USA: Satelliten-TV verliert Millionen Zuschauer
Satelliten- und Kabelbetreiber verlieren in den USA laufend Kunden, und das schneller denn je. TV-Streaming-Abos fangen das inzwischen nicht mehr auf.
Immer mehr US-Haushalte sehen ein, dass sie kein Bezahlfernsehen brauchen. In den jüngsten Quartalen hat sich der seit Beginn des Jahrzehnts laufende Trend deutlich beschleunigt. Noch härter als die Kabelnetze trifft das die Satellitenfernsehbranche. AT&Ts Satellitendienst DirecTV hat alleine im dritten Quartal 2019 mehr als 1,1 Millionen Kunden verloren, mehr als fünf Prozent des Kundenstocks. Ein Teil ist wohl zu Mitbewerber Dish Network gewechselt, doch auch dort sinken die Abonnentenzahlen weiter.
Zusammengenommen hatten die beiden Satelliten-TV-Anbieter zum Quartalsende zwölf Prozent weniger Kunden als zwölf Monate zuvor. Und die Talfahrt beschleunigt sich, wie der aktuelle Cord-Cutting Monitor der Branchenforscher MoffetNathanson zeigt. (Cord Cutting meint den Verzicht eines Haushalts auf Bezahlfernsehen.) Lag der Abonnentenschwund im ersten Quartal 2018 noch bei gut 400.000 Haushalten, waren es im dritten Quartal 2019 schon fast 1,2 Millionen.
Kabler geben weniger Rabatte
Bei den US-Kabelbetreibern ist es nicht ganz so dramatisch. Sie haben im dritten Quartal 2,8 Prozent ihrer AnschlĂĽsse stilllegen mĂĽssen. Eine so hohe Abwanderungsrate hatte es zuletzt vor mehr als fĂĽnf Jahren gegeben. Vor drei Jahren hatten sie die Kundenverluste fast gestoppt, doch seither geht es zunehmend schneller bergab. Laut den Marktforschern versuchen die Kabelnetze immer seltener, unzufriedene Kunden mit Rabatten bei der Stange zu halten.
Die Daten sehen sogar noch schöner aus als sie sind, wie MoffetNathanson betont: Die Menge der Haushalte in den USA wächst von Jahr zu Jahr, aktuell sind es etwa 128 Millionen. Schon gleichbleibende Kundenzahlen würden einen Trend zu TV-freien Haushalten bedeuten. Gebührenfreies terrestrisches Fernsehen ist in den USA auf vergleichsweise wenige Sender beschränkt und wird kaum genutzt.
TV-Streaming ist nicht die Lösung
Voriges Jahr sah es noch so aus als könnten Online-Streaming-Abos das Stundenplan-orientierte Fernsehen retten. Angebote wie Sling TV, YouTube TV, Hulu Live, Vue von Sony und DirecTV Now von AT&T streamen lineare TV-Programme online. Doch das dürfte nur ein Strohfeuer gewesen sein: Im 3. Quartal 2019 konnten solche Abo-Betreiber nicht einmal die Hälfte dessen zulegen, was die Satelliten- und Kabelbetreiber an Kunden verloren haben.
DirecTV Now hat deutlich rückläufige Abonnentenzahlen und in einem Jahr jeden Dritten Kunden verloren, Vue sperrt übernächsten Monat überhaupt zu. MoffetNathanson führt die Misere der "virtuellen Kabelnetze" auf deren saftige Preiserhöhungen zurück. Vue beispielsweise hat den Einstiegstarif gegenüber Ende 2016 verdoppelt. Das DirecTV-Now-Abo eines Mitarbeiters MoffetNathansons hat sich sogar von 35 auf 85 US-Dollar verteuert. Nur Sling TV hat nach wie vor ein Paket um 25 Dollar im Angebot – und Sling TV wächst auch weiter.
Zwar bieten auch diverse Festnetzbetreiber IP-TV-Abos an, doch sie verlieren ebenfalls laufend Abonnenten. Rechnet man den Kundenschwund von Sat, Kabel und IP-TV mit den Zuwächsen der virtuellen Kabelnetze gegen, ergibt sich ein Verlust von 3,3 Millionen zahlenden Haushalten in nur einem Jahr. Und auch da zeigt sich eine Beschleunigung: Der Rückgang von -0,3 Millionen Haushalten im Schlussquartal 2018 hat sich drei Quartale später auf -1,2 Millionen vervierfacht.
YouTube und Netflix legen zu
Gewinner sind die immer zahlreicheren Abrufdienste wie Netflix, Disney+, AppleTV+ und Amazon Prime, sowie werbefinanzierte Plattformen wie YouTube und Dailymotion. Sie reüssieren insbesondere in städtischen Gebieten, wo Verbraucher häufiger Zugang zu preiswerten Breitband-Internetzugängen haben. In ländlichen Regionen hingegen finden Satelliten-Dienste noch am ehesten treue Kunden.
Die Abmeldungen vom Bezahlfernsehen beruhen zum Teil auf den laufenden Preiserhöhungen. Zugleich führen die Abmeldungen zu weiteren Preiserhöhungen, weil die Kosten auf weniger Abonnenten aufgeteilt werden müssen. Gerade die Rechte für Sportübertragungen sind teuer.
Live-Sport bleibt begehrt
Und hier sehen MoffetNathanson eine Spaltung der Branche, nämlich zwischen Live-Übertragungen, allen voran Sport und Nachrichten, auf der einen, und aufgezeichneten Inhalten, insbesondere Fernsehserien, diverse Shows sowie Filme, auf der anderen Seite. Denn nicht jeder Haushalt sei an beidem interessiert. Disney habe das erkannt und verfolge mit ESPN für Live-Sport und Disney+ für aufgezeichnete Unterhaltung völlig unterschiedliche Strategien. Disney+ kommt am 31. März 2020 nach Deutschland.
Die Bezahlfernsehbranche muss nun darauf hoffen, wenigstens die Haushalte mit Sportfans bei der Stange halten zu können. Wieviel diese zu zahlen bereit sind, wird sich zeigen. Bislang wachsen die Einschaltquoten für Sportübertragungen zwar langsam aber stetig. (ds)