Zahlen, bitte! 10.510 Exemplare von Boeings Volkswagen der Lüfte
Die Boeing 737 ist mit 10.510 ausgelieferten Exemplaren der meistgebaute zivile Düsenjet aller Zeiten. Doch wie kam es dazu?
Die Boeing 737 machte in jüngster Vergangenheit vor allem negative Schlagzeilen: Nach zwei Abstürzen müssen die aktuelle Version B737 Max 8 und Max 9 bis zum Abschluss von Ermittlungen aufgrund von Flugverboten am Boden bleiben. Dabei ist die Boeing 737 mit bisher 10.510 in Dienst gestellten Maschinen das am häufigsten gebaute, strahlgetriebene Verkehrsflugzeug. Doch wie entstand diese Baureihe? Und warum wird der Flieger wie kaum ein zweiter mit der Lufthansa verbunden?
Das liegt daran, dass die Fluggesellschaft mit dem Kranich im Logo und ihrem damaligen technischen Direktor Gerhard Höltje einen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung hatte. Mitte der 1960-er wollte die Lufthansa die Propeller-Maschinen im Kurzstrecken-Bereich durch ein ähnliches Düsenjet-Konzept ersetzen, wie sie bereits mit der Boeing 707 auf der Langstrecke und Boeing 727 auf der Mittelstrecke nutzte.
Große Lufthansa-Wunschliste bei der Entwicklung
Gewünscht wurden Triebwerke unter den Tragflächen, damit die Passagiere mehr Platz haben, ein Zwei-Mann-Cockpit sowie möglichst viele zur Boeing 727 kompatible Komponenten. Damit wollte man Synergieeffekte bei Material, Wartung und Pilotenausbildung durch gleiche Teile beziehungsweise weitgehend identische Cockpits realisieren.
Dabei musste die Fluggesellschaft allerdings sanften Druck ausüben, da der durch seine Lang- und Mittelstreckenflieger erfolgsverwöhnte Hersteller Boeing von dem Konzept eines kleinen zweistrahligen Kurzstreckenflugzeugs nicht sonderlich angetan war.
Während die Kurzstrecken-Jets der Konkurrenten Douglas (DC-9) und BAC (1-11) bereits kurz vor der Marktreife waren, gab es von der Boeing 737 im Jahr 1965 gerade einmal Konzeptzeichnungen. Außerdem wollte Boeing ein Flugzeug für 40 bis 60 Personen entwickeln, während Höltje eine Transportkapazität von mindestens 82 Personen plus Gepäck erwartete.
Entwicklungsstart nach genügend Bestellungen
Erst nachdem die Lufthansa laut darüber nachdachte, sich vom Konkurrenten Douglas beliefern zu lassen, teilte Boeing am 9. Februar 1965 mit, dass man die B737 mit der gewünschten Personenzahl ab einem Bestelleingang von 50 Maschinen entwickeln werde. Am 15. Februar 1965 bestellte die Lufthansa 21 Maschinen des Typs B737-100 (zum Stückpreis von je 2.982.936 US-Dollar, damals knapp 13 Millionen DM). Kurze Zeit später gab United Airlines 40 weitere Maschinen in Auftrag und ermöglichte damit die Entwicklung der B737.
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Der Erstflug der B737-100 fand am 9. April 1967 auf dem Boeing Field (offiziell: King County International Airport) in Seattle statt. Den ersten Linienflug für die Lufthansaflotte absolvierte die Maschine mit der Kennung D-ABEA am 10. Februar 1968.
Hoffte Boeing 1967 noch darauf die Baureihe 737 insgesamt 500 bis 600 mal verkaufen zu können, sind in mittlerweile über 15 Varianten 10.510 Exemplare der 737 ausgeliefert worden. Weitere 4723 Bestellungen stehen in den Auftragsbüchern. Ernsthaftester Konkurrent der B737 ist der Airbus A320, der mit 8674 Auslieferungen nur zwar weniger Flugzeuge auf den Markt gebracht hat, aber auch erst 1987 auf den Markt kam.
Spitzname "Bobby"
Vermarktet wurde die B737 von der Lufthansa als "City Jet"; seinen liebevollen Spitznamen "Bobby" erhielt der Flieger durch das Kinderbuch "Bobby Boeings Abenteuer".
Boeing 737-100
Erstflug: 9. April 1967
Antrieb: 2 x Pratt & Whitney JT8D Turbofans
Rumpflänge: 28,65 m
Rumpfhöhe: 11,28 m
Spannweite: 28,35 m
Leermasse: 23.862 kg
max. Startmasse: 44.000 kg
Reisegeschwindigkeit: 917 km/h
Reichweite: 3440 km
Boeing 737 MAX8
Erstflug: 29. Januar 2016
Antrieb: 2 x CFM International Leap-1B mit je 89 bis 125 kN Schub
Rumpflänge: 39,59 m
Spannweite: 35,92 m
Höhe: 12,29 m
Leermasse: 45.070 kg
max. Startmasse: 82.190 kg
Reisegeschwindigkeit: 840 km/h
Reichweite: 6704 km
Apropos Kinder: Keine neue Baureihe ohne Kinderkrankheiten. So fiel bei ersten Ausbildungsflügen auf, dass die beiden Pratt-&-Whitney-JT8D-Triebwerke so ungünstig unter den Tragflächen angebracht waren, wodurch der umgeleitete Düsenstrom bei der Schubumkehr wieder für Auftrieb sorgte. Dieser gefährliche Mangel wurde durch Streckung der Triebwerks-Ummantelung behoben.
Außerdem sorgte das niedrige Nebenstromverhältnis der Triebwerke für eine besonders hohe Lärmbelastung im Innenraum, was Boeing mit einer besseren Geräuschdämmung zu minimieren versuchte.
Entführung einer B737 im Deutschen Herbst 1977
Das vermutlich bekannteste deutsche Flugzeug ist die B737-200 "Landshut", welche am 13. Oktober 1977 auf ihrem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt/Main entführt und nach einem Irrflug in Mogadischu von GSG9-Spezialkräften befreit wurde. Die Landshut war bis 1985 im Liniendienst, bevor sie ins Ausland verkauft und 2008 nach der endgültigen Ausmusterung in Brasilien stillgelegt wurde. 2017 ist sie nach Deutschland zurückgeholt worden und wird von der Dornier-Stiftung in Friedrichshafen als zeitgeschichtliches Objekt restauriert.
B737 Max 8: Abstürze und das Flugverbot
Die meisten noch offenen Bestellungen beziehen sich auf die Boeing 737 Max 8/9. Diese Baureihe kam 2016 auf den Markt. Sie sollte ähnlich sparsam sein wie die europäische Konkurrenz des Airbus A320neo. Für Maschinen des Typs B737 Max 8 wurde jedoch nach zwei kurz aufeinander folgenden Flugunglücken ein Flugverbot verhängt, bis abschließend die Ursachen der Abstürze geklärt wurden. Der Verdacht besteht, dass die Flugsoftware Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) nicht korrekt gearbeitet hat. Aufgrund dieser Umstände sind bereits erste Stornierungen ausgesprochen worden. (mawi)