FAQ: Was taugen Windows-Klone?

Wir beantworten Fragen zu Betriebssystemen, die nicht nur visuell an Windows erinnern, sondern auch sehr gute Kompatibilität mit Windows-Software versprechen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 75 Kommentare lesen

(Bild: charnsitr/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jan SchĂĽĂźler
Inhaltsverzeichnis

Windows ist das Betriebssystem für PCs und Notebooks mit der größten Verbreitung. Manch einer ist aber mit der Richtung, in die sich Windows entwickelt, nicht einverstanden und sucht nach kompatiblen Alternativen: Was hat es mit diesen Nischensystemen auf sich?

Was meinen Sie mit "Windows-Klonen"?

Freie Entwickler machen sich immer mal wieder die Mühe, ein Betriebssystem zu bauen, das Windows-Look und -Kompatibilität einigermaßen gut nachzuahmen versucht. Mitte 2023 haben wir zum Beispiel Windowsfx getestet, eine Linux-Distribution auf Kubuntu-Basis mit aufgestülptem Windows-11-Design (inzwischen heißt das System Windows Ubuntu oder auch kurz Wubuntu). Das Schwestersystem Linuxfx sieht ähnlich aus, kommt aber ohne Verknüpfungen zu Microsoft-Diensten und -Web-Apps und ohne die von Windows 11 kopierten Icon-Designs und Hintergrundbilder. Ein ähnliches Konzept verfolgte in den Nullerjahren die Distribution Linspire, die ursprünglich Lindows hieß, sich aber nach einem Rechtsstreit umbenennen musste.

Höhere Ziele hat sich das ReactOS-Projekt gesetzt, denn es wollte einen vollständig binärkompatiblen Windows-Klon entwickeln (unten mehr dazu).

In der Linux- beziehungsweise Open-Source-Community stoĂźen Systeme wie Windowsfx/Wubuntu durchaus auf Kritik: Manche Entwickler verlangen Geld fĂĽr erweiterte Funktionen wie Active-Directory- und Microsoft-Cloud-Anbindung, also Features, die man sich auch mit ein paar Handgriffen auch selber mit quelloffenen Tools bauen kann.


Können Sie mir einen bestimmten Windows-Klon empfehlen?

Wubuntu sieht Windows 11 verblüffend ähnlich, ist aber ein Kubuntu-basiertes Linux.

Nein. In erster Linie kann man sie als Live-Experimente und Antwort auf die Frage betrachten, wie weit man Windows-Optik und -Kompatibilität erreichen kann, ohne Windows zu installieren. Die Garantie, dass Windows-Programme so laufen, wie sie sollen, bekommen Sie nur mit Windows. Allenfalls erklären manche Entwickler, wie man ihre Software unter Linux mithilfe der Kompatibilitätsschicht Wine ans Laufen bekommen kann.

Wenn Sie Zeit und Lust haben, werfen Sie ruhig einmal ein Wubuntu oder auch ein ReactOS in eine virtuelle Maschine und schauen Sie sich das Ganze an – interessant sind solche Projekte allemal. Für den Produktiveinsatz sollten Sie aber die Finger davon lassen. Das gilt vor allem, wenn es sich um ein Ein-Personen-Projekt mit ungewisser (Update-)Zukunft handelt.


Wie kommt man auf die Idee, so ein Fake-Windows zu installieren, wenn man stattdessen eine ernstzunehmende Linux-Distribution à la Ubuntu nehmen kann – oder so etwas wie das frei verfügbare Chrome OS Flex?

Wir sehen drei Gründe, aus denen man ein solches System installieren könnte. Der erste: Man will Lizenzkosten sparen oder vertraut lieber einem Linux- als einem Windows-System, aber für völlig Linux-unerfahrene User soll das System so gut wie möglich nach Windows aussehen. Dann kommt so etwas wie Wubuntu infrage (siehe oben). Allerdings: Schaut man nur minimal unter die Haube, indem man in der Einstellungen-App ein Untermenü öffnet, sieht es gar nicht mehr nach Windows aus, sondern man sitzt vor einem der üblichen Einstellungsmenüs eines Ubuntu oder Linux Mint.

