Quaero gibt weiter Anlass zu Fragen
Nach Ansicht der Bundesregierung musste das 400 Millionen Euro schwere Suchmaschinen- und Digitalisierungsprojekt "Quaero" nicht öffentlich ausgeschrieben werden - dies sei bei strategischen Großprojekten mit grundlegender Bedeutung nicht üblich.
Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zum geplanten deutsch-französischen Suchmaschinen- und Digitalisierungsprojekt "Quaero" geantwortet. Die Abgeordneten wollten von der Regierung unter anderem wissen, weshalb es keine öffentliche Ausschreibung gab, auf die sich Unternehmen zur Beteiligung an Quaero bewerben konnten. Dagmar Wöhrl, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (BMWi) erklärte dazu im Namen der Bundesregierung: "Bei der Aufsetzung von strategischen Großprojekten mit grundlegender Bedeutung sind Ausschreibungen nicht üblich, da hier – auf der Grundlage von vorgegebenen Zielen – die Projektpartner durch die stringente Projektführung ausgewählt werden und das notwendige Projektmanagement durch den Konsortialführer vorgenommen wird."
Eine Begründung, die nicht nur die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen verblüfft: "Wir wundern uns doch sehr über die Antwort der Bundesregierung. Dass bei der Aufsetzung von strategischen Großprojekten Ausschreibungen nicht üblich sind, wäre uns neu. Gerade bei derartigen Prestigeprojekten scheinen transparente Ausschreibungen dringend geboten", erklärte die medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Grietje Bettin, gegenüber heise online. Für die Entwicklung von Quaero sollen insgesamt deutlich über 400 Millionen Euro an Forschungsgeldern aufgebracht werden. Die Kosten des deutschen Anteils belaufen sich auf 240 Millionen Euro, von denen bis zu 100 Millionen Euro aus Mitteln der FuE-Förderung des BMWi kommen sollen. Der Rest entfällt auf die Wirtschaft.
Die Bundesregierung verweist darauf, dass geplant sei, "den deutschen Quaero-Anteil in einer zweiten Förderphase in voraussichtlich zwei Jahren mit einer Ausschreibung über das jetzt etablierte Konsortium hinaus zu öffnen". Einige der jetzt schon an Quaero beteiligten Partner seien über die Bewertung von Vorschlägen für Teilvorhaben ("Uses Cases") durch eine unabhängige Jury ausgewählt worden. Von insgesamt elf eingereichten Vorschlägen für Teilvorhaben in Deutschland hätten die Gutachter sieben zur FuE-Förderung vorgeschlagen. Die Jury setze sich aus acht Experten zusammen, davon sieben aus der Wissenschaft. Einziger Nicht-Wissenschaftler ist Alexander Linden, Geschäftsführer der HumanGrid GmbH in Dortmund, der Quaero jedoch offenbar keine großen Chancen gegenüber US-amerikanischen Suchmaschinen- und Digitalisierungsprojekten einräumt – zumindest äußert er dies öffentlich.
Wieso die Gesamtleitung des Projekts auf deutscher Seite der empolis GmbH, einem Tochterunternehmen der zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Arvato AG, zufällt, ist auch nach Antwort der Bundesregierung unklar. Darin heißt es lediglich, Empolis sei "eines der maßgeblichen Unternehmen im Bereich der Suchtechnologien", das diese auch an Teile der deutschen Verwaltung liefere. Hinzu komme, "dass Empolis auch bereits Erfahrungen im Umgang mit Informationsaufbereitungsprozessen (zum Beispiel Content Management) aufweist, die bei Quaero ebenfalls von Bedeutung sind". Kriterium zur Auswahl der beteiligten Hochschulen (Karlsruhe, München, Darmstadt und Konstanz) war laut Bundesregierung "ihr Beitrag zur Erweiterung der technologischen Grundlagen für die Erschließung multimedialer Inhalte im Internet und deren Zugriff, Verarbeitung, Navigation und Suche".
Der Direktor des ebenfalls an Quaero beteiligten Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), Wolfgang Wahlster, hatte unlängst erklärt, das Quaero-Konsortium sei stark wirtschaftlich ausgerichtet. So seien in dem 900 Seiten starken Projektförderantrag an das Wirtschaftsministerium zahlreiche Geschäftsszenarien von Modellen für das Krankenhaus der Zukunft und den schnellen Zugriff auf medizinische Daten bis zur Digitalisierung der ebenfalls beteiligten Deutschen Nationalbibliothek ausgebreitet. Alle diese "Business Cases" seien "von vornherein auf kommerzielle Nutzung ausgerichtet", da "alle beteiligten Firmen Geld verdienen wollen" und keine reine Werbefinanzierung geplant sei. "Wir sind nicht interessiert an Dingen", betonte Wahlster auf einem Bitkom-Forum Anfang September in Berlin, "wo wir sagen, das stellen wir jetzt zum Gemeinwohl ins Internet."
Vielleicht sind deshalb auch die Ausführungen der Bundesregierung zur Einbindung bestehender soziokultureller Digitalisierungsinitiativen wie der "Digitalen Bibliothek" oder der "Volltextsuche Online" eher spärlich. Man beabsichtige ein nationales Konzept zur Digitalisierung von Kulturgut und zum deutschen Beitrag für die Europäische Digitale Bibliothek zu erarbeiten, heißt es etwa. Oder: Ein Informationsaustausch mit der Arbeitsgruppe "Volltextsuche Online" werde auch in Zukunft fortgeführt. Konkreter wird es allerdings schon am morgigen Freitag. Dann nämlich stimmt der Bundestag im Rahmen des Einzelplans 09 über den Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und damit über die Finanzierung von Quaero ab. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen kündigte schon jetzt an, dass man der Bundesregierung, dem Konsortialführer und den anderen Durchführenden von Quaero weiterhin "sehr deutlich auf die Finger schauen" werde. (pmz)