Zweite Auflage
Mit seinem großen Touchscreen und der intuitiven Bedienung hat Apples iPhone vor einem Dreivierteljahr große Aufmerksamkeit erregt. UMTS und einen GPS-Empfänger hat Apple mit der 3G-Version jetzt nachgelegt.
- Dr. Harald Bögeholz
Mit seinem großen Touchscreen und der intuitiven Bedienung hat Apples iPhone vor einem Dreivierteljahr große Aufmerksamkeit erregt, doch Kritiker vermissten UMTS und einen GPS-Empfänger für die Navigation. Beides hat Apple mit dem iPhone 3G jetzt nachgelegt.
Zunächst in aller Kürze einige Punkte, die vom Kauf abschrecken könnten: Das iPhone ist in Deutschland nur mit einem Zweijahresvertrag von T-Mobile erhältlich, für den monatliche Grundgebühren in Höhe von 29 bis 89 Euro anfallen. Um es nutzen zu können, muss man es zwingend über iTunes aktivieren und seine Kreditkartennummer oder Bankverbindung hinterlegen.
Auch das neue iPhone hat einen fest eingebauten, nur vom Service wechselbaren Akku und keinen Slot für Speicherkarten. Es kennt kein MMS und seine Kamera nimmt keine Videos auf. Videofonieren über UMTS – Fehlanzeige. Über Bluetooth spricht das iPhone nur gewöhnliche Headsets an, sonst nichts. Kein Stereo-Kopfhörer, kein Datenaustausch, keine Nutzung als Funkmodem am Notebook. Der Webbrowser beherrscht weder Flash noch Java.
Und trotzdem kann man sich der Faszination des iPhones kaum entziehen, wenn man es einmal in der Hand hat. Kein anderes Handy hat einen so großen, brillanten Bildschirm, kein anderes ein so durchdachtes und einfaches Bedienkonzept.
Ganz normale Webseiten lassen sich vernünftig betrachten, weil man sie mit einfachen Gesten stufenlos vergrößern und verkleinern und den betrachteten Ausschnitt flugs mit dem Finger hin- und herschieben kann. Und wenn die Breite des Displays zum Lesen nicht reicht, dann legt man es einfach quer und das Bild dreht sich automatisch.
Das alles konnte auch das alte iPhone schon. Die Hardware-Neuerungen im iPhone 3G sind schnell beschrieben: UMTS mit dem Download-Beschleuniger HSDPA für Download-Raten bis 7,2 MByte/s und ein GPS-Chip für die satellitengestützte Positionsbestimmung. Und in die Kopfhörerbuchse passen jetzt problemlos gewöhnliche 3,5-mm-Klinkenstecker.
Die übrigen Änderungen sind kosmetisch: Das iPhone 3G ist unmerklich breiter als sein Vorgänger und passt dadurch nicht in das alte iPhone-Dock. Die Rückseite besteht jetzt aus schwarzem Plastik statt Aluminium und ist etwas rundlicher. Alle weiteren Neuerungen betreffen die Software, und die können Besitzer des alten iPhone seit dem 11. Juli als Update installieren, sodass das Folgende für beide iPhone-Modelle gilt.
Die Kontaktliste hat jetzt das lang ersehnte Suchfeld bekommen. So findet man in einer nach Nachnamen sortierten Liste auch mal jemanden über Vor- oder Firmennamen. Die Suche erfasst jedoch nicht alle Felder, den Spitznamen zum Beispiel nicht.
Im E-Mail-Programm lassen sich nun in der Übersicht mehrere Mails markieren und in einem Rutsch löschen oder in einen anderen Ordner verschieben. Die Ordnerliste zeigt allerdings bei einem IMAP-Server nach wie vor gnadenlos die gesamte Ordnerhierarchie an – komplett aufgeklappt und nicht zuklappbar.
Ausdrücklich will Apple jetzt auch Business-Kunden gewinnen und hat dem iPhone daher das ActiveSync-Protokoll beigebracht, über das es mit einem Exchange-Server E-Mails, Kontakte und Termine synchronisiert. In einem Kurztest mit einem von 1&1 gemieteten Server klappte das störungsfrei: Eingehende E-Mails landeten binnen Sekunden auf dem iPhone (Push-Mail) und Änderungen im Terminkalender wurden ebenfalls in beide Richtungen umgehend ausgetauscht. Ähnliche Funktionen bietet Apples kostenpflichtiges Web-Portal MobileMe, mit dem man ebenfalls PIM-Daten synchronisieren und Push-Mail empfangen kann.
