Telearbeit dient vorwiegend zur Verlängerung der Arbeitszeit von Angestellten

Nach einer US-Studie nahm in den USA Telearbeit in den letzten Jahren kaum mehr zu, zudem arbeiten Telearbeiter deutlich länger als nur Büro-Angestellte.

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Von
  • Florian Rötzer

Telearbeit war eines der großen Versprechen, das mit dem boomenden Internet in den ausgehenden 1990ern einherging. Die langen Fahrten von und zur Arbeit würden damit unnötig, man können nicht nur auf Gebäude verzichten, sondern auch Energie, Geld und Zeit sparen, die Arbeit sollte im Heimbüro zudem familien- und frauenfreundlicher und den Bedürfnissen der Einzelnen besser angepasst sein. Angeblich sollen Telearbeiter auch zufriedener sein. Nach einer Untersuchung der Soziologen Jennifer Glass von der University of Texas at Austin und Mary Noonan von der Universitzy of Iowa sieht die Wirklichkeit für die Telearbeiter freilich anders aus. Das wegfallende Pendeln führt danach keineswegs zur Verkürzung der insgesamt für die Arbeit aufgewendeten Zeit, die Telearbeiter arbeiten im Gegenteil teils deutlich mehr als zuvor.

Für ihre Studie, die im Monthly Labor Review, herausgegeben vom US-Arbeitsministerium, erschienen ist, werteten die Soziologen zwei repräsentative Erhebungen aus: eine Jugend-Langzeitstudie und Daten der Statistikbehörde, um zwischen 1995 bzw. 2007 und 2004 Trends in der Telearbeit bei den Angestellten und Arbeitgebern in den USA zu eruieren. 24 Prozent der Angestellten in den USA arbeiten zumindest wöchentlich einige Stunden Zuhause, 17 Prozent in Form der Telearbeit, was seit 2000 etwa gleich geblieben ist, wobei es auch nicht mehr jüngere als ältere gibt. Mitte der 1990er konnten/mussten erst 10 Prozent Telearbeit ausüben. Es könnte deutlich mehr Telearbeit geben, so die Autoren, bislang werde aber die Einführung vor allem aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten behindert, die Arbeitgeber hätten Sorge, die direkte Kontrolle über die Angestellten zu verlieren. Empirische Untersuchungen hätten allerdings gezeigt, dass Telearbeit die Produktivität erhöht und Fehlzeiten reduziert.

Telearbeit, so das Ergebnis, hat sich nur in bescheidenem Ausmaß durchgesetzt und scheint seit Jahren kaum anzuwachsen. Nach den Soziologen scheint sie vorwiegend aus dem Grund eingeführt worden zu sein, um die Arbeitszeit zu verlängern und/oder die Arbeitsintensität zu erhöhen. Nach den Befragungen arbeiten Angestellte, deren Job Telearbeit einschließt, zwischen 5 und 7 Stunden wöchentlich mehr als Angestellte, die nur im Büro arbeiten. Normale 20- bzw. 40-Stunden-Wochen gibt es bei Telearbeitern sehr viel seltener, dafür aber deutlich mehr Überstunden: Die Telearbeitsstunden werden meist dann abgeleistet, so die Autoren, wenn die normalen Arbeitsstunden abgeleistet sind. Das heißt, Telearbeit findet nicht wesentlich als Er-, sondern als Zusatz zur Tätigkeit am Arbeitsplatz im Betrieb statt. Wenig verwunderlich ist, dass Telearbeit die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit aufhebt und nicht nur die normale Arbeitszeit erhöht, sondern es werden auch dann Arbeiten ausgeführt, wenn die Angestellten krank oder im Urlaub sind. Es ist auch keineswegs so, dass Eltern mit kleinen Kindern eher Telearbeit ausführen. Davon "profitieren" eher Angestellte in der Führungsebene, weil ihre Tätigkeiten weniger stark kontrolliert werden, und solche mit einer höheren Ausbildung.

Die zunächst mit der Telearbeit einhergehenden Versprechen wurden bislang also für die meisten Angestellten nicht eingelöst. Ganz im Gegenteil werden die Konflikte zwischen Arbeit und Familie weiter verstärkt, da Telearbeit es den Arbeitgebern nach Ansicht der Soziologen ermöglicht, die Arbeitszeiten auf Kosten der Freizeit auf den Abend und das Wochenende auszudehnen.
(fr)