Sperranspruch statt Störerhaftung: WLAN-Gesetz kommt, Expertenkritik verhallt ungehört
Die große Koalition hat sich in Grundzügen auf den umstrittenen Regierungsentwurf für ein WLAN-Gesetz geeinigt. Abmahnkosten sollen so größtenteils ausgeschlossen, dafür aber Websperren verankert werden.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ihren Widerstand gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung aufgegeben, mit dem die Störerhaftung von Anbietern offener Funknetze weitgehend abgeschafft werden soll. Der Entwurf kann so fast unverändert noch in dieser letzten Sitzungswoche im Plenum des Parlaments vor der Sommerpause beschlossen werden.
Die offizielle Sprachregelung der großen Koalition war am Dienstagvormittag, dass über das Vorhaben noch im Paket mit einer Reihe weiterer Gesetzentwürfe verhandelt werde, die auf den letzten Drücker den Bundestag passieren sollen. Dies erklärte auch der internetpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek, gegenüber heise online. Dem Vernehmen nach ist die Debatte über das WLAN-Gesetz an sich aber durch, die finale Absprache über das Gesamtpaket zum Greifen nahe.
Sperranspruch "systemwidrig"
Der Entwurf zur erneuten "Änderung des Telemediengesetzes" (TMG) sieht vor, dass Inhaber von Urheberrechten von Hotspot-Betreibern weder Schadenersatz noch Abmahngebühren verlangen dürfen, wenn sie feststellen, dass über ein WLAN unerlaubt geschützte Werke etwa über Tauschbörsen illegal verbreitet werden. Dafür soll es ihnen aber leichter fallen, mit Websperren gegen solche Rechtsverstöße vorzugehen: Paragraf 7 Absatz 4 sieht erstmals eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage für Blockaden gegen einen Diensteanbieter vor. Das soll wiederholte Verstöße verhindern. Die Kosten für eine solche Anordnung soll der Rechteinhaber tragen.
Providervertreter, Verbraucherschützer und Bürgerrechtler gingen gegen den neuen Sperranspruch auf die Barrikaden, lehnten ihn als "systemwidrig" und falsch ab. Damit werde Gerichten der Spielraum genommen, "eine dem Einzelfall angemessene" Anordnung zu treffen. Anwälte könnten künftig in Schreiben an Richter formelhaft behaupten, nur mit Blockaden wiederholte Rechtsverstöße verhindern zu können.
Erst am Montagnachmittag hatten Sachverständige in einer Anhörung im Bundestag noch gewarnt, dass die Gefahr eines vorauseilenden "Overblocking" real sei. Sie forderten, zumindest Sperren für ganze Ports auszuschließen. Ihre Bedenken verhallten aber ebenso ungehört wie die von Staatsanwälten und der Musikindustrie, wonach die Strafverfolgung und die Rechtsdurchsetzung und mit dem Vorhaben leerzulaufen drohe.
Einigung vor Expertenanhörung
Die Expertenrunde war offenbar eine Farce. Laut dem Handelsblatt hatte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) schon am Montagmittag persönlich mit den Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD gesprochen und damit den Knoten durchbrochen. Die Entscheider stimmten demnach dem Regierungsentwurf schon zu diesem Zeitpunkt "vollständig zu".
Betreiber offener Funknetze dürfen laut dem Vorhaben nicht behördlich verpflichtet werden, Nutzer zu registrieren oder die Eingabe eines Passwortes durch seine Nutzer zu verlangen. Derlei Vorkehrungen sollen aber "auf freiwilliger Basis weiterhin möglich bleiben". In einem Änderungsantrag will die große Koalition zudem noch einmal klarstellen, dass Hotspot-Betreiber auch weiterhin eigene Sicherheitsvorkehrungen treffen, also etwa ein Zugangspasswort abfragen können. CDU und CSU hatten vorher immer wieder auf deutlich weitergehende Instrumente wie etwa eine Vorschaltseite gedrängt, mit der WLAN-Anbieter die Nutzer auf die Rechtsbestimmungen aufmerksam machen sollten. Auch Rufe nach Haftungsverschärfungen für einzelne Dienste kamen offenbar wieder auf den Tisch.
Das Leidthema der Störerhaftung bei WLAN hatte Schwarz-Rot eigentlich schon voriges Jahr abräumen wollen, doch mit der jüngsten TMG-Reform fiel nur die Schadensersatzpflicht weg, ein Unterlassungsanspruch mit damit verknüpften Abmahnkosten blieb bestehen. Im Herbst brachte sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil für kommerzielle Hotspot-Betreiber in die Debatte ein und sorgte damit nicht unbedingt für mehr Rechtssicherheit. (anw)