Wikileaks: Angeblich Beleg für Gründung von Erdoğans "Troll-Armee"

Angesichts der Gezi-Proteste hat die türkische Führung bemerkt, dass Kritiker gekonnt soziale Medien nutzen, um sich zu organisieren. Daraufhin wurde eine "Troll-Armee" gegründet, um das zu kontern. Das beweist nun angeblich eine geleakte E-Mail.

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In geleakten E-Mails aus dem Postfach des türkischen Energieministers und Schwiegersohn des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, Berat Albayrak findet sich angeblich auch ein Beleg für die Gründung einer gemeinen Troll-Truppe, mit der Erdoğan soziale Medien unter seine Kontrolle bringen wollte. Das fünfzehnseitige Dokument stammt aus einer Wikileaks-Veröffentlichung von fast 60.000 E-Mails, schreibt Die Welt. Es bestätigt demnach ältere Berichte über eine 6000 Personen starke "Troll-Armee", die angeblich im Internet nach russischem Vorbild gegen Kritik an Erdoğan vorgeht.

Dem Artikel zufolge wurde die nun bekannt gewordene E-Mail im Frühsommer 2013 und wenige Wochen nach Beginn der sogenannten Gezi-Proteste an einen Vertrauten Albayraks und schließlich Albayrak selbst verschickt. Sie fand sich nun in den Daten, die die Hackergruppe RedHack an sich gebracht hat. Als die im Oktober schon einmal angekündigt hatte, die Belege für die Gründung der "Troll-Armee" öffentlich zu machen, hatten türkische Internet-Provider den Zugang zu gleich mehreren Cloud-Diensten gesperrt, um die Verbreitung zu unterbinden.

In dem nun von Wikileaks öffentlich gemachten Dokument wird laut der Welt behauptet, die staatlich kontrollierten Medien hätten "Desinformationen" und "Provokationen" der außerparlamentarischen Opposition zu wenig entgegenzusetzen. Eine "virtuelle Werkstatt" müsse deswegen die Dominanz des Gegners in den sozialen Medien brechen. Dazu seien Social-Media-Experten, Akademiker, Militärs mit dem Fachgebiet psychologische Kriegsführung sowie Techniker und Grafiker plus ein Budget von mehr als 200.000 US-Dollar nötig. Das sei auch umgesetzt und rasch deutlich aufgestockt worden, so dass wenige Monate später bereits von 6000 Trollen die Rede war, ohne dass die Regierungspartei AKP dem widersprochen habe.

Auch das hinderte die türkische Führung aber in der Folge nicht daran, immer wieder den Zugang zu sozialen Medien zu sperren, auch im Rahmen des massiven Vorgehens gegen die Opposition. Derzeit reißt Erdoğan immer mehr Macht an sich und geht massiv gegen Kritiker vor. Seit dem gescheiterten Putsch vom Juli hat sich das noch einmal beschleunigt und zuerst vor allem auch jene Teile der Presse und Medien getroffen, die noch nicht vom Staat kontrolliert wurden. Deshalb ist es inzwischen schwer, unabhängige Berichte aus dem Land zu bekommen, auch solche über die von Wikileaks öffentlich gemachten Dokumente. (mho)