Von Linux zurück zu Microsoft: Schwarz-Rot in München will LiMux rauswerfen

Die Koalition in München hat einen Antrag eingebracht, wonach die Verwaltung unverzüglich ein Konzept erstellen soll, um bis Ende 2020 einen neuen Windows-Basis-Client zu entwickeln und "marktübliche Standardprodukte" einzusetzen.

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Linux-Betriebssystem für Kommunen

(Bild: dpa, Peter Kneffel)

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Der Ausstieg aus Linux in München soll konsequenter vollzogen werden, als sich bisher abzeichnete. Die regierenden Stadtratsfraktionen von CSU und SPD haben am Mittwoch über den federführenden Verwaltungs- und Personalausschuss einen Antrag gestellt, mit denen ihre Eckpfeiler zur Neuorganisation der kommunale Informations- und Kommunikationstechnik umgesetzt werden sollen. Daraus wird deutlich, dass das Open-Source-System LiMux nur noch für eine Zwischenphase als Nischenprodukt genutzt werden dürfte.

Hatte es vorige Woche noch recht allgemein geheißen, dass bis spätestens zum Jahr 2020 ein einheitlicher städtischer Standard" für "intern und extern kompatible, moderne Bürosoftwareanwendungen" zu erarbeiten sei, drückt sich die Koalition in dem neuen Papier deutlicher aus. Demnach soll zunächst ein neuer "Windows-Basis-Client" entwickelt und bis Ende 2020 eine "stadtweit einheitliche Client-Architektur" geschaffen werden. Bei Standardfunktionalitäten wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationsprogramm, PDF-Reader, E-Mail-Client und Internetbrowser sei dabei auf "marktübliche Standardprodukte" zu setzen.

LiMux - Linux in der Stadtverwaltung München

Als erste deutsche Großstadt stellte München die rund 15.000 städtischen Computer von Windows auf Linux um. Das Vorzeigeprojekt für Linux und Open Source in der Stadtverwaltung war lange umstritten, besonders Microsoft machte intensive Lobby-Arbeit dagegen. Auch nach der Einführung geriet LiMux immer wieder unter Beschuss.

Wichtig ist dabei laut dem Papier, dass die Anwendungen auf dem Desktop "höchst möglich" mit anderen Software-Produkten wie SAP zusammenspielen müssen. Das hört sich nicht danach an, dass weiter LibreOffice für Büroanwendungen verwendet werden soll. Dem auf Ubuntu und dem KDE-Desktop basierenden LiMux-Client will Schwarz-Rot zudem nur noch eine Gnadenfrist einräumen: In der Übergangszeit bis 2021 soll es den städtischen Referaten und Eigenbetrieben freigestellt bleiben, "unter Berücksichtigung der individuellen technischen Gegebenheiten den neu entwickelten Windows-Basis-Client mit den vorgenannten Standardprodukten einzusetzen" oder weiterhin eine gemischte Architektur mit Windows und LiMux zu betreiben.

"Strategisches Ziel" ist es dem Antrag nach zwar, "dass die städtischen Anwendungen unabhängig vom Betriebssystem des Endgerätes funktionieren". Die Wende zurück zu Windows und anderen Microsoft-Produkten scheint mit der neuen Linie aber vorgezeichnet, das Aus für LiMux nur noch eine Frage der Zeit innerhalb der nächsten drei Jahre.

Damit wäre ein langjähriges Prestigeprojekt für Linux und freie Software in der Verwaltung endgültig beendet. 2003 hatte sich der Stadtrat mit einem weltweit beachteten Beschluss mit den Stimmen der damaligen Koalitionsmehrheit von SPD und Grünen sowie mehrerer kleiner Fraktion nach einem heftigen Lobbystreit für die Open-Source-Migration entschieden. Die Münchner wollten damit ein Zeichen setzen für größere Herstellerunabhängigkeit bei ihrer IT-Infrastruktur sowie mehr Wettbewerb im Software-Markt. Derzeit laufen rund 15.000 Rechner in der Verwaltung unter LiMux und zugehöriger freier Software, knapp 5000 werden mit Windows und Microsoft Office betrieben.

Seit 2014 hat der Pinguin mit dem Machtwechsel in der Ratshausspitze aber keine Freunde mehr, auch der Frust vieler Mitarbeiter rund um die IT generell fokussierte sich immer wieder auf die Open-Source-Applikationen. Das Beratungshaus Accenture empfahl im Herbst in einem Gutachten zur IT-Leistungsfähigkeit, auf Raten aus LiMux auszusteigen und in die Microsoft-Welt zurückzukehren.

Die Experten wollten es größeren Verwaltungseinheit aber zunächst selbst über einen längeren Zeitraum hinweg überlassen, ob sie Windows und Co. oder Open-Source-Produkte verwenden möchten. Erst später sollten die Volksvertreter prüfen, "ob der Einsatz von Linux als Client-Betriebssystem weiterhin wirtschaftlich sinnvoll ist". Von einer derartigen Prüfung ist nun aber keine Rede mehr, die drohenden hohen Kosten von voraussichtlich mehreren Millionen Euro für eine Rückmigration spricht Schwarz-Rot mit keinem Wort an.

Der Stadtrat soll im Plenum Berichten zufolge schon kommende Woche über den Antrag entscheiden. Oppositionskräfte wie die Grünen oder die Piraten sind zwar strikt gegen eine "Rolle rückwärts zum Quasi-Monopolisten Microsoft", da damit die IT-Strukturen erst richtig lahm gelegt und Ressourcen verschwendet würden. Bei der Koalitionsmehrheit dürften sie mit ihren Einwänden aber auf taube Ohren stoßen und den Beschluss nicht mehr verhindern können. (axk)