Telegrafie- und Fernsehpionier: 100. Todestag des Physikers Ferdinand Braun
Ferdinand Braun war einer der bedeutendsten deutschen Physiker. Er bekam den Nobelpreis für seine Verdienste um die Entwicklung der drahtlosen Telegrafie. Zuvor erfand er die Braunsche Röhre, die Voraussetzung für das Fernsehen. Er starb vor 100 Jahren.
Der Physiker und Nobelpreisträger Karl Ferdinand Braun (1850 bis 1918) hat viele Spuren hinterlassen. Nicht nur in seiner osthessischen Heimatstadt Fulda, wo sein Geburtshaus heute noch steht. Braun ging in die Weltgeschichte ein als wegweisender Wissenschaftler. Der Technik-Tüftler erfand die nach ihm benannte Braunsche Röhre, die früher in jedem TV-Gerät steckte. Somit war er ein Wegbereiter des Fernsehens. Erst mit den Flachbildschirmen verabschiedete man sich von der über 100 Jahre alten Technik.
Vorreiter der Funktechnik
1909 bekam Braun zusammen mit dem Italiener Guglielmo Marconi den Nobelpreis für Physik – als Erfinder der drahtlosen Telegrafie und Pionier der Nachrichtentechnik. Er erfand einen neuartigen Sender mit geschlossenem Schwingkreis und strahlte damit als einer der ersten elektrische Wellen drahtlos in eine bestimmte Richtung. In der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte der Physiker zu den Vorreitern auf dem Gebiet der Funktechnik.
1897 stellt er seine Braunsche Röhre vor. Darin wird ein Elektronenstrahl erzeugt, der durch elektrische oder magnetische Felder abgelenkt werden kann. Trifft der Strahl auf eine innen an der Röhre angebrachte Leuchtstoff-Schicht, entsteht ein sichtbares Bild. Das Prinzip wird auch in Oszillografen genutzt.
"Braun war einer der bedeutendsten Söhne der Stadt und der einzige Nobelpreisträger aus Fulda", sagt Thomas Heiler, Leiter des Stadtarchivs. Dort werden Fundstücke zu Brauns Leben aufbewahrt. Historiker Heiler zeigt eine alte, vergilbte Karte mit einer Aufenthaltserlaubnis für Brauns USA-Visite kurz vor seinem Tod. "Er war in die Staaten gereist, um einen Streit um Patentrechte auszufechten", erklärt Heiler. Das war 1916.
Zu wenig Theorie
Die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie Telefunken, deren Mitbegründer er war, nennt ihn in der Traueranzeige einen "Pionier der Wissenschaft und einen bahnbrechenden deutschen Erfinder". Doch Braun hatte ein Manko. Wegen der mangelnden theoretischen Unterfütterung seiner Forschungen habe er mit den Großen seiner Zeit wie Max Planck oder Albert Einstein nicht mithalten können, sagt der Leiter des Archivs des Deutschen Museums in München, Wilhelm Füßl. In seiner Schaffensphase habe Braun lediglich 150 Veröffentlichungen mit 2456 Seiten herausgegeben. "Für eine 40-jährige wissenschaftliche Tätigkeit ein nicht gerade überragendes Ergebnis", befindet Füßl.
Nach einer typischen Professorenkarriere entwickelte sich Braun "kontinuierlich zu einem außerordentlich eleganten und geschickten Experimentator", wie ihm sein Schüler Jonathan Zenneck später attestierte. Er habe die technischen Neuerungen seiner Zeit aufmerksam beobachtet. Seine Veröffentlichungen waren allerdings von "dezenter Kürze", wie Füßl sagt. Er präsentierte "auf zwei, drei Seiten die Ergebnisse einer experimentell durchgeführten Studie ohne viel Theorie". Braun war sich dieses Defizits bewusst. "Beim theoretischen Zurechtlegen einer Sache steckt bei mir der Haken", soll er laut Füßl einmal gesagt haben. Braun war eben "nicht der große Theoretiker und Rechner", sagt Füßl.
Als Oberlehrer der Thomas-Schule in Leipzig war ihm 1874 seine erste bedeutende wissenschaftliche Leistung gelungen: Die Entdeckung des Gleichrichter-Effekts bei Halbleitern. Der Fuldaer Heimatforscher Michael Mott schreibt, Braun sei für die Lehrtätigkeit prädestiniert gewesen. Er habe komplexe Zusammenhänge gut erklären können. Er schlug eine Universitätskarriere ein und lehrte als Physik-Professor in Marburg, Straßburg, Karlsruhe und Tübingen. (mho)