Federlesen #3: Das Jahr unter Apachen

Seite 2: Streit

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Auffällig ist sicherlich, dass die meisten Projekte mehr und mehr die Unterstützung für die alten J2SE-Versionen (1.3, 1.4) zugunsten der aktuellen Versionen 5 und 6 aufgeben. Dafür nutzen einige Apache-Produkte (etwa PDFBox, Harmony) vermehrt andere Ablaufumgebungen als die von Oracle, etwa von IBM, die Dalvik VM oder OSGi.

Apache Commons stellt grundlegende Funktionen auch jenseits vieler Apache-Projekte bereit. In der aktuellen Version von Commons Lang 3 wurden mit der Unterstützung von Java 5 die Paketnamen auf org.apache.commons.lang3 geändert. Deshalb werden nächstes Jahr sicherlich viele Apache-Projekte für neuere Versionen die J2SE-1.4-Unterstützung aufgeben – besonders, da Produkte wie OpenEJB, OpenJPA, OpenWebBeans und MyFaces bereits Java 6 voraussetzen.

IBMs Rückzug aus dem Harmony-Projekt stellt die Zukunft der "Java SE"-Implementierung in Frage, schon zuvor ging jedoch die Entwicklung von Harmony nur schleppend voran, und ohne das Test Compatibility Kit (TCK) wird das Projekt wohl nie eine offizielle Zertifizierung erreichen.

Auch als eine Auswirkung des Streits um die Marke "Java" hat sich das Lucene-Java-Projekt in Lucene Core umbenannt. Damit wird der Entwicklung Rechnung getragen, dass es mehrere Lucene-Erweiterungen gibt und Lucene-Abkömmlinge gleichzeitig in anderen Programmiersprachen (Python, C#, C) implementiert sind.

2010 wurde der ein millionste Commit für Apache-Code erreicht – von einem Lucene-Committer. Doch das ist nur ein Signal für die Verbreitung und Relevanz von Apache-Software. Dass die Apache Software Foundation, trotz eines bescheidenen jährlichen Budgets von rund 700.000 US-Dollar, mit seinen 330 Mitgliedern eine wichtige Rolle in der Open-Source-Welt spielt, drückt sich auch in der erneuten Wahl der Organisation in das Executive Committee des Java Community Process aus. 95 Prozent der Stimmen geben die große Bedeutung und Wertschätzung wieder.

Leider trat die Foundation nur wenige Tage später aus Protest wegen Oracles Java-Politik aus dem JCP aus. Wobei der Verlust für die Java-Community größer zu sein scheint als für die Apache-Projekte selbst. Mit dem Ausstieg zieht Apache letztlich einen Schlussstrich unter dem schon zu Suns Zeiten schwelenden Streit über die offene Nutzung von Java. Direkt betroffen ist sicherlich das Harmony-Projekt, die anderen Projekte erfreuen sich großer Beliebtheit, und das wird auch weiterhin so bleiben. Da Apache für die Java EE das offizielle TCK besitzt, wird es auch weiterhin dafür zertifizierte Referenzimplementierungen im Rahmen des Geronimo-Projekts erstellen. Sollte Apache Derby in Zukunft als JavaDB nicht mehr Teil des JDK 7 sein, ist das nicht schlimm, das dieses Projekt über eine lebendige Community verfügt, in der weiterhin ehemalige Sun-Committer, die inzwischen bei Oracle arbeiten, tätig sind.

Der Designed-by-Community- gegenüber den traditionellen Designed-by-Company- oder Designed-by-Committee-Ansätzen bietet Vorteile, da die Entwicklung des Projekts nicht vom Wohl und Wehen einer Firma abhängt. Dabei stehen vom Projektmarkt und von Entwicklern getriebene Erweiterungen im Vordergrund und nicht vom Marketing getriebene Funktionen.

Auch 2011 werden Apache-Produkte in Rente gehen oder durch neue Versionen abgelöst werden. Beschleunigt wird das durch die Adaption des neuen "Java EE 6"- und OSGi-Standards und durch die Unterstützung neuer Ablaufumgebungen. Dafür werden einige der Cloud-Projekte, wie die Whirr-, libcloud- und Deltacloud-Bibliotheken zum einheitlichen Betreiben und Verwenden von Cloud-Services dem Incubator entwachsen sein und die Realisierung von Cloud-Anwendungen vereinfachen.

Frank Pientka
ist Senior Software Architect bei der Materna GmbH in Dortmund und Autor des Geronimo-Buchs im dpunkt Verlag.
(ane)