Wo bin ich?
Schon das alte iPhone konnte anhand der Mobilfunksender und empfangener WLANs seinen ungefähren Standort bestimmen. Mit dem iPhone 3G kommt GPS als dritte und genaueste, aber langsamste Quelle für Positionsdaten hinzu. Die drei Verfahren ergänzen sich: Öffnet man Google Maps und aktiviert das Tracking, so erscheint zunächst eine grobe Schätzung – im Test ein Kreis um ganz Hannover -, die sich dann im Laufe der nächsten Sekunden weiter verfeinert: zunächst auf den Stadtteil und dann, anscheinend anhand der gefundenen WLANs, auf einen etwa zweihundert Meter durchmessenden Kreis, in dessen Mitte das Verlagsgebäude steht.
So weit klappts auch mit dem alten iPhone und in geschlossenen Räumen. Unter freiem Himmel markiert auf dem iPhone 3G dann schließlich ein Punkt die GPS-Position; ein schimmernder Kreis zeigt die Genauigkeit an. Eine vollwertige Navigationsanwendung fehlt aber. Man kann sich lediglich von Google eine Route planen lassen und diese Schritt für Schritt abrufen. Zusammen mit einem Beifahrer, der die Anweisungen vorliest, durchaus zu gebrauchen und besser als gar kein Navi.
Leider haben die drei Datenbanken für die Funkortung (UMTS, GSM, WLAN) jeweils noch unterschiedliche Fehler. So wurde das iPhone im Test in der Innenstadt von Hannover via UMTS einige zig Kilometer südwestlich lokalisiert. Ohne UMTS klappte es an dieser Stelle besser, dafür wurde ein Lokal in der Südstadt per GSM-Lokalisierung nach Isernhagen verlegt. Auch die oft verblüffend genaue WLAN-Ortung lokalisierte das iPhone in einem Fall um einige hundert Meter daneben.
Die neue Kamera-Applikation speichert zu allen Bildern in den EXIF-Daten die aktuelle Position (auch auf dem alten iPhone!). Leider zeigt sie nicht an, ob diese schon vom GPS-Empfänger stammt oder noch von der ungenauen und teils fehlerhaften Mobilfunk- oder WLAN-Ortung. Ein Fehler in der Software-Version 2.0 macht die Funktion im Moment außerdem unbrauchbar: Bei allen in Hannover geknipsten Testbildern war östliche mit westlicher Länge verwechselt, die Bilder also angeblich in Irland aufgenommen. Da macht es dann den Kohl auch nicht mehr fett, dass beim Versenden per E-Mail nicht nur alle Bilder auf 800 × 600 Pixel zwangsverkleinert, sondern auch die EXIF-Daten einschließlich Positionsangabe abgeschnitten werden. Wer davon träumt, auf Reisen ein Live-Foto-Blog mit Geotags zu führen, muss weiterträumen – von einem Software-Update.
Ebenfalls nicht ausgereift ist die neue Funktion, Bilder von Webseiten oder aus E-Mail-Anhängen abzuspeichern. JPG-Fotos werden dabei nämlich unter Qualitätsverlust rekomprimiert, und was noch schlimmer ist: Ein 1,3 MByte großes 6-MPixel-Foto aus einer E-Mail plusterte sich beim Abspeichern auf 1,9 MByte auf und brachte beim anschließenden Betrachten das ganze Handy reproduzierbar zum Absturz.
Aus der Puste
Bei intensivem Herumspielen mit dem iPhone wird schnell deutlich, dass UMTS und GPS ihren Preis haben: Nur ungefähr fünf Stunden eifrigen Testens dauerte es eines Nachmittags, bis der voll geladene Akku leer war. Das ist sicherlich auch dem Display geschuldet, das jetzt mit 460 cd/m² noch deutlich heller strahlt als beim alten iPhone. Aber UMTS braucht bekanntlich mehr Strom als GSM, und so schreibt Apple denn auch in der Bedienungsanleitung, dass Vieltelefonierer gut daran tun, UMTS zugunsten einer längeren Akkulaufzeit abzuschalten.
Der Geschwindigkeitsvorteil von UMTS ist deutlich spürbar, aber zumindest in Hannover auch die Tatsache, dass das UMTS-Netz noch nicht ganz so lückenlos ausgebaut ist. Hält man altes und neues iPhone nebeneinander, so kann das alte in einer Ecke mit schlechtem UMTS-Empfang das neue schon mal überholen. Bei guter UMTS-Versorgung spürt man dann, dass die Daten schneller fließen, als der Webbrowser auf dem kleinen Prozessor sie verarbeiten kann.
