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Die Verbreitung neuer Funktechniken erhöht potenziell die Belastung durch elektromagnetische Felder. Systematische Untersuchungen dazu sind bisher Mangelware.

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Von
  • Angela Meyer

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Die Verbreitung neuer Funktechniken erhöht potenziell die Belastung durch elektromagnetische Felder. Systematische Untersuchungen dazu sind bisher Mangelware.

Dass elektromagnetische Felder (EMF) prinzipiell gesundheitsgefährdend sein können, ist seit Jahrzehnten unbestritten. Ob das allerdings auch für die EMF gilt, die uns im Alltag umgeben, da scheiden sich immer noch die Geister. Auch die Forscher ringen noch um eine zuverlässige Grenzziehung, ab wann EMF definitiv keine negativen Auswirkungen auf den Körper haben [1]. Solange eine wissenschaftlich fundierte Aussage hierüber aussteht, bleibt vorsichtigen Gemütern nur, das potenzielle Risiko so weit wie möglich zu minimieren.

Zu diesem Schluss ist vor einiger Zeit auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gekommen, bei dem die Beschäftigung mit nicht ionisierender Strahlung (siehe Grafik) immer breiteren Raum einnimmt. Unter diesem Begriff fasst das BfS nieder- und hochfrequente Felder sowie optische Strahlung einschließlich UV-Licht zusammen in Abgrenzung zur ionisierenden Strahlung, deren Beginn das BfS bei der Röntgenstrahlung sieht. Eine neu aufgelegte BfS-Broschüre zu Strahlung und Strahlenschutz soll Laien einen breiten Überblick über die physikalischen, biologischen und messtechnischen Grundlagen geben [2].

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EMF im Überblick: Ionisierende und nicht ionisierende Strahlung hat je nach Frequenzbereich unterschiedliche Auswirkungen, wobei sich die Wissenschaft bei eventuellen nicht thermischen Effekten noch nicht einig ist. Vergrößern

In dieser Broschüre informiert unter anderem auch eine Übersicht zu den "wichtigsten Quellen hochfrequenter Strahlung" über Grenz- und Strahlenschutzrichtwerte sowie typische Messwerte für die tatsächlich auftretende Belastung – wobei nicht erläutert wird, ob sich die Wichtigkeit auf die Nutzung oder das Gefährdungspotenzial bezieht. So finden sich in der Liste neben Rundfunk- und Fernsehsender, CB-Funk, Mobilfunk und Radargeräten zwar auch die in Kaufhäusern genutzte HF-Diebstahlsicherung – Aussagen zu WLAN und anderen neueren Funktechniken inklusive RFID sucht man aber vergebens. Ob das nun daran liegt, dass das BfS diese Techniken einfach noch nicht berücksichtigt hat, oder ob das Bundesamt die Belastung hierdurch tatsächlich für unbedeutend hält, erfährt man in der Broschüre leider nicht.

Zusammenfassend zieht das BfS trotzdem den Schluss, dass die Grenzwerte für Hochfrequenzfelder (HF, siehe Kasten Grenzbereiche) im Alltag in der Regel eingehalten und oft weit unterschritten werden, wobei auch hierbei unklar bleibt, was genau das BfS in diese Bewertung einbezogen hat. Gleichzeitig empfiehlt das BfS dem Einzelnen ausdrücklich eine Minimierung der Belastung: "Aus Gründen der Vorsorge ist es zu begrüßen, wenn unmittelbare Feldeinwirkungen möglichst gering gehalten werden." Diese Forderung richtet sich ganz ausdrücklich auch an die Funknetzplaner. Konkrete Hinweise zur individuellen Vorsorge beziehen sich vor allem auf die in der Regel stärkste Belastungsquelle: Mobiltelefonieren. Selten, kurz, nur bei gutem Empfang, mit Headset und Handy mit niedrigem SAR-Wert telefonieren und im Zweifel eine SMS schicken, lauten die Empfehlungen des BfS.

Eine Zusammenstellung, welche konkrete Belastung eigentlich vom Mobilfunk sowie den anderen körpernah genutzten Funktechniken WLAN, Bluetooth und DECT ausgeht, sucht man in der Broschüre allerdings vergeblich – obwohl man deren Nutzung anders als bei den genannten Sendern tatsächlich auch selbst beeinflussen könnte. So bleibt nach der Lektüre immer noch unklar, wie man die Belastungen am effizientesten minimieren kann, beziehungsweise, wo sich ein eventueller Aufwand zur Vorsorge gar nicht lohnt, weil die Belastung eh nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was eine nicht beeinflussbare oder unverzichtbare Quelle liefert.

Auch generell sind systematische Untersuchungen hierzu Mangelware. So bleiben vorläufig nur grobe Abschätzungen. Als leicht zugängliches Kriterium bietet sich für den Vergleich mehr oder weniger direkt am Körper genutzter Funktechniken auf den ersten Blick die Strahlungsleistung an: Mobiltelefone (max. 2000 mW im D-Netz, 1000 mW im E-Netz, 125 mW UMTS), WLAN (100, 200 mW), Bluetooth (1, 2, 5, 100 mW), DECT-Telefon (ca. 10 mW). Da die tatsächliche Belastung darüber hinaus nicht nur von der Entfernung, sondern auch von Parametern wie der Frequenz und der Abstrahlcharakteristik der Antenne abhängt, liefert diese schlichte Hierarchie allein nach der Sendeleistung insbesondere bei relativ dicht beieinander liegenden Leistungen aber höchstens eine grobe Orientierung.

