Was war. Was wird. Von Revolutionen in Zeiten stabiler Mentalitäten

Optimismus! Visionen! Träume! Von wegen. Nicht einmal die Sicherheitsalb-Träume werden so wahr, wie Experten erwarteten. Dafür geben manche Leute mit einer "Konservativen Revolution" der Zukunft eine fürchterlich hässliche Fratze, beklagt Hal Faber.

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Was war. Was wird. Von Revolutionen in Zeiten stabiler Mentalitäten

Schöne Träume? Ach, nicht mal die Alb-Träume sind noch das, was sie einmal waren.

(Bild: Frau Mahlzahn)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** "Das Land des Überflusses ist in Nebel gehüllt. Just in dem Moment, in dem wir uns der historischen Aufgabe hätten stellen sollen, diese reiche, sichere und gesunde Welt mit Sinn zu erfüllen, beerdigen wir stattdessen die Utopie. Und wir haben keinen neuen Traum, durch den wir sie ersetzen können, weil wir uns keine bessere Welt als die vorstellen können, in der wir heute leben. Tatsächlich glauben die meisten Menschen in den reichen Ländern, dass es ihren Kindern schlechter gehen wird als ihnen." (Rutger Bregman)

Morgens um 1985 war die Welt noch in Ordnung.

*** Numerare necesse est. Doch da sind diese beknackten Chips, die irgendwelche "Chip-Designer" trés chic so aufgebohrt haben, dass sie spekulativ Befehle ausführen können, die ihnen gar nicht erteilt wurden. Diese allerklammheimlichste Vorratsdatenberechnung erschüttert jetzt die ganze Branche, die eigentlich den Security-Supergau von irgendeinem dieser idIoTischen Dinge im IoT erwartete. Doch Spectre zeigt, dass die fiese Spinne viel näher dran ist und ESB nicht Exception Secutity Buffer heißt, sondern Ernst Stavro Blofeld und den Griff nach der Weltherrschaft meint. Und so fallen dick in Nebel gehüllt all die sicheren Cloud-Lösungen zusammen und purzeln in den Spectre-Vulkan, während es Trolleys und Hämmer regnet. Der eigentliche Supergau kommt übrigens noch, wenn nach all den aufgebauschten Horror-Stories irgendwelche Patches für Meltdown und Spectre angeboten und gedankenlos installiert werden. Die dann die Daten hastunichtgesehen verschlüsseln und nur mit einer kostenpflichtigen Passphrae wieder freigeben. Darauf könnte ich glatt meine 0,005 Bitcoins verwetten, die für solchen Fälle als Notgroschen im Wallet auf dem PC liegen. Moment, Moment, wie war das?

*** Alexander Dobrindt trägt Prada und ist in der abgelaufenen Regierungsperiode der Minister für die digitale Infrastruktur gewesen. Beides scheint ihn als Vordenker der NKR zu qualifizieren, der "Neuen Konservativen Revolution". Wo die alte konservative Revolution um Arthur Moeller van den Bruck "Das dritte Reich" verherrlichte und das Grundübel politischer Parteien exorzieren wollte, ist die NKR ein echtes Parteiprodukt und zunächst einmal nur ein verstecktes Angebot der CSU, eine Art "Landing Page" für den anderen Alexander, den Gauland mit seinen AfD-Anhängern. Ihnen bietet die neue konservative Revolution Zuflucht, falls in der AfD unter den Höckes und Maiers die Halbnazis die Oberhand gewinnen. Was im übrigen keine Beleidigung ist, wenn selbst ein "Nazi" eine umgangssprachliche Umschreibung im deutschen Idiom ist, wie die Bundesregierung mitteilte.

*** Die Eckpunkte der neuen konservativen Revolution wurden vom Diplom-Soziologen Alexander Dobrindt (mit einer Abschlussarbeit über streitbare Demokratie) geschichtsbewusst in der Welt veröffentlicht, die einst von Hans Zehrer geleitet wurde, dem nimmermüden Propagandisten einer deutschen Volksgemeinschaft, tief verankert im Herzen jedes Deutschen. Glückstrunken feiert das ach so unterdrückte Blatt das Gepoltere gegen eine "linke Meinungsführerschaft" als Leistung eines Meisterdenkers und erklärt Dobrindt zum Fritz Teufel unserer Zeit. Womit zumindest ein Satz bewiesen ist: Der Teufel trägt immer Prada. Der Teufel wohlgemerkt, nicht der Trottel.

