Hochgeschwindigkeitssurfen

Mit Connexion von Boeing hat die deutsche Lufthansa das Internet in ihre Langstreckenflieger geholt.

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Von
  • Detlef Borchers

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Mit Connexion von Boeing hat die deutsche Lufthansa das Internet in ihre Langstreckenflieger geholt. In tausenden Metern Höhe lässt sich nun surfen, mailen, chatten oder per Voice-over-IP telefonieren, wenn es die Geräuschkulisse im Jet zulässt. Ein Test auf Hin- und Rückflügen zwischen Frankfurt und Denver sowie Frankfurt und Chicago in der Holz- sowie der Business-Klasse sollte zeigen, was das System leistet.

Der Internet-Zugriff im Flugzeug ist eigentlich ein Relikt aus den Zeiten, als die Dotcom-Blase kräftig schillerte. Ende der 90er Jahre entwickelten Firmen wie Boeing oder Tenzing Ideen, wie man die mobile Kommunikation im Flugzeug unterbringen kann, ohne die Flugelektronik zu stören. Tenzing ging den Weg über die in vielen US-Fliegern eingebauten Telefone in den Sitzen, Boeing machte sich daran, die Flugzeuge mit Ethernet zu verkabeln. Die Terroranschläge vom September 2001 machten allerdings alle Pläne zunichte und stürzten nicht nur die Fluggesellschaften in eine Krise. Für die Geschäftsperiode 2001/02 hatte man bei der Boeing-Tochter Connexion 1500 Umrüstungs-Aufträge in den Büchern [1], die allesamt storniert wurden.

Die Firma schrumpfte schließlich auf ein Dutzend Mitarbeiter, die Ethernet-Kabel wurden eingemottet. Connexion überlebte nur dank Aufträgen der US-Regierung, die ihre Jets mit Internet-Technik ausstatten ließ. Erst 2003 meldeten sich Airlines wieder, die im Kampf um Passagiere mit dem Internet-Komfort punkten wollten. Zu den ersten Interessenten bei Boeing gehörten die europäischen Linienfluggesellschaften Lufthansa und British Airways, nicht aber die ursprünglich stark interessierten US-Gesellschaften American, Delta und United. Bald gab es die ersten Testinstallationen, seit Anfang März 2005 gehört der Internet-Zugriff bei der Lufthansa auf den Nordatlantik-Strecken zum Standard.

Im Unterschied zu den ursprünglichen Plänen, die Maschinen nur in der Ersten Klasse sowie der Business-Klasse wie bei einer LAN-Party zu verkabeln, setzen alle Fluggesellschaften auf den Fortschritt der WLAN-Technik, die mittlerweile die Laptops erobert hat. Drahtlos kann ohne großen Aufwand der Internet-Zugang im ganzen Flugzeug realisiert werden.

Connexion by Boeing, das keineswegs auf Flugzeuge des US-Herstellers beschränkt ist, sondern auch in zahlreichen Modellen des europäischen Konkurrenten Airbus zum Einsatz kommt, arbeitet nach einem einfachen System: Die Internet-Verbindung erfolgt über einen Satelliten, der von der zentralen Kontrollstelle in Littleton (Colorado) mit IP-Daten versorgt wird. Auf dem Flugzeug ist eine speziell von Rockwell Collins konstruierte Empfangsanlage installiert, die fortlaufend Kontakt zu dem Satelliten hält und mindestens 5 MBit/s Datendurchsatz bereithalten soll. Die Empfangsanlage koppelt über einen Router insgesamt fünf WLAN-Stationen an das Netz. Dieser Teil der Technik wird von Miltope geliefert, die dabei wiederum auf Access Points von Colubris Networks zurückgreift.

Tux in der Luft

Bei der Lufthansa wird Connexion by Boeing unter dem Namen Lufthansa FlyNet vermarktet. Auf den Flügen zwischen Frankfurt und Denver wurde dieses FlyNet vom Autor jeweils von den hinteren Reihen der Touristenklasse in Anspruch genommen, zwischen Frankfurt und Chicago gab es Tests in der vorderen Business-Klasse. Der eingesetzte Laptop, ein Thinkpad X30, lief dabei unter Windows XP mit Servicepack 2 und Suse Linux 9.2. In den Broschüren der Lufthansa wird Linux – anders als Mac-OS-Systeme – als zulässiger Client jedoch nicht erwähnt. Der für den WLAN-Zugriff startklar gemachte Laptop fand ohne Probleme einen Hotspot und startete die sehr umfangreiche FlyNet-Homepage der Lufthansa. Sie wird lokal im Flieger gehostet und ist damit auch zugänglich, wenn der Kontakt zum Satelliten gestört ist. Neben einem Nachrichten- und Sportüberblick enthält das FlyNet-Portal vor allem Reiseinformationen.