Ortstermine

Einen etwas konkreteren Eindruck von möglichen Belastungen geben Messungen in einem WLAN-Netz, die das nova-Institut 2001 und 2004 in den Gebäuden und im Außenbereich der Universität Bremen durchgeführt hat. Kürzlich veröffentlichte Ergebnisse zum Betrieb nach den IEEE-Standards 802.11g und 802.11a ergänzen 2001 gemessene Werte zu IEEE 802.11b sowie Übersichtsmessungen, die vergleichend auch andere Quellen erfasst haben.

Die für die Messungen exemplarisch ausgewählten zehn Plätze waren auf dem Unicampus über vier Gebäude verteilt. Gemessen wurde jeweils unter Volllastsendebetrieb der WLAN-Karten. Die dabei gefundenen Messwerte geben nur ungefähre Anhaltspunkte zu der Größenordnung, in der Belastungen konkret liegen können. Da bei der Funkausbreitung in geschlossenen Räumen neben der Entfernung von der Quelle auch Reflexion und Dämpfung auf die Höhe des Messwertes einen deutlichen Einfluss haben können, lässt sich vor allem bei etwas weiträumiger arbeitenden Funktechniken wie WLAN Gewissheit über die tatsächliche Belastung eigentlich nur durch ständige Messungen jeweils genau am interessierenden Ort erlangen – auch vorbeigehende Personen oder eine zufällig in der Nähe stehende metallene Thermoskanne beeinflussen das Feld.


Messungen bei Access-Points
Abtand des Messpunkts zum Access-Point (freie Sicht) [m]IEEE 802.11b [mW/m2]IEEE 802.11g [mW/m2]
1,07,44,1
1,51,60,9
2,01,40,9
2,52,20,3
3,01,90,7
alle Messungen auf dem Unicampus Bremen
maximale Messwerte inklusive einem Sicherheitsaufschlag von 6 Dezibel
Grenzwert-Empfehlung nach ICNIRP: 10 000 mW/m2, nach Ecolog-Institut: 10 mW/m2

Mit einem Sicherheitsaufschlag von 6 Dezibel auf den höchsten gefundenen Wert, sodass die in den Tabellen angegebenen Leistungsflussdichten (siehe Kasten) jeweils dem Vierfachen des gemessenen Maximalwertes entsprechen, versucht das nova-Institut diese Schwankungen zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Instituts wäre damit auch eine in anderen Umgebungen auftretende Strahlungsbelastung durch die verwendeten Karten und Access Points mit Sicherheit nicht höher als die angegebenen Werte – was nach unseren Messerfahrungen eine etwas gewagte Aussage ist.

Vergleicht man die an der Universität Bremen gefundenen Werte mit den im Kasten Grenzbereiche erläuterten Grenz- und Vorsorgewerten, so zeigt sich aber, dass die Messwerte so weit unter dem von der ICNIRP für diesen Frequenzbereich empfohlenen Grenzwert von 10 W/m2 oder 10 000 mW/m2 bleiben, dass selbst unter ungünstigsten Bedingungen auch mit anderen Karten oder Access Points ein Überschreiten dieser Grenzwerte höchst unwahrscheinlich sein sollte.


Messungen bei notebook-WLAN-Karten
Abstand von der WLAN-Karte [cm]Karte nach IEEE 802.11b (2,4 GHz), Messung 2001 [mW/cm2]Karte nach IEEE 802.11g (2,4 GHz), Messung 2004 [mW/cm2]Karte nach IEEE 802.11a (2,4 GHz), Messung 2004 [mW/cm2]
1501,6
801,3
603,20,31,0
400,90,7
304,04,10,6
201306,31,8
alle Messungen auf dem Unicampus Bremen
maximale Messwerte inklusive einem Sicherheitsaufschlag von 6 Dezibel
Grenzwert-Empfehlung nach ICNIRP: 10 000 mW/m2, nach Ecolog-Institut: 10 mW/m2

Nicht ganz so deutlich fällt das Ergebnis aus, wenn man beispielsweise den vom Ecolog-Institut vorgeschlagenen Vorsorgegrenzwert von 10 mW/m2 zum Vergleich heranzieht, aber auch in diesem Fall sind die eigentlichen Messwerte noch um etwa ein bis zwei Größenordnungen kleiner. Erst wenn man die in der Tabelle angegebenen, um einen Sicherheitsaufschlag für ungünstige Verhältnisse erhöhten Werte betrachtet, erreichen sowohl die in der Nähe der Karten gemessenen Belastungen als auch die in der Nähe von Access Points gemessenen Werte annähernd die gleiche Größenordnung wie der vorgeschlagene Vorsorgegrenzwert.

Der verwendete WLAN-Standard spielte keine große Rolle: Tendenziell fielen die Messwerte aber bei Karten und Access Points der neueren Versionen nach IEEE 802.11g und 802.11a noch etwas niedriger aus als bei dem 802.11b-Equipment.

Summarisch gesehen

Um die Belastungen durch das WLAN-Netz mit der vor Ort vorhandenen Gesamtbelastung vergleichen zu können, führte das nova-Institut an drei der ausgewählten Messpunkte auch noch Übersichtsmessungen über den Frequenzbereich von 50 MHz bis 3 GHz durch. Diese zeigten noch einmal deutlich, dass die Zusammensetzung der Belastung durch unterschiedliche Funkquellen stark von den örtlichen Gegebenheiten abhängen: Insgesamt erwiesen sich auf dem Bremer Unicampus neben dem WLAN-Netz der Ton-Rundfunk (UKW), der Mobilfunk mit dem D- und dem E-Netz sowie Fernsehsender (UHF) in dieser Reihenfolge als wesentliche Verursacher der Gesamtbelastung im gemessenen Frequenzbereich. Welche Technik die jeweils höchste Belastung ausmacht, war allerdings je nach Messpunkt sehr unterschiedlich – und kann an anderen Standorten je nach Entfernung von den jeweiligen Sendern natürlich noch ganz anders ