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Was war. Was wird. Von Liebessommern und trickreichen Retouchen

Diese Woche ging es wieder mal um Nachrichten, gefälschte und echte – aber wer kennt da schon noch den Unterschied. Und Hal Faber fragt sich nicht zum ersten Mal, warum das Internet immer noch Dinge lösen muss, die längst gelöst wurden.

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Was war. Was wird. Von Liebessommern und trickreichen Retouchen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Das war vor 50 Jahren und wer es heute hört, kann sich auf den Prophetic Explorer verlassen: "We'll all be Magick Supermen" -- Niemand muss einsam und allein bleiben, wir alle sind Supermenschen und ja, "A splendid time is guaranteed for all". So kann man das lesen, was uns die Endrille, der final groove da mitteilt. Oder auch nicht: Andere hören, wie Paul McCartney "I'll fuck you like superman" singt, aber nee, das ist so very unbritisch, dass ich es nicht glauben kann. Außerdem ist rosafarbenes Kryptonit selten geworden, mit dem Superman eines der vier Geschlechter annehmen kann, die Menschen haben können. Vielleicht kann man es als eine Hommage an Karlheinz Stockhausen interpretieren, der auf dem wunderbaren Cover abgebildet ist. Der allerorts gefeierte Summer of Love begann in London, nicht in Berlin, wo Lügen und Manipulationen den Tod von Benno Ohnesorg während der "Zauberflöte" begleiteten.

*** Ja, heute geht es um das große Glauben und Wissen, um echte und um gefälschte Nachrichten, gewissermaßen um das silberschwarze Kryptonit in uns. Es geht um geheim umgebaute Botschaften und ganz geheime Antworten, ohne einen Kirchentag, der die AfD auf Twitter gekonnt "journalistisch einordnet". Wer ohne orangenen Lutherschal vor den Augen auf diese Veranstaltung blickt, sieht klar und deutlich, was sie ist: der perfekte Wahlkampfauftakt für Pfarrerstochter Angela Merkel.

*** So greifen wir denn zu einem anderen topmodischen Shawl, gestrickt in Kanada vom Citizen Lab. Kurzfassung für die Tl,dr'olle: Über abgephishte Mail-Konten sollen sich russische Quellen mit ausländischem Dateimaterial versorgen und dieses Material gezielt verpesten, um es alsdann in irgendwelchen Leaks weiterzugeben. Manchmal sind es nur unscheinbare Änderungen, manchmal Fälschungen im großen Stil. Was im Forum prompt die üblichen Verteidiger Russlands auf den Plan rief, verdient doch einen Nachschlag, denn diese Form der Pest-Propaganda hat Auswirkungen.

*** So kann es zur Zeit nicht ausgeschlossen werden, dass zu den verpesteten Leaks ein dubioses Dokument gehört, das ganz entscheidend die Handlungen des geschassten FBI-Direktors James Comey bestimmte. Indiz: die Erwähnung einer gewissen Amanda Renteria, deren Existenz vom FBI unzureichend recherchiert wurde. Das Dokument erweckt geschickt den Eindruck, als habe es Absprachen zwischen der Politikerin und der Generalstaatsanwältin Loretta Lynch geben, bezieht sich aber auf eine Amanda Renteria, die Jahre zuvor für die Demokraten gearbeitet hat.

*** Natürlich beherrschen auch andere Dienste die Tricks mit gefälschten Dokumenten, etwa CIA, FBI und NSA. Oder nehmen wir stilgerecht zum Andenken an Benno Ohnesorg die Hauptverwaltung A des MfS, die liebevoll eine Berliner Demonstrantenkartei der APO fälschte und sie der politischen Polizei Westberlins unterjubelte. Bis zur Aufklärung dieser Geschichte vom lieben Schwiegersohn bleibt ebenfalls der Fälschungs-Verdacht im Raum, denn die Bitte um Erlaubnis, "russische Telefone" benutzen zu dürfen, ist zu skurril, um wahr zu sein. Technisch wie juristisch wäre es Spionage für eine andere Macht. Aber die besten und unglaubwürdigsten Plots schreibt bekanntlich das Leben, nicht die heute-Show oder Böhmermann.

*** Achja, das Schreiben: aus ist es mit der Freude, eine Kolumne von John Markoff zu lesen, in der sich der IT-Journalist nicht nur mit der Hackerjagd und seinen Lieblings-Gadgets, sondern mit dem Stand der Industrie beschäftigt. Die Worte zu seinem Abschied sind eigentlich schlicht: Technik kann unsichtbar werden (wie die Kopfhörer, die US-Präsident Trump bei der Afrika-Diskussion der G7-Staatschefs getragen haben soll). Aber Technik darf uns nicht entmündigen. Und mehr noch: "Wenn wir wirklich unsere Wohnungen, unsere Autos, unsere Gesundheit und anderes privaten IT-Firmen überlassen, in einem Maße, wie wir uns das niemals vorstellten, brauchen wir viel, viel stärkere Standards für die IT-Sicherheit und den Schutz der Privatsphäre, als sie heute existieren. Besonders in den USA ist es an der Zeit, In Sachen Sicherheit und Privatsphäre nicht länger herumzutänzeln, sondern echte, bindende Gesetz zu verabschieden." What the Doormouse said... Wer wie John Markoff im Summer of Love und in der kalifornischen Gegenkultur die Anfänge der PC-Geschichte sieht, wird nicht vergessen, dass inmitten der Gegenkultur die gegen den Vietnamkrieg protestierenden Hippies wie Whitfield Diffie es waren, die sich mit digitalen Signaturen und Verschlüsselungsproblemen beschäftigten und Lösungen fanden -- die bis heute zumindest funktionieren.

*** Nun ist der Summer of Love lange her und die Zeiten haben sich geändert. Zwar scheißt man heute auch auf Regeln, nur anders. Während bei uns der Sommer die Menschen an die Baggerseen treibt, werden die Mauern des Schweigens diskutiert, die der langweilige Dienstleister Arvato im Auftrag von Facebook hochgezogen hat. Sinnigerweise gibt man sich bei der Löscharbeit genauso intransparent wie der Vordenker des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, der sich der Diskussion entzieht. Immerhin ist Heiko Maas kein Poser wie Mark Zuckerberg, dem man laut Süddeutsche das Vertrauen entziehen sollte, weil "Häme, Hass und Empörung" das Geschäftsmodell von Facebook sein sollen. Wenn Google das Weltwissen ist, Amazon der Welthandel und Apple die Weltkultur, dann ist das Vertrauen, das wir als "persönliches Kapital" dem Hass-Giganten entziehen sollen, längst über die Wupper oder wie der nächste Fluss Ihres Vertrauens heißt. Und Gottes Liebe und Gnade ist in den Maschinen.

Was wird.

Das schöne Leipzig (Leibsch) ist nicht nur die Stadt, wo sich um Weihnachten herum die Hacker beim Congress treffen, es ist auch einer der wichtigsten Endpunkte der neuen chinesischen Seidenstraße, auf der die Züge zwischen den BMW-Werken hibbdebach und dribbdebach rollen. Gefeiert wird das auf dem ITF-Gipfel der UNESCO mit den Verkehrsministern von China, Großbayern, Kasachstan, der Mongolei und Russland, ein hübsches Gegenstück zum Rummel um Trump. Bekanntlich findet dieser ja deutsche Autos böse, böse und das Projekt der Seidenstraße ist auch nicht nach seinem Geschmack. Darin ist sich Trump mit den Ölprinzen des Hauses Saud einig. Mit dabei Freyung, ein Ort wie aus dem tiefsten China klingend. Liegt aber im Bayerischen Wald und wird vom Verkehrsminister Alexander Dobrindt zur Excellenzstadt für Mobilität 4.0 geweiht. Natürlich nicht ohne ein zünftiges Berliner Startup. Jetzt stelle man sich so eine Idee vor: Jeder Autofahrer klebt sich einen roten Punkt an die Scheibe und nimmt jeden mit, der da winkt. Ganz ohne App und fette Cloud-Anbindung aller Optimierungen der Fahrtwege. Igittegitt, das ist ja so hannöversch und viel zu make-erisch gedacht, das geht ja gar nicht. Da könnte ja jeder mitmachen. Und wo bleibt da unser Internetz? Lasst uns auf die Reise gehen, wo man den Sommer ohne Whisky erträgt. (mho)