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Die IP-Pakete bei Connexion by Boeing übermittelt ein Satellit, der von Colorado aus mit Daten gefüttert wird. Vergrößern

Erst der Klick auf ein kleines Connexion-Logo startete den eigentlichen Internet-Dienst. Der geneigte Passagier hat die Wahl, den Zugang auf dem ganzen Transatlantik-Flug für 29,95 US-Dollar (auf Mittelstrecken 19,95 US-Dollar) oder nur für eine halbe Stunde (9,95 US-Dollar) zu buchen, nach deren Ablauf im Minutentakt mit 25 US-Cent abgerechnet wird. Die Maximalgebühr beträgt bei der letztgenannten Option 50 US-Dollar. Nach Eingabe der Kreditkartendaten müssen Benutzername und Passworte für zukünftige schnelle Logins gewählt werden, dann steht der freie Zutritt zum Internet offen.

Der freie Zugriff ist dabei wirklich weitgehend frei: Im Unterschied zu anderen vergleichbaren Hotspot-Diensten etwa in Hotels blockierte Connexion keine Protokolle und Hardware-Ports. Selbst das Telefonieren mittels Voice-over-IP und Skype funktionierte klaglos, auch die Verbindung zu einer kleinen Videokonferenz klappte auf einem benachbarten Laptop ohne Probleme. Ob diese Schrankenfreiheit nur in der Anfangszeit bei FlyNet geboten wird, ließ sich nicht klären. Das Telefonieren via Laptop ist erheblich billiger als die sonst angebotene Bord-Telefonie und dürfte für viele Geschäftsreisende allein schon Grund genug sein, sich Connexion-Zeit zu kaufen. Bis auf die Sperrung bekannter Erotikseiten waren alle Internet-Dienste mit guter Geschwindigkeit von 1,5 bis 2,3 MBit/s verfügbar, wobei die Bodenstation besuchte Seiten offenbar in einen Cache einliest.


Lukas Grunwald
Technische Betrachtungen
Das Webportal des Internetdienstes Flynet steht grundsätzlich allen Passagieren mit WLAN-fähigem Notebook zur Verfügung – in der Economy-Klasse so lange der Akku hält, denn dort gibt es keine Stromversorgung an den Sitzen. Eine Verschlüsselung zu den im Flugzeug installierten Routern findet nicht statt, was ein Mitschneiden des Datenverkehrs von Mitreisenden sowie Man-in-the-Middle-Angriffe ermöglicht. Lufthansa-Kunden, die über Flynet auf Daten im heimischen Firmennetz zugreifen wollen, sei der Einsatz eines VPN dringend angeraten.

Der Service basiert auf geostationären Satelliten, was Laufzeiten von einigen Zehntelsekunden pro Richtung mit sich bringt. Von interaktiven Anwendungen ist daher abzuraten. Die Übertragungskapazität dagegen ist exzellent, sie erlaubte Downloads mit einer Geschwindigkeit von bis zu 140 KByte/s.

Um die Last vom Satelliten zu nehmen, werkelt ein Squid-Proxy an Bord, der – mit Root-Rechten versehen – so manchen Content zwischenspeichert, der eigentlich nur die Fluggäste selbst etwas angeht. Ein zentraler Proxy kann sich als Sicherheitsrisiko erweisen, gerade wenn er unter dem Root-User läuft. Was die Betreiber mit den Cache-Inhalten anfangen, etwa ob und wann sie jemand löscht, bleibt leider ungeklärt. Außerdem erhält man an Bord lediglich eine private IP-Adresse, die via NAT umgesetzt wird. Auf diese Weise funktionieren Dienste nicht, die auf eine Routing-fähige Adresse angewiesen sind. Beide Einschränkungen sind für öffentliche Hotspots nicht ungewöhnlich, doch darauf, dass es sich eben nicht um einen unbeschränkten Internetzugang handelt, weisen weder Lufthansa noch Boeing hin.

Bis zur Bodenstation stand die Verbindung tadellos, nur hätten sich Boeing und Lufthansa bessere Internet-Peering-Partner aussuchen sollen. Zeitweise waren große Teile des Internet gar nicht zu erreichen. Während des ganzen Hinfluges blieb überdies das Lufthansa-eigene Portal stumm, was der lokale Squid mit "No route to host" quittierte. Redundante Anbindungen sind heute eigentlich Stand der Technik bei Internetprovidern; derartige Routing-Ausfälle sollten auf keinen Fall auftreten. Ein Nachtest während des Rückfluges war leider nicht möglich, denn da war Flynet ganz offiziell abgeschaltet. (un)

Balanceakt

Im Vergleich schnitt die "Cattle-Class" (Economy) bei den Internet-Abrufen besser ab als die Business-Class: Hier begrenzte auf einem Flug der Video-Download eines Passagiers die zur Verfügung stehende Bandbreite erheblich. Grundsätzlich scheint das "Inflight Internet" jedoch in der Touristenklasse erheblich besser angenommen zu werden als in den teuren Kategorien. Auch wenn es einiger Verrenkungen und Balanceakte bedarf, den Laptop einigermaßen heil über den Flug zu bringen, waren mitunter bis zu zehn Geräte angemeldet. Trotz der deutlich komfortableren Bestuhlung, die aufgeklappte Laptops nicht gefährdet, ist das Internet in der Business Class anscheinend noch nicht angekommen.

