Problem für Internetdienste: US-Kongress verabschiedet umstrittenes Gesetz gegen Menschenhandel

Das US-Parlament hat einem Gesetz zugestimmt, das vorgeblich Menschenhandel zurückdrängen soll. Es richtet sich aber vor allem gegen Internetdienste, die für Nutzerinhalte verantwortlich gemacht werden. Das könnte immense Konsequenzen haben.

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Problem für Internetdienste: US-Kongress verabschiedet umstrittenes Gesetz gegen Menschenhandel

(Bild: skeeze)

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Nach dem US-Repräsentantenhaus hat auch der US-Senat einem Gesetzespaket zugestimmt, das laut Kritikern eine rechtliche Grundlage für die US-Führungsrolle im IT-Bereich zerstören könnte. Mit 97 zu 2 Stimmen votierte der Senat für das Gesetz namens "Allow States and Victims to Fight Online Sex Trafficking Act of 2017", das aus den Initiativen SESTA und FOSTA hervorgegangen ist. Es richtet sich gegen die Unterstützung des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Betreiber von Internetplattformen sollen strafrechtlich belangt werden, wenn ihre Seite zur Bewerbung von Sexhandel benutzt wird. Der EFF zufolge ist aber es so breit gefasst, dass es sogar gegen Betreiber in Stellung gebracht werden könnte, die nicht einmal wissen, dass ihre Plattform für Menschenhandel genutzt wird.

Das Gesetz soll Sektion 230 des sogenannten Communications Decency Act abändern. Diese Regelung schützt Internetplattformen mit einigen Ausnahmen davor, für Inhalte verklagt zu werden, die deren Nutzer veröffentlicht haben. Sie gilt als eine rechtliche Basis für den enormen Erfolg US-amerikanischer Internetangebote, hatte etwa der demokratische Senator Ron Wyden erklärt. Dieser Schutz soll nun aufgehoben werden, wenn Seiten zum Menschenhandel genutzt werden. Die Ausnahme würde zu jener für Urheberrechtsverletzungen hinzukommen, die bereits gezeigt hat, welchen Schaden sie anrichten kann. Einige Kritiker fürchten nun, dass das neue Gesetz Plattformbetreiber sogar dazu verleiten könnte, weniger entschieden nach Inhalten zu Menschenhandel zu suchen, um wenigstens mangelnde Kenntnis vorbringen zu können.

Angestoßen worden war das Gesetz von der Debatte um die Kleinanzeigenseite Backpage.com, die für mit Codewörtern gespickte Inserate von US-Sexarbeitern bekannt war. Ein Teil davon bewarb Dienstleister, die minderjährig oder unfreiwillig tätig waren. US-Politiker wollten die Betreiber der Seite haftbar machen, auch weil es einfacher schien, als die Zuhälter zu verfolgen. Betreiber von Online-Diensten fürchten nun aber eine Klagewelle, zumal sie nicht alle Postings auf alle möglichen Codeworte kontrollieren können. Kritiker hatten außerdem verfassungswidrige Aspekte ausgemacht, etwa Strafen für Aktivitäten vor Inkrafttreten des Gesetzes. Ohne die Seite zu verteidigen, hatten Aktivisten darüber hinaus darauf hingewiesen, dass es ohne Seiten wie Backpage.com viel schwieriger wäre, Opfer von Menschenhandel zu finden – und zu retten.

Das nun nur noch von Donald Trump zu unterschreibende Gesetz wird weithin als eine große Niederlage des Silicon Valley in der US-Hauptstadt gesehen, schreibt das US-Magazin The Hill. Einerseits hatten Teile der IT-Industrie ihren Widerstand im Herbst 2017 überraschend aufgegeben, andererseits ist die allgemeine Stimmung in Washington D.C. den IT-Riesen im Moment nicht gewogen. Nicht zuletzt wegen der Debatten um den Einfluss von Facebook, Google, Twitter & Co. auf die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Ron Wyden, der neben dem Republikaner Rand Paul die einzige Gegenstimme abgab, hatte aber auch darauf hingewiesen, dass die großen Internetdienste genug Geld und Anwälte haben dürften, um mögliche Klagen abzuwehren, weswegen sie ihren Widerstand aufgegeben haben könnten. Kleinere Dienste könnten dagegen unter die Räder geraten.

(mho)