Smart Borders: Grünes Licht für biometrische Grenzkontrollen im EU-Parlament
Der Innenausschuss des EU-Parlaments hat den Weg freigemacht für ein biometrisches Kontrollsystem: Angehörige von Drittstaaten müssen sich bald bei der Einreise in die EU mit vier Fingerabdrücken und Gesichtsbild registrieren lassen.
In der EU soll ein biometrisches Ein- und Ausreisesystem nach US-Vorbild eine "intelligente Grenzkontrolle" ermöglichen. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Inneres und Justiz des EU-Parlaments hat dafür am Mittwoch einen Verordnungsentwurf befürwortet, auf den sich vor Kurzem Verhandlungsführer der Abgeordneten mit Vertretern des EU-Rates und der Kommission verständigt hatten.
Zwei Jahre Speicherfrist
Nicht-EU-Bürger müssen sich demnach künftig bei der Einreise in einen Mitgliedsstaat mit vier Fingerabdrücken und Gesichtsbild erfassen lassen. Ferner sollen Identitätsangaben sowie andere Daten aus Reisedokumenten in dem System aufbewahrt werden. Die Speicherfrist beträgt in der Regel nach den letzten Änderungen zwei Jahre. Dehnt ein Ausländer unerlaubt seinen Besuch in der EU aus, werden seine Einträge bis zu vier Jahre lang gespeichert.
Die Datenbank soll die zulässige Dauer eines Kurzaufenthalts berechnen und die nationalen Sicherheitsbehörden automatisch warnen, wenn der Betreffende bis zum Ablauf der zulässigen, meist 90 Tage innerhalb von einem Halbjahr betragenden Aufenthaltsdauer nicht ausgereist ist. Das bisherige Stempelverfahren wird abgeschafft. Das System soll interoperabel sein mit dem bestehenden Visa-Informationssystem (VIS), Doppeleinträge für Einreisende mit einer längeren Aufenthaltsgenehmigung also vermieden werden. Mittelfristig will die Kommission bestehende und künftige Informationsbestände im Bereich innere Sicherheit zu einer virtuellen "Biometrie-Superdatenbank" zusammenführen.
Auch Strafverfolger dürfen auf Daten zugreifen
Generell soll das ursprünglich unter dem Titel "Smart Borders" entwickelte Vorhaben "die Qualität und Effizienz" der Grenzkontrollen verbessern und den Mitgliedsstaaten helfen, die zunehmenden Reise- und Migrationsströme zu bewältigen sowie sich besser vor organisierter Kriminalität und Terrorismus zu schützen. Neben Migrationsämtern und Grenzschützern dürfen auch allgemeine Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europol-Mitarbeiter unter gewissen Bedingungen auf das System zugreifen.
Agustín Díaz de Mera, der konservative Berichterstatter für das Vorhaben, sprach von einem "wichtigen Schritt" auf dem Weg zu einer Sicherheitsunion. Kriminelle mit falschen Identitäten wie der "Terrorist vom Berliner Weihnachtsmarkt" könnten künftig einfacher identifiziert werden. Teile der Christdemokraten hatten gefordert, auch alle EU-Bürger in dem System zu erfassen. Von einem "Paradebeispiel verfehlter Sicherheitspolitik" sprach dagegen der grüne Innenexperte Jan Philipp Albrecht. Die "anlasslose Erfassung von Fingerabdrücken und Gesichts-Scans" kriminalisiere unverdächtige Reisende und sei unverhältnismäßig, wirkungslos und mit geschätzten Kosten von einer Milliarde Euro auch teuer. Der Entwurf muss im Herbst noch formell in Plenarsitzungen des Parlaments und des Rats bestätigt werden. (anw)