Österreich: Radikale Senkung der Mobilfunk-Terminierungsentgelte - Festnetz wird teurer

Die österreichische Regulierungsbehörde will die Entgelte für die Zustellung von Telefonaten in fremde Mobilfunknetze auf einen Bruchteil früherer Tarife reduzieren. Die Zustellung von Gesprächen in Festnetze dürfte hingegen teurer werden.

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Die österreichische Regulierungsbehörde Telekom Control Kommission (TKK) will die Entgelte für die Zustellung von Telefonaten in fremde Mobilfunknetze ("Terminierung") auf einen Bruchteil früherer Tarife reduzieren. Laut einem am heutigen Dienstag veröffentlichten Plan soll der Minutenpreis im Großhandel in mehreren Schritten bis 1. Januar 2011 auf 2,01 Cent/Minute sinken. Derzeit hat kein EU-Land ein so niedriges Niveau. Im Festnetz ist hingegen eine Gebührenerhöhung beabsichtigt.

Bereits beschlossen sind rückwirkende Senkungen der Mobilterminierungsentgelte ab 1. Juli 2008. Waren Ende 2005 noch bis zu 19,62 Cent pro Minute zu bezahlen, wurde 2007 eine Absenkung bis zum 1. Januar 2009 auf einheitlich 5,72 Cent beschlossen. Dieser Bescheid wurde jedoch vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) aufgehoben. Der gestern beschlossene neue Bescheid sieht nun eine noch stärkere Reduktion vor: Für das zweite Halbjahr 2008 sollen alle Mobilfunk-Netzbetreiber lediglich 5,72 Cent pro Minute erhalten, ab 1. Januar 2009 nur noch 4,50 Cent.

Das ist aber keineswegs das Ende der Entwicklung. Denn wie aus einem separaten Bescheidentwurf hervorgeht, plant die Behörde weitere Absenkungen. Ab 1. Juli 2009 soll der Preis alle sechs Monate um 0,62 bis 0,63 Cent sinken, so dass ab 1. Januar 2011 nur noch maximal 2,01 Cent verrechnet werden dürfen. Dieser Betrag entspreche den tatsächlichen Kosten (Forward Looking Long Run Average Incremental Costs) des effizientesten Netzbetreibers – diese Krone kann sich der Provider 3 aufsetzen) –, begründete Georg Serentschy, Geschäftsführer der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR), den Plan. Profitieren würden vor allem die Festnetzbetreiber, die bisher die Mobilfunker subventioniert hätten. Deren Produktionskosten je Minute seien durch die gestiegenen Verkehrsmengen gesunken. Gleichzeitig entfalle ein immer größerer Anteil der Netzkosten auf mobile Datenübertragung, was die Sprachdienste weiter verbillige.

Bis auf den kleinsten Anbieter 3, der sich eine komplette Abschaffung der Terminierungsentgelte wünscht ("bill&keep"), sind alle österreichischen Netzbetreiber aufgebracht. Sie werden gegen den rückwirkenden Bescheid Rechtsmittel ergreifen und auch die zukünftige Entscheidung, so sie denn wie geplant ausfällt, nicht hinnehmen. Moniert wird einerseits das drastische Gefälle gegenüber anderen EWR-Ländern. So fielen für die Zustellung eines Gespräches an ein deutsches Handy etwa 9 Cent pro Minute, an ein bulgarisches Handy 16 Cent, nach Liechtenstein sogar 26 Cent, an. Österreichische Netzbetreiber müssten für Auslandsverbindungen also viel mehr bezahlen als ausländische Anbieter für Verbindungen nach Österreich. Daher sollten so drastische Gebührensenkungen, wenn überhaupt, nur im europäischen Gleichklang erfolgen.

Andererseits wird von den Mobilfunkern auch beklagt, dass der Verlust von 90 Prozent der Terminierungseinnahmen innerhalb weniger Jahre dazu führe, dass Arbeitsplätze abgebaut und das Investitionsvolumen deutlich reduziert werden müsse. Nach Angaben der RTR führt jeder der geplanten Absenkungsschritte in der Mobilfunkbranche zu einem Umsatzverlust von rund 37 Millionen Euro. Gleichzeitig würden die Kosten für Terminierung in fremden Netzen um jeweils etwa 27 Millionen Euro sinken.

Die Zustellung von Gesprächen in Festnetze dürfte hingegen teurer werden. Der Versuch von 3, die Telekom Austria zur Senkung ihrer Großhandelspreise zu zwingen, hat sich als Bumerang erwiesen. Die Behörde stellte aufgrund der stark gefallenen Verkehrsmengen im Festnetz fest, dass die Kosten wesentlich über den bisherigen Tarifsätzen liegen. In Österreich wird nur noch etwa jede fünfte Gesprächsminute von einem Festnetzanschluss aus geführt, viele Haushalte verfügen über gar keinen Festnetzanschluss mehr.

Während nachts und an Wochenenden nur minimale Preiserhöhungen geplant sind, soll die Gebühr für die Zustellung eines Gespräches in das Telekom-Austria-Netz zu Geschäftszeiten um bis zu 37 Prozent steigen (lokale Zusammenschaltung von 0,82 auf 1,12 Cent, regionale Zusammenschaltung von 1,28 auf 1,58 Cent, nationale Zusammenschaltung von 2,25 auf 2,16 Cent). Alternative Anbieter erhalten für Zustellungen in ihre Netze stets das regionale Entgelt, also statt 1,28 voraussichtlich 1,58 Cent zu Geschäftszeiten. Nachts und an Wochenenden beträgt die Preisspanne 0,50 bis 0,77 Cent pro Minute -- zu diesen Sätzen kommen noch 0,17 Cent pro Minute für die Datenbereitstellung hinzu. (Daniel AJ Sokolov) / (pmz)