BlackBerry: Comeback mit neuer Ausrichtung

Seite 3: Java, Android und App-Store

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Für viele Marktbeobachter kam die Entscheidung überraschend, dass es für Entwickler klassischer, mit Java erstellter BlackBerry-Applikationen keinen direkten Weg auf die neue Plattform gibt. Wenn sie für ihr BB7-Produkt eine voll native User Experience haben möchten, ist die Portierung auf C++ erforderlich. Unter Umständen lässt sich ein Teil der Geschäftslogik retten, indem das Produkt auf Android portiert und dann über den Packager auf BB10 "übersiedelt" wird – "Built for Blackberry" ist auf diese Weise nicht zu erreichen. Über die Gründe für diese Vorgehensweise ist nichts bekannt.

Durch den Verzicht auf klassische BlackBerry-Applikationen hätte die Plattform mit einem leeren Store starten müssen. Allerdings basiert BB10 ja auf Unix. Deshalb ist es naheliegend, dass die Kanadier einen Blick auf das einzig wirklich erfolgreiche mobile Linux warfen. Aufgrund der Architektur des Betriebssystems ist Android geradezu ideal für "feindliche Portierungen" geeignet. Die meisten Applikationen sind nämlich ausschließlich in Java realisiert und haben keinerlei Beziehung zum darunter liegenden Kernel. Daraus folgt, dass die Anwendungen im Prinzip durch das Portieren der virtuellen Maschine zufriedenzustellen sind.

Sowohl das PlayBook OS als auch BB10 enthalten eine derartige VM, über deren Provenienz nicht wirklich viel bekannt ist. Sie emuliert Android 2.3.3 relativ komplett, natürlich ohne Unterstützung für native Elemente (PDK) und ohne Google-Dienste. Überprüft man seine Anwendung auf Kompatibilität und will sie für die App World verpacken, empfiehlt sich die Verwendung des Online Packager. Dabei handelt es sich um ein im Browser lauffähiges Applet, das unter der URL hier auf Arbeit wartet.

In der Praxis ist es oft sinnvoll, die eigene Anwendung genauer an die BlackBerry-Plattform anzupassen. Dazu gibt es ein Plug-in für Eclipse, das die unter Android-Entwicklern weit verbreitete IDE um die Fähigkeit zum Debuggen von Android-Apps auf BlackBerry-Hardware erweitert. Es lässt sich direkt über die "Add Software"-Funktion und die Paket-URL nachinstallieren.

BlackBerry 10 sieht sich als Integrationsplattform. Deshalb unterstützen die Kanadier sowohl in HTML5 als auch in AIR erstellte Applikationen und Spiele. Dafür stehen zwei spezielle SDKs bereit, die die Entwicklung und das Verpacken derartiger Anwendungen erleichtern.

Klassische BlackBerry-Smartphones akzeptierten beliebige Applikationen, sofern sie nur ausreichend und korrekt signiert waren. Seit dem PlayBook OS ist diese als Sideloading bezeichnete Vorgehensweise für Geräte von Endkunden nicht mehr erlaubt. Die Beschränkung besteht auch unter BB10 weiter. Die Installation neuer Programme und Inhalte erfolgt ausschließlich über eine von BlackBerry betriebene Plattform namens App World. Sie entspricht weitgehend den bekannten App-Stores von Google und Apple, weist aber eine für Einsteiger verwirrende Besonderheit auf.

Ihr Betreiber trennt – die Vorgehensweise erinnert an Nokias Ovi Store – Applikationsbeschreibung und Binärdatei. Das bedeutet, dass die Beschreibung eines Programms von den ausführbaren Dateien unabhängig sein kann. Wenn Entwickler also ein Programm unter BB7 und BB10 anbieten möchten, brauchen sie die Beschreibung nicht zweimal zu erstellen. Insbesondere für die Nutzer von Cross-Plattform-Frameworks ist das ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

Beim Erstellen der Produkteinträge zahlt es sich aus, etwas Zeit mit dem der Such- und Detektions-Engine zugrunde liegenden Algorithmus zu verbringen. Er bestimmt, in welcher Reihenfolge die Programme bei einer Suchanfrage eines Benutzers erscheinen. Je weiter oben ein Programm sitzt, desto besser.

Anders als die meisten anderen Anbieter legen die Kanadier ihre Suchmethode für die Entwickler offen, um so für "Waffengleichheit" zwischen großen und kleinen Anbietern zu sorgen. Weitere Informationen dazu finden sich im BlackBerry-Entwickler-Blog.

RIM/BlackBerry ist seit jeher für seine sichere Plattform bekannt. Analog zu Nokia ist das BlackBerry OS durch ein Signatursystem abgesichert, das jeder Anwendung eine eindeutig zuweisbare "Herkunftsquelle" angibt. Die Beschaffung der Schlüssel war früher eine teure und komplizierte Prozedur. Mittlerweile geht es einfacher, außerdem verzichtet BlackBerry auf den ehemals zur Identitätsprüfung obligatorischen Obolus.

Um Schlüsseldateien anzufordern, müssen Entwickler das hier auffindbare Formular ausfüllen. Einige Stunden später erhalten sie die Schlüsseldateien per E-Mail. Die diversen IDEs enthalten Wizards, die bei der Einrichtung helfen und die fertige Signierumgebung nach der Registrierung bei RIM in eine ZIP-Datei extrahieren.

Wichtig ist, dass man dieses Archiv (und das dazugehörige Passwort) keinesfalls verliert. Es lässt sich nämlich – auch beim Vorliegen der ursprünglichen Schlüsseldateien – nicht mehr wiederherstellen. Die Konsequenzen des Verlusts sind eklatant: Erstens ist es nicht mehr möglich, Updates für ausgelieferte Applikationen zu erstellen. Zweitens sperrt die App World das Hochladen neuer Builds in existierende Produkte. Zum Entsperren ist ein manueller Prozess bei BlackBerry erforderlich, der einige Tage in Anspruch nimmt.