Apples Repair-Program: Schrauben mit Hindernissen

Im Self Repair Programm ermöglicht Apple es Kunden, iPhones selbst zu reparieren. Doch wer es selbst ausprobiert, bekommt Zweifel, ob Apple das wirklich will.

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Lange Zeit hat sich Apple vehement dagegen gesperrt, Kunden Original-Ersatzteile für iPhones oder iMacs zur Verfügung zu stellen. Wer selbst schrauben wollte, musste sich mit Nachbauten von Drittanbietern oder ausgemusterten Gebrauchtteilen von Bastlern begnügen. Mit dem 2022 eingeführten Self Service Repair Programm vollzog der Konzern eine Kehrtwende, nachdem er bereits seit 2019 freie Werkstätten mit Ersatzteilen beliefert. Jetzt ist das Programm in Deutschland gestartet.

Das Reparaturportal für Apple-Ersatzteile erreicht man über die Seite selfservicerepair.eu. Den Webshop betreibt nicht Apple, sondern die Firma Service Parts Or Tools. Die Handbücher mit Reparaturanleitungen befinden sich im Support-Bereich der Apple-Webseite, sind aber über den Webshop verlinkt.

Das Programm deckte bis Anfang Februar nur wenige neuere Apple-Geräte ab, etwa iPhones der 12er- und 13er-Modellreihen, sowie das iPhone SE 3 von 2022, jedoch nicht das sehr ähnliche iPhone SE von 2020. Auch für MacBooks mit Apple Silicon kann man Ersatzteile bei Apple kaufen. Für Modelle mit M2-Chip sowie für Desktop-Macs finden sich im Portfolio weder Anleitungen noch Ersatzteile. In den USA kann man darüber hinaus Ersatzteile für den iMac und Mac mini mit M1-Chip, das Studio Display und den Mac Studio bestellen. Das lässt hoffen, dass Apple auch hierzulande sukzessive weitere Modelle in das Programm aufnehmen wird.

Jede Anleitung listet die für das Modell möglichen Reparaturen und die dafür nötigen Tools und Teile auf, die man bei Apple kaufen kann. Für die genannten iPhones bietet Apple neben Kameramodulen, Taptic Engines oder Lautsprechern auch Ersatzdisplays und Batterien an, aber keine Lightning-Buchsen oder Hauptplatinen (Logic Boards). Letztere kann man immerhin für Macs kaufen.

Eine Ersatzbatterie für ein iPhone 12 Pro kostet rund 75 Euro, ein Ersatzdisplay 331 Euro. Damit zahlt man für die Ersatzteile in etwa so viel wie für die Reparatur bei Apple – inklusive Einbau. Der Austausch des Akkus des 12 Pro kostet bei Apple oder einem zertifizierten Anbieter ebenfalls 75 Euro, der des Displays 339 Euro. Zum 1. März erhöht Apple die Preise für den Akkutausch um 24 Euro für alle iPhone-Modelle vor dem iPhone 14. Unsere Anfrage, ob auch Ersatzakkus für den Eigeneinbau teurer werden, ließ Apple bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Apple verschickt in Werkzeugkits große Maschinen: Hier eine Displaypresse, eine Batteriepresse und eine beheizbare Ausbauvorrichtung.

Wer selbst repariert und die defekten Teile nach der Reparatur zurückschickt, erhält einen kleinen Preisnachlass. Wird das Gerät bei der Reparatur nicht weiter beschädigt, bleibt die Herstellergarantie auf die anderen Komponenten erhalten. Wer jedoch im Reparaturprozess mehr kaputt macht, muss die Kosten selbst tragen.

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Apple verkauft über das Portal auch passendes Werkzeug. Alternativ kann man ganze Werkzeugsets leihen. Für die einwöchige Miete eines Werkzeugsatzes, mit dem man ein iPhone-Display wechseln kann, verlangt Apple rund 60 Euro inklusive Versand. Diese Sets beinhalten Schraubendreher und Tools, die sonst nur spezialisierte Werkstätten zur Verfügung haben. Dazu gehören eine Batteriepresse, die sonst 124 Euro kostet, eine Displaypresse (221 Euro) sowie eine beheizte „Ausbauvorrichtung“ (261 Euro). Zurückschicken muss man das Set sieben Tage nach Erhalt.

Die Kollegen von Mac&i haben ein iPhone im Rahmen des Self Repair Programms repariert. Ihr eher vernichtendes Fazit: Diese Reparatur ist nichts für Laien, man braucht viel Feingefühl und finanziell lohnt es sich für die Kunden kaum.

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Katrin Meyer ist Koordinatorin des Runden Tischs Reparatur und kämpft für ein herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur. Apples Ansatz sieht sie weit davon entfernt, warum, erklärt sie im Interview.

c’t: Wie bewertet die Repair-Szene Apples Reparaturinitiative?

Katrin Meyer: Anfangs war das Interesse natürlich groß, aber gleichzeitig war uns klar, dass Apple mit seiner Reparaturpolitik wahrscheinlich nicht unsere Anforderungen an das Recht auf Reparatur erfüllen würde. So ist es leider auch gekommen. Das gesamte Programm läuft komplett unter der Kontrolle von Apple, und das entspricht nicht dem universellen, herstellerunabhängigen Recht auf Reparatur.

Katrin Meyer, Koordinatorin des Runden Tischs Reparatur: „Apple erfüllt nicht unsere Anforderungen an das Recht auf Reparatur.“

c’t: Was sind Ihre Hauptkritikpunkte?

Meyer: Es ist teuer, fast genauso teuer wie die professionelle Reparatur. So gibt es außer dem  technischen Interesse keinen finanziellen Anreiz, das Gerät selbst zu reparieren. Hohe Kosten sind der Hauptgrund, warum Dinge nicht repariert werden, und die bleiben in Apples Programm eine riesige Hürde. Unsere Einschätzung ist, dass Apple versucht, sich als Reparatur-Ermöglicher zu positionieren, nur klappt das in der Praxis nicht.

c’t: Also reine PR?

Meyer: Im Großen und Ganzen schon. Das Programm kommt zu einem Zeitpunkt, da sowohl in Europa als auch den USA politisch eine Menge Dinge passieren, die Smartphones reparierbarer machen sollen. Im November hat die EU Ökodesign-Anforderungen für Smartphones beschlossen. So entsteht der Eindruck, dass Apples Programm auch dazu dient, härteren politischen Vorgaben zuvorzukommen. Wir sehen aber durch Apples Initiative, warum wir härtere gesetzliche Vorgaben brauchen.

c’t: Aber das EU-Ökodesign macht keine Vorgaben zu Ersatzteilpreisen, Ihr Hauptkritikpunkt bliebe also bestehen. Apple könnte in dieser Hinsicht auch nach Inkrafttreten genauso weiterverfahren.

Meyer: Genau, das ist ein ganz großer Schwachpunkt der Ökodesign-Regeln. Wenn die EU das Recht auf Reparatur verbessern will, muss es Vorgaben geben, dass Ersatzteile nicht unverhältnismäßig teuer sein dürfen. Wenn es nicht über das Ökodesign kommt, muss es eben anders geschehen. 

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(rbr)