Der zweite denkbare Grund für einen Windows-Klon: Man will Lizenzkosten sparen, braucht aber möglichst problemlose Kompatibilität für vorhandene Windows-Software. Damit wollen Systeme wie Wubuntu oder ReactOS punkten. Tatsache ist aber, dass sich eine Wine-Umgebung in allen gängigen Linux-Distributionen mit ein paar Klicks installieren lässt – sofern sie nicht schon serienmäßig mitinstalliert ist.

Eine dritte Möglichkeit ist die reine Neugier auf das, was kreative Entwickler so anstellen, um den an sich erst mal widersprüchlich klingenden Gedanken "Windows ohne Windows" in die Tat umzusetzen.


Andersherum gefragt: Wenn man Windows braucht, warum nicht auch Windows nehmen?

Da gelten die gleichen Antworten wie eben: Lizenzkosten und der Wunsch, quelloffene Software zu nutzen. Wenn wir bei c’t mit Windows-Klonen herumexperimentieren oder sie testen, dann meist aus Spieltrieb.

Tatsächlich haben wir bislang keinen Windows-Klon gesehen, der ein echtes Windows in der Praxis besser ersetzen könnte als andere Linux-Distributionen mit einem klassischen Desktop mit Startmenü (und falls nötig Wine als Kompatibilitätsschicht für Windows-Programme). Erprobte und beliebte Distributionen dafür sind zum Beispiel Linux Mint mit Cinnamon-Desktop oder, vor allem für schwächere Hardware, das Ubuntu-Derivat Lubuntu mit seinem superschlanken LXDE-Desktop.


Seit Kurzem höre ich von einem Projekt namens ReactOS. Geht das in die gleiche Richtung Wubuntu & Co.?

Nur entfernt. Der größte und wichtigste Unterschied: ReactOS nutzt keinen Linux-Kernel. Die Geschichte des Systems reicht bis ins Jahr 1996 zurück und zeugt von einem deutlich ambitionierteren Projekt. Das Ziel war, beziehungsweise ist es immer noch, einen vollständig binärkompatiblen Klon von Windows zu entwickeln – ursprünglich Windows 95. Das erste Release erschien Anfang 2004, doch die Entwicklung erlitt immer wieder Rückschläge. Vor allem musste das System aus Lizenz- und Copyright-Gründen auf jegliches Reverse Engineering verzichten. Auch das Mitwirken ehemaliger Microsoft-Programmierer war tabu, kam aber durchaus vor – mit dem lästigen Umstand, dass Teile des Systems als lizenzrechtlich inakzeptabel verworfen und die fraglichen Teile von Grund auf neu programmiert werden mussten.

Bock auf Retro-Feeling, aber kein Windows 2000 zur Hand? ReactOS kann helfen.

Das Projekt ist auch heute noch im Alpha-Stadium. Möchte man es ausprobieren, so die Entwickler, tut man das am besten in einer virtuellen Maschine (VM), wofür es auch eine detaillierte Dokumentation gibt.

ReactOS-Doku:

Die Installation auf realer Hardware haben wir vor Kurzem auf einem Acer Aspire 3680 von circa 2007 ausprobiert. Das klappte tatsächlich stressfrei. Jeden Versuch, einen der vielen fehlenden Treiber für Grafik, LAN, WLAN & Co. zu installieren, quittierte das System dann aber direkt mit Einfrieren und Bluescreens, meist gefolgt von einem zerschossenen Bootloader.

c’t – Europas größtes IT- und Tech-Magazin

Alle 14 Tage präsentiert Ihnen Deutschlands größte IT-Redaktion aktuelle Tipps, kritische Berichte, aufwendige Tests und tiefgehende Reportagen zu IT-Sicherheit & Datenschutz, Hardware, Software- und App-Entwicklungen, Smart Home und vielem mehr. Unabhängiger Journalismus ist bei c't das A und O.

(jss)