Einführung in die Entwicklung barrierefreier Software, Teil 2

Seite 2: Rot-Grün-Schwäche und CAPTCHAS

Inhaltsverzeichnis

Doch obwohl man die eigene Anwendung an das jeweilige Endgerät oder Betriebssystem anpassen kann, nehmen nicht immer alle Benutzer deren Oberflächen so wahr, wie sie entworfen wurden. Allein rund 9 Prozent aller Männer in Europa und Nordamerika sind von einer Form der Rot-Grün-Sehschwäche betroffen, die umgangssprachlich auch als Farbenblindheit bekannt ist. Welche Auswirkungen in der Wahrnehmung das bei einer Rot- beziehungsweise Grün-Sehschwäche haben kann, zeigt das nächste Beispiel.

Der Fehlerdialog aus dem Beispiel bei normalem Sehvermögen

Fehlerhaft markierte Eingabefelder aus dem Beispiel bei normalem Sehvermögen

Wahrnehmung der Ausschnitte mit einer Rot-Sehschwäche (mit GIMP simuliert)

Wahrnehmung der Ausschnitte mit einer Grün-Sehschwäche (mit GIMP simuliert)

Die individuellen Ausprägungen der Farbfehlsichtigkeit lassen sich nur schwer beim Dialogentwurf in den Griff bekommen. Oft ist man auch an ein gesetztes Corporate Design gebunden, dessen Farben in das problematische Spektrum fallen. Einfache Textblöcke mit Fehlermeldungen können darin schnell nicht mehr ausreichend auffallen oder sogar unkenntlich werden. Prinzipiell ist die Information so zu transportieren, dass Farben und Formen nicht die alleinigen Informationsträger sind. Eine Fehlermeldung lässt sich beispielsweise in einem modalen Dialog anzeigen, oder eine Verdunkelung des übrigen Arbeitsbereichs konzentriert die Aufmerksamkeit auf die Meldung.

Jeder, der im Internet eingekauft, sich irgendwo registriert oder etwas kommentiert hat, kennt diesen Sicherheitsmechanismus. Durch die Entzifferung verzerrter Buchstaben und Zahlen soll die Spreu vom Weizen getrennt, das heißt menschliche Benutzer von Bots unterschieden werden.

Beispiel für ein CAPTCHA-Bild

Abgesehen von der Kuriosität, dass Google als Anbieter des ReCaptcha-Systems auch einen Algorithmus entwickelt hat, der die CAPTCHAs zuverlässiger lösen kann als ein Mensch, sind die Bilderrätsel nicht nur ein Beispiel für fehlende Barrierefreiheit, sondern auch für schlechte Bedienbarkeit. So benötigen durchschnittliche Benutzer rund zehn Sekunden für die Lösung eines CAPTCHA-Bilds. Eine unglaubliche Bremse, wenn man den Aufwand bedenkt, der oft betrieben wird, um ein oder zwei Klicks im Arbeitsfluss einzusparen. Liegt beim Benutzer noch eine kognitive oder motorische Schwäche vor, kann die Verzögerung entsprechend größer werden. Blinde Benutzer sind dabei überhaupt nicht in der Lage, selbst die Bilder zu entziffern.

Mit Text- und Audio-CAPTCHAs wird zwar versucht, barrierefreie Varianten anzubieten, diese haben allerdings andere Nachteile:

  • Text-CAPTCHAs basieren auf einfachen, textuellen Fragen, zum Beispiel "Was ergibt drei plus sieben?". Diese sind jedoch für jede Sprache, in der die Anwendung oder Webseite angeboten wird, zu pflegen.
  • Audio-CAPTCHAs geben die dargestellte Zeichenfolge akustisch wieder, wegen der fortschrittlichen Spracherkennung erfolgt das jedoch mit entsprechenden Störgeräuschen, was mitunter zu unverständlichen Ergebnissen führt. Hinzu kommt wieder eine Sprachabhängigkeit (beispielsweise hört sich ein Englisches "e" wie ein Deutsches "i" an).

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Dabei gibt es subtilere Mechanismen, die ebenso effizient Bots erkennen können wie CAPTCHA-Bildrätsel. Sie sind dabei aber barrierefrei, da sie keinerlei Benutzerinteraktion erfordern. Bekannte Beispiele hierfür sind Honeypot-Felder in Formularen, die für richtige Benutzer unsichtbar sind, die Messung der Interaktionsdauer oder auch die klassischen Inhaltsfilter. Optimal wirkt eine Kombination der Maßnahmen.