Wissenschaftler: Soziale Medien lassen Sprache nicht verlottern

Ohne Punkt und Komma schreiben viele Menschen in sozialen Medien. Doch wie wirkt sich das auf den Sprachgebrauch aus? Ein Experte gibt überraschende Antworten.

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Soziale Netzwerke

(Bild: dpa, Michael Kappeler/Archiv)

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  • dpa

Der Mannheimer Sprachforscher Henning Lobin bricht eine Lanze für die sozialen Medien. Anders als von konservativen Sprachkritikern behauptet, könnten die Menschen auch auf Facebook & Co. sehr wohl differenzieren. "Von einem Verlottern der Sprache kann keine Rede sein", sagte der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) der Deutschen Presse-Agentur in Mannheim.

So zeigten Studien, dass Sprache je nach Anlass oder Adressat mehr oder weniger lax benutzt werde. Eine formelle Mail, etwa eine Bewerbung, werde in Stil und Orthografie ganz anders abgefasst als eine an einen Freund, in der beispielsweise auf Kommas gänzlich verzichtet werde.

Doch dieser achtlosere Gebrauch der Sprache schleife sich gerade nicht ein. Der Sprachgebrauch sei noch nie so vielfältig wie heute gewesen. "Es gibt nicht die eine Sprache, das eine Hochdeutsch." Auch die Jugendsprache mit dem Fehlen etwa von Präpositionen werde von jungen Leuten gezielt in der Gruppe der Gleichaltrigen gesprochen. Dort wirke sie identitätsstiftend. In anderem Kontext werde auf diese Eigenart verzichtet.

Soziale Medien und ihre Auswirkungen auf die Sprache stehen auch bei der 55. Jahrestagung des IDS im Mittelpunkt. Zu dem Treffen von diesem Dienstag bis zum Donnerstag werden rund 400 Germanisten aus 25 Ländern in Mannheim erwartet. Thema ist "Deutsch in Sozialen Medien – interaktiv, multimodal, vielfältig".

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Das permanente Lesen und Schreiben vieler Menschen auf dem Handy zeigt nach Ansicht von Lobin, dass die Schriftsprache nicht an Bedeutung verliere. "Man kann nicht sagen, die Schriftsprache ist auf dem absteigenden Ast." Allerdings stehe der Umgang mit den sozialen Medien in zeitlicher Konkurrenz zu der Lektüre von Büchern.

Anders als etwa beim Schreiben von Briefen sei der Austausch in digitalen Medien sehr "kurztaktig". Botschaft und Reaktion folgten schnell aufeinander. "Dieses Tempo ruft eigene Effekte hervor", erläuterte Lobin. Es begünstige Unachtsamkeit und politische Schärfe in Diskussionen. Als Beispiel nannte der Linguist die sofort nach Ereignissen in alle Welt verbreiteten Twittermeldungen von US-Präsident Donald Trump. "Ich würde raten, auch beim Nutzen digitaler Medien zu überlegen, was man wie sagt." Hilfreich sei, einen Text ein Weilchen liegen zu lassen und dann nochmals darauf zu schauen.

(akr)