Spielejournalismus: Star-Citizen-Entwickler lassen kritischen Pressebericht löschen

Die Macher der umstrittenen Weltraumsimulation Star Citizen haben ein Spielemagazin dazu bewegt, einen kritischen Artikel über ihr Spiel zu löschen. Der Beitrag hatte sogar einen renommierten Preis für Spielejournalismus gewonnen.

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Spielejournalismus: Star-Citizen-Entwickler lassen kritischen Pressebericht löschen

Dieser Escapist-Artikel ist, genau wie die Antwort von Chris Roberts, aus dem Netz verschwunden.

(Bild: Internet Archive)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Cloud Imperium Games (CIG) und Roberts Space Industries (RSI), die Entwickler des Weltraumsimulations-Epos Star Citizen, haben einen kritischen Pressebericht des Gaming-Magazins The Escapist aus dem Jahr 2015 löschen lassen. Der Artikel, der unter anderem den Kunkel-Journalistenpreis für herausragenden Spielejournalismus der Society of Professional Journalists gewonnen hatte, setzt sich skeptisch mit der Frage auseinander, ob das Crowdfunding-Projekt Star Citizen dem Untergang geweiht ist. Journalistin Liz Finnegan untersuchte zu diesem Zweck die vielen Kontroversen, die das Mega-Projekt umgeben – von angeblich veruntreuten Backer-Geldern bis hin zu Gerüchten, dass Mitarbeiter das Spieleprojekt desillusioniert verlassen hätten. Fragen, die viele Mitglieder der Spiele-Gemeide bewegen.

Der Artikel wurde in der Gamer-Community von Anfang an äußerst kontrovers aufgenommen und veranlasste sogar CIG-Chef und Star-Citizen-Chefentwickler Chris Roberts zu einer Veröffentlichung, in der er sowohl Finnegan als auch teilweise ihre Quellen persönlich angriff und den Artikel als Teil einer Gamergate-Verschwörung darstellte. Dem folgte ein offener Brief vom Rechtsbeistand von Roberts Firma, der von Escapist-Chefredakteur John Keefer eine persönliche Entschuldigung verlangte und dem Magazin obendrein unverhohlen mit rechtlichen Schritten drohte. Das Spiele-Magazin kam diesen Drohungen nicht nach – bis jetzt. Denn nun sind plötzlich sowohl der Artikel als auch Chris Roberts Antwort von den Webseiten des Escapist und von RSI verschwunden. Von beiden Dokumenten existieren allerdings Kopien beim Internet Archive (Escapist-Artikel, Chairman's Response von Chris Roberts).

Schiffe, Hangars, Weltraumschlachten: Chris Roberts "Star Citizen" (8 Bilder)

Auch Piraten müssen manchmal schnell von A nach B kommen – und etwas Luxus hat man sich sicher auch verdient: jetzt spielbar mit dem Schiff Origins M50. (Bild: Cloud Imperium Games)

Hauptstreitpunkt an dem Artikel war, dass er angeblich auf Quellen des unabhängigen Spiele-Entwicklers Derek Smart beruht. Smart entwickelt selbst Weltraumspiele und führt seit Jahren eine persönliche Vendetta gegen Chris Roberts und das Star-Citizen-Projekt über sein Blog und seinen Twitter-Account. Er gibt dabei offen zu, dass er die Auseinandersetzung sehr persönlich nimmt, sagt aber auch, er wolle den Spendern des Projektes die Augen öffnen und sie davor bewahren, noch mehr Geld für ein Projekt auszugeben, das zum Scheitern verdammt sei. Smart sagt, er habe selbst genug Erfahrung bei der Entwicklung von Open-World-Weltraumsimulationen, um erkennen zu können, dass die von Roberts propagierten Ziele unrealistisch seien. Ob Smart das einschätzen kann, wird von vielen Beobachtern bezweifelt; feststeht, dass Chris Roberts' Spiele (darunter die Wing-Commander-Reihe und Freelancer) in der Vergangenheit weitaus erfolgreicher waren.

Finnegan zitiert in ihrem Artikel Smart an mehreren Stellen, Chris Roberts griff das als integralen Bestandteil seiner Kritik auf. Und auch beim Aufdecken der Löschung spielte Smart wieder eine entscheidende Rolle. Laut seines neuesten Blog-Eintrags haben sich CIG und The Escapist einvernehmlich darauf geeinigt, die negative Berichterstattung zu löschen und in Zukunft besser zu kooperieren. Warum das genau Anfang dieses Jahres passiert ist, wo der Escapist-Artikel von Ende 2015 stammt und mittlerweile schon wieder so gut wie in Vergessenheit geraten ist, bleibt unklar. Hinweise auf einen Rechtsstreit in dem Fall lassen sich jedenfalls nicht finden. Viele der in dem Artikel aufgeworfenen Fragen zu Star Citizen sind allerdings auch heute noch relevant. The Escapist und dessen Mutterkonzern Defy Media antworteten auf eine Anfrage von heise online zu diesen Vorkommnissen genauso wenig wie Cloud Imperium Games.

The Escapist ist vielen Videospiel-Enthusiasten vor allem wegen der Video-Serie Zero Punctuation bekannt, in denen Ben "Yahtzee" Croshaw ohne Punkt und Komma und mit einer gehörigen Portion Sarkasmus aktuelle Spiele-Blockbuster verreißt.

Lesen Sie zu diesen Thema ebenfalls einen Kommentar zu Star Citizen:

(fab)