Urteil zu Screen Scraping: BGH legt schriftliche Urteilsbegründung vor

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 30. April 2014 entschieden, dass das sogenannte Screen Scraping (das maschinengesteuerte Auslesen von Webseiten) nicht per se gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.

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Von
  • Tobias Haar

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte eine Klage gegen Screen Scraping im April in zentralen Fragen abgewiesen. Nun liegt auch die schriftliche Urteilsbegründung vor. Gegen das maschinengesteuerte Auslesen seiner Webseiten (Screen Scraping) geklagt hatte RYANAIR. Der Anbieter verkauft preisgünstige Linienflüge ausschließlich über seine Webseite und ein Callcenter. Beklagt war das niederländische Unternehmen Beins Travel Group, eine Tochter von Travix. Sie betreibt Internetportale wie CheapTickets.de in Deutschland zum Vermitteln von Flugreisen, über das Kunden Flüge verschiedener Fluggesellschaften online buchen können.

Das sind Daten, die andere Anbieter automatisch auslesen können, um die Angebote weiterzuvermitteln.

(Bild: Ryan Air)

Nach Eingabe von Flugziel und Reisezeiten ermittelt die Site mögliche Angebote durch einen automatisierten Abruf auf den Webseiten der Fluggesellschaften. Für ihre Dienstleistungen verlangt sie als Aufschlag zum Flugpreis eine Gebühr.

Der BGH hat die Klage mit dem Urteil (Az. I ZR 224/12) höchstrichterlich abgewiesen. Bereits die Vorinstanzen hatten einen Unterlassungsanspruch gestützt auf die Verletzung von Rechten des Datenbankherstellers verneint.

RYANAIR unterhält eine grundsätzlich zwar urheberrechtlich geschützte Datenbank, in der Preise und Fluginformationen hinterlegt sind. Ein Gesetzesverstoß kommt aber nur in Betracht, wenn in dieses Datenbankrecht in einem wesentlichen Umfang eingegriffen wird. Zwar greift die Beklagte systematisch und wiederholt Daten dieser Datenbank ab, sie sind aber im jeweiligen Einzelfall nicht wesentlich. Eine Rechtsverletzung scheidet daher aus diesem Rechtsgrund aus.

Die Berufung stützte sich damit „nur“ noch auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche, die der BGH unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet hat und letztlich insgesamt verneint. Das Ergebnis begründet er mit einer „Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit“.

Zunächst stellen die Richter fest, dass „das Angebot der Beklagten … nicht auf die Störung der wettbewerblichen Entfaltung der Klägerin ab(zielt), sondern baut gerade auf deren Angebot und die Funktionsfähigkeit des Buchungsportals der Klägerin im Internet auf“.

Entscheidend im konkreten Fall ist, dass die Beklagte der RYANAIR bei ihren automatisierten Preisabfragen Namen, Anschrift und E-Mail-Adresse der jeweiligen potentiellen Kunden übermittelt. „Damit verfügt die Klägerin über ausreichende Möglichkeiten, mit den Kunden zu kommunizieren“, so die Richter. Dass sie dabei jedoch nicht auch die Kreditkartendaten der Kunden sondern nur die des Webseitenanbieters erhält, sehen die Richter als unschädlich an. „Bei der Angabe von Kreditkartendaten im Rahmen eines Buchungsvorgangs geht es um die Sicherstellung der Entrichtung des Kaufpreises, die beim Erwerb von Flugreisen nicht vom Schuldner persönlich vorgenommen werden muss.“

Die Richter werten es als entscheidend, dass „die Klägerin ihr Buchungsportal nicht durch technische Maßnahmen gegen eine automatisierte Abfrage gesichert, sondern der Allgemeinheit öffentlich zugänglich gemacht hat“. Weiter heißt es: „In einem solchen Fall muss sie es im Interesse der Funktionsfähigkeit des Internets hinnehmen, dass Kunden die Möglichkeit von im Internet üblichen Suchdiensten nutzen und nicht selbst unmittelbar die Webseite der Klägerin aufsuchen.“

RYANAIR kann auch nicht geltend machen, dass sich durch die Vermittlung von Flugreisen durch die Beklagte für den Kunden die Preise durch Vermittlungsprovisionen erhöhen. Denn „dabei wird außer Acht gelassen, dass die Beklagte durch das Sammeln und Aufbereiten der auf die Buchungsanfrage eines Kunden passenden Flugdaten eine eigene Leistung erbringt, die auch … den Interessen des Kunden entspricht“. (rh)