DNS-Verbiegungen

Seite 4: Gibts ja gar nicht

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Alle DNS-Verbieger verletzen die Regeln für .de-Domain-Namen: Die zuständige DeNIC erlaubt nur einen eingeschränkten Satz von Umlauten und Sonderzeichen, um Phishing zu erschweren. So sind beispielsweise griechische Zeichen ausgeschlossen, die lateinischen ähneln, wie das große Epsilon in WWW.HΕISΕ.DE. Doch die DNS-Umleitung kümmert sich nicht um solche Regeln. Munter behauptet sie, der Server sei erreichbar. Vollends absurd wird es beim ß, das laut DeNIC-Regeln durch ss zu ersetzen ist. Alle aktuellen Browser halten sich daran und daher kann die Anfrage nach www.heiße.de nicht von ihnen stammen. Trotzdem funktioniert bei den DNS-verbiegenden Providern der Befehl ping www.heiße.de. Genauso wenig wie der Provider feststellen kann, ob die DNS-Anfrage von einem Browser kommt, kann der Client erkennen, ob die Antwort echt oder manipuliert ist. Die einzigen Hinweise sind die IP-Adresse des Provider-Servers in der Antwort und die Cache-Zeit (TTL, Time To Live) von 0. Doch beides kann auch bei einem korrekten Eintrag auftreten. Bei signierten Antworten gemäß DNSSEC kann der Client die Fälschung sofort erkennen. Doch bis DNSSEC flächendeckend eingeführt ist, gehen sicher noch viele Jahre ins Land. Da die verärgerten Kunden keinen technischen Ansatzpunkt finden, um DNS-Verbiegungen auszuhebeln, hoffen viele auf juristische Hilfe. Denn die Nutzung des falsch eingetippten Domain-Namens außerhalb der DNS-Antwort könnte eine Verletzung des Datenschutzes sein. Schließlich hat der User den Domain-Namen nur an den DNS-Server des Providers geschickt und nicht an dessen Such- und Werbeserver. Außerdem gibt dieser ihn an einen Dritten weiter, ohne dass der User dem zugestimmt hat, nämlich an den Betreiber der Suchmaschine. Die juristische Frage dabei ist, ob die Tippfehler-Domain ein personenbezogenes Datum ist, denn nur dann greift der Datenschutz.

Britische Datenschutzaktivisten haben sich beim Büro des Datenschutzbeauftragten (Information Commissioner’s Office, ICO) über die DNS-Umleitung des Providers Virgin Media beschwert. In der Antwort wird zwar eine Verletzung der EU-Datenschutztrichtlinie 95/46 bestätigt. Die Beeinträchtigung der User sei aber zu gering, um einzuschreiten. Da die Aktivisten dies bestreiten, läuft das Verfahren derzeit weiter. Einfacher lässt sich wahrscheinlich das Markenrecht anwenden: Wenn beispielsweise T-Online den Domain-Namen bestellung. alice-dsl.de auf seinen Server verbiegt, könnte das als unzulässige Nutzung des Marke Alice ausgelegt werden.

Doch selbst wenn sich diese juristische Ansicht durchsetzt, dauert das. Bis dahin bleibt den Kunden der DNS-Fälscher nur zweierlei zu tun: bei allen Netzwerkproblemen auch prüfen, ob das Provider-DNS schuld ist und dann die DNS-Verbiegung abschalten.