Streit über Mitarbeitervertretung: Niederländisches Verfassungsgericht stellt Europäischem Patentamt Freibrief aus
Das oberste Gericht der Niederlande hat ein Urteil der Vorinstanz kassiert, wonach das Europäische Patentamt die Mitarbeitervertretung Suepo hätte anerkennen müssen. Behördenchef Benoît Battistelli kann sich in seinem Konfrontationskurs bestätigt fühlen.
Der Hohe Rat der Niederlande hat in einem am Freitag veröffentlichten Urteil klargestellt, dass das Europäische Patentamt (EPA) sowie andere internationale Institutionen vor Ort Immunität genießen und außerhalb des nationalen Rechts stehen. Das oberste Gericht des Königreichs hat mit dem Beschluss eine Entscheidung des Berufungsgerichts für ungültig erklärt, wonach das EPA die Mitarbeitervertretung Suepo formell als Gewerkschaft hätte anerkennen und ihr mehr Mitspracherechte hätte einräumen müssen.
Für EPA-Präsident Benoît Battistelli kommt das Urteil einem Freibrief gleich. Der Franzose seht seit Jahren im Zentrum massiver interner Konflikte mit der Belegschaft. Drei Suepo-Spitzenvertreter feuerte der 66-Jährige 2016, einen davon in Den Haag. Zuvor hatte die EPA-Führung verhindert, dass der Suizid eines Mitarbeiters der Behörde in den Niederlanden von Gewerkschaftsvertrauten untersucht werden durfte. Die Suepo hatte in dem niederländischen Fall zudem beklagt, dass Mitarbeiter ohne anwaltliche Vertretung durch private Ermittler befragt worden seien.
Als Hausgewerkschaft nicht anerkannt
In der sich seit Jahren hinziehenden Auseinandersetzung vertritt die "Internationale Gewerkschaft im Europäischen Patentamt" zwar mit rund 3400 Personen knapp 50 Prozent der EPA-Belegschaft, die Behörde spricht ihr aber den Status einer Hausgewerkschaft ab. Auf diesem Kurs kann sie laut dem Beschluss des Verfassungsgerichts bleiben. Die niederen Instanzen hatten dagegen befunden, dass das Patentamt damit Grundrechte wie das der Koalitionsfreiheit verletze. Diese schützt die Möglichkeit, Gewerkschaften zu gründen.
Das EPA begrüßte die höchstrichterliche Entscheidung aus Den Haag. Die Immunität sei essenziell für die Unabhängigkeit und die Funktion jeder internationalen Organisation, heißt es aus der Behördenzentrale in München. Der Hohe Rat habe anerkannt, dass die internen Streitschlichtungssysteme beim EPA vereinbar seien mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem darin verankerten Anspruch auf Zugang zum Rechtssystem. Mitarbeiter und Belegschaftsvertreter können sich demnach auch an das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Genf wenden, wo schon Schnellverfahren in der Regel aber gut fünf Jahre lang dauern. Die ILO sieh sich zudem bereits überfahren mit Beschwerden aus dem EPA.
EPA von niederländischer Regierung unterstützt
Das Patentamt hatte in seiner Berufungsklage gegen die Ansage der niederen Instanzen Unterstützung der niederländischen Regierung erhalten. Diese befürchtete offenbar, dass die zahlreichen in Den Haag ansässigen internationalen Einrichtungen ohne zugesicherte Immunität das Weite suchen könnten. Suepo-Anwältin Liesbeth Zegveld hatte im Dezember vor dem Europarat beklagt, dass beim EPA "unter dem Mantel der Immunität" umfangreiche Rechtsverstöße verdeckt würden. Es sei an der Zeit, hier klare Grenzen zu ziehen.
Vor dem Urteil des Hohen Rates ließ Zegveld durchblicken, dass der Suepo nur noch eine Option bliebe, sollte sich das oberste Gericht auf die Seite des Patentamts stellen: "Eine Klage gegen den niederländischen Staat, da Gewerkschaftsrechte auf niederländischem Territorium verletzt werden." Die Regierung in Den Haag unternehme nicht genügend, um die Rechtsbrüche zu verhindern. (anw)