*** Dabei will Dobrindt weder wie Fritz Teufel provozieren noch wirklich darüber nachdenken, was seit 1968 so alles passiert ist. Bei ihm lebt das Gespenst der "68er" noch, die unlängst in ihren Rollatoren zur Ringvorlesung in die FU Berlin tippelten. Diese fiesen Revolutionäre waren genauso schlimm wie Blofelds Spectre und täuschten alle: "Sie kamen aus den Hörsälen und Redaktionsräumen, aber nicht aus den Reihenhäusern und Fabriken." Wie gemein, wie hinterlistig. Aber damit ist nun Schluss, RUMMS, SCHEPPER, KLIRR macht es gewaltig in den Reihenhäusern. "Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger", prophezeiht Revolutionsführer Dobrindt und ruft zum Umsturz des Regimes vom "Prenzlauer Berg" auf. Das ist dort, wo die meisten Bundestags-Mitarbeiter der CSU-Fraktion wohnen.

*** Da darf man schon erwähnen, dass das "linke Projekt" bereits 1983 von Helmut Kohl gestoppt wurde, der 16 Jahre lang die "geistig-moralische Wende" betrieb und alle Utopien beerdigte. Und der, das zumindest sollte der Experte für digitale Infrastruktur wissen, das Projekt des bundesweiten Glasfaserausbaus von Helmut Schmidt stoppte. Wäre es weitergelaufen, hätten wir seit 2015 (auch in den "Fünf Neuen Ländern") das weltweit beste Netz wo gibt. Aber nein, das Netz war bekanntlich wie die Autobahnen unter Kohl eine Sache der Bundesländer und so müssen wir damit leben, dass dieses "Schaltgespräch" mit Marietta Slomka da draußen in den Reihenhäusern ruckelt und zuckelt, gewissermaßen verhackstückt wird.

Am kommenden Montag vor 100 Jahren legte der US-Präsident Woodrow Wilson ein Programm zur Beendigung des Ersten Weltkriegs vor. Mit 14 höchst unterschiedlichen Forderungen versuchten die USA damals, Deutschland von einem Friedensvertrag mit den russischen Revolutionären abzubringen. Wilson bekam eine Absage von Großbritannien und Frankreich, denen das Selbstbestimmungsrecht ihrer Kolonial-Völker ganz unrecht war. Er erlitt mit seinen Vorschlägen eine deftige Niederlage in Kongress und Senat, die dazu führte, dass die USA dem Völkerbund fernblieben, bekam aber als zweiter Präsident der USA einen Friedensnobelpreis. Ob mit seinen 14 Punkte ein anderes, friedlicheres Europa entstanden wäre, ist ein müßiges Spiel mit der Fahrradkette. Die Geschichte verlief nun einmal anders. Wilsons historisches Erbe geht auf seine schwere Krankheit am Ende seiner zweiten Amtszeit zurück, in der er kaum noch regieren konnte. So kam der 25. Zusatzartikel zur US-Verfassung zustande, der im Fall des amtierenden Präsidenten Donald Trump eine Rolle spielen könnte.

Das größte stabile Genie aller Zeiten (Gröstag) wird gerade in einem Buch demontiert, das Verkaufsrekorde erzielt. Besorgt fragen Leser nach der Lektüre, wie es um die mentale Stabilität von Trump bestellt ist. Stimmen nur die Hälfte der aus dem Buch vorab bekannt gewordenen Details, ist die Frage nach dem geistigen Zustand berechtigt, weitab vom eher unwichtigen Detail, dass Trump gar nicht Präsident werden wollte. Gut möglich, dass der Autor wegen dem Verrat von einem Staatsgeheimnis verhaftet wird.

Der 34. Congress des Chaos Computer Clubs ist Geschichte. Man kann sich die Videoaufzeichnung der Vorträge von den Wissenschaftlern und Künstlern ansehen, die sich alle irgendwie als "Hacker" fühlen, obwohl sie Lehrstuhlinhaber oder etablierte Autoren sind. Hacken ist eben eine Geisteshaltung – und die soll so weiß und männlich dominiert sein, dass Frauen Angst haben auf den Congress zu gehen. Nun kann man sich abseits der Videos kaum ein Bild davon machen, wie friedlich und entspannt der 34C3 wirklich war. Also her mit den Gerüchten und Legenden, die machen sich immer besser als die Wahrheit. Nun steht im IT-Betrieb bekanntlich die Consumer Electronics Show in Las Vegas an, immerhin die Messe mit den meisten "Booth Babes" auf der Welt. Historisch geht dies auf einen Dick Pick zurück, der auf der längst verschwundenen Comdex echte Stripperinnen anmietete, die für das Pick-Betriebssystem warben. Mehrere Versuche scheiterten, die Außendarstellung von Firmen auf der CES mit einer Policy zu beschneiden. Für dieses Jahr war ein "Code of Conduct" im Gespräch, doch scheint dies nicht zielführend gewesen zu sein. Dazu passt, dass Frauen keine Keynote geben. (jk)