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Nahansicht einer FlyNet-Antenne

Gibt es Probleme mit Connexion, so sind die hart arbeitenden Flugbegleiter keine Hilfe. Im Lufthansa-Magazin findet sich eine Beschreibung, wie die IP-Kommunikation unter Windows XP eingerichtet werden muss, doch sind die Empfehlungen, Screenshots zu machen und Technikern zu zeigen, nicht wirklich hilfreich zu nennen. Steht die Connexion, so kann man einen Boeing-Techniker zum Chat anfunken.

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Montage einer FlyNet-Antenne für den Internet-Zugang in einem Airbus A340-300

Als größtes Hindernis entpuppte sich im Test die auf einer Flugstrecke gewählte minutengenaue Abrechnung in Verbund mit dem Kurztarif von 9,95 US-Dollar. Während der Verfasser nach dem Abholen seiner E-Mails einfach nur noch schlafen wollte, registrierte Connexion das Ausloggen des Laptops erst 47 Minuten später. Da die Rechnung für das fliegende Surfen der Benutzung auf dem Fuß per Mail erfolgt, konnte die Diskrepanz mit einem noch vorhandenen Log nachgewiesen werden und wurde vom ausgesprochen freundlichen Service mit einer Gutschrift ausgeglichen. Noch arbeite man daran, minutengenau abzurechnen und empfehle daher den Kunden die stressfreie Pauschalbuchung, so der Boeing-Mitarbeiter.

Connexion by Boeing ist derzeit auf allen Lufthansa-Flügen in der nördlichen Hemisphäre verfügbar. Die Südhalbkugel soll 2006 vernetzt werden, wenn ein entsprechender Satellit in seiner Umlaufbahn positioniert ist und die Verträge mit Internet-Providern in Südamerika, Afrika und Australien unter Dach und Fach sind. Eine Ausnahme gibt es, wenn die Lufthansa-Maschinen chinesischen Luftraum überqueren. Hier muss auf Verlangen der Regierung der Satellitenempfang unterbrochen werden, weil der Internet-Zugang in China ohne Kontrolle durch die Behörden verboten ist.

JetConnect

Wie komfortabel Connexion ist, zeigte der direkte Vergleich mit dem Angebot von Tenzing Communications (inzwischen Teil von "OnAir") auf einer Flugstrecke mit dem Lufthansa-Partner United Airlines. Tenzing setzt bei seinem Angebot auf die Airfone-Telefone von Verizon, die in den Armlehnen der Business Class Standard sind. Zur Internet-Verbindung besitzen sie einen RJ-11-Anschluss für das Modemkabel. Dieser Modemanschluss wird JetConnect genannt und ist in zwei Preisstufen verfügbar. Das einfache JetConnect kostet 5,99 US-Dollar per Flug und gestattet die Arbeit mit einem einfachen Text-Client sowie das Abholen von E-Mail ohne Dateianhänge.

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Das Web-Angebot von JetConnect beschränkt sich auf E-Mail- und Instant-Messaging-Dienste, Notebooks werden per Modemkabel angekoppelt.

Der Autor entschied sich für "JetConnect deLuxe" zum Preis von 15,98 US-Dollar pro Flug. Mit diesem Angebot können E-Mails gesendet und empfangen werden. Auch Dateianhänge wanderten mit Modemgeschwindigkeitauf den Computer, gingen aber mit zusätzlich berechneten 10 US-Cent für das Kilobyte kräftig ins Geld. Andere Dienste als E-Mail und Instant Messaging sind bei JetConnect nicht möglich. Die Anmeldung für den Dienst erfolgte telefonisch über einen Operator, das Eintippen der Kreditkartendaten an den relativ zierlichen Airfon-Tasten kann auf dem kleinen Bildschirm des Telefons möglicherweise von Außenstehenden mitgelesen werden.

Boeing will sein Internet-Angebot mit "Connexion Maritime" künftig auch auf Schiffe ausdehnen. Dieser Dienst soll 2800 US-Dollar pro Monat und Schiff kosten. Für die Reisenden ist keine Internet-Pauschale per Reise geplant, vielmehr sollen sie nutzungsabhängig 1,25 US-Dollar pro Minute zahlen. Die Reedereien selbst erhalten 2000 Freiminuten für die "Intraship"-Kommunikation. Im Jahre 2006 will Connexion by Boeing garantieren, dass der Mensch zu Schiff und im Flugzeug erdumspannend zu 99 Prozent "always-on" sein kann – wenn er dies denn wirklich will. Einen ersten Kunden konnte das Unternehmen mit der Reederei Teekay Shipping bereits gewinnen. (pmz)