für neue Ideen, politischer Wettbewerb und Vielfalt bilden das Fundament einer lebendigen Demokratie", erklärt der Piraten-Bundesvorsitzende Bernd Schlömer. "Der Ausschluss kleiner und damit oft neuer Parteien aus dem EU-Parlament durch die Drei-Prozent-Sperrklausel führt zu einer Erstarrung des Parteiwesens und behindert die Lernfähigkeit des politischen Systems durch neue Impulse. Diese Sperrklausel ist undemokratisch und verhindert eine lebendige europäische Demokratie." (anw)