Verlockende Vielfalt
Wohl die größte Neuerung der Firmware 2.0 ist die Öffnung für Fremdanwendungen, allerdings nur solche, die Apple über den "App Store" zum Download bereitstellt. Das funktioniert wahlweise über iTunes am PC oder direkt am iPhone; mobil heruntergeladene Anwendungen sichert iTunes beim nächsten Synchronisieren auf dem PC.
Bei Verkaufsbeginn standen mehr als 550 Anwendungen bereit. Das Angebot ist damit von der reinen Menge her noch nicht vergleichbar mit der für andere Handys verfügbaren Auswahl an Applikationen, für den Start aber beachtlich. Es umfasst vor allem Kaufanwendungen zum Preis von ein paar Cent bis meist unter 10 Euro, aber auch etwa 130 kostenlose Applikationen.
Die Spieleindustrie hat bereits ein Auge auf das iPhone geworfen. Schon zum Start hält der App Store fast 200 Spieletitel bereit. Touchscreen und Beschleunigungssensor ermöglichen ungewöhnliche Spielkonzepte. Bei Segas Super Monkey Ball etwa kullert der Spieler durch Neigen des iPhones einen Kugelaffen über einen Parcours.
Mit der sehr gut zu bedienenden Shop-Oberfläche, die ausführliche Beschreibungen sowie Bewertungen von Käufern anzeigt, ist Apple Nintendo und Sony weit voraus. Das haben auch die großen Publisher wie Electronic Arts, Vivendi und Sega erkannt und wollen zukünftig ihre mobilen Spiele auch für das iPhone veröffentlichen.
Bei den Business-Anwendungen ist die Auswahl derzeit nicht so vielseitig. Neben diversen Task-Managern enthält der App Store den Mindmapper ZeptoPad und den Dateibetrachter ReaddleDocs. NetNewsWire eignet sich besser zum Lesen von RSS-Feeds als Safari.
Viele Web-2.0-Dienste haben spezielle Clients bereitgestellt. Die Bandbreite reicht von sozialen Netzwerken wie MySpace und Facebook über den Musikempfehlungsdienst Last.fm, die Twitter-Anwendung Twitterific oder das Flickr-Dienstprogramm Exposure bis zu einem Client für die Blog-Software TypePad.
Die Anwendungsvielfalt wirkt sich allerdings nicht positiv auf die Stabilität aus. Gelegentliche Abstürze kommen vor, und unser Testgerät war nach wenigen Tagen Herumspielens mit nur zehn Programmen so verwirrt, dass kein einziges davon mehr funktionierte. In so einem Fall bleibt nur ein Rücksetzen auf den Auslieferungszustand über iTunes. Natürlich kann man Apple nicht das Versagen von Fremdanwendungen anlasten, wohl aber den mangelnden Schutz der Anwendungen voreinander.
Fazit
Trotz aller Kritikpunkte: Das iPhone macht einfach Spaß. Mit keinem anderen Handy ist man so mühelos im Internet unterwegs, kaum eines lässt sich so angenehm bedienen. Dank UMTS surft man mit dem iPhone 3G zügiger als mit dem alten, und der Weltatlas in der Hosentasche wird mit GPS noch nützlicher. Immer noch lässt Apple aber vieles weg, was bei anderen Handys zum Standard gehört.
Die Firmware-Version 2.0 ist erschreckend fehlerhaft, Das hat auch das inzwischen erfolgte Update auf 2.0.1 nicht geändert. Wer das iPhone 3G jetzt kauft, muss einigen guten Willen mitbringen und darauf vertrauen, dass Apple die Software zügig verbessert. Wer schon ein iPhone hat, bekommt die meisten Neuerungen per Software-Update und kann sich überlegen, ob ihm ein etwas schnellerer Internet-Zugang und der GPS-Chip das Geld für ein Upgrade wert sind – und sich bei T-Mobile für 15 Euro je Monat Restlaufzeit von seinem alten Vertrag freikaufen. (bo)
| Apple iPhone 3G | |
| Anbieter | T-Mobile |
| Lieferumfang | Ladegerät, Stereo-Headset, USB-Kabel, Putztuch, Kurzanleitung, Werkzeug zum Entfernen der SIM-Karte |
| Technische Daten | Handy-Galerie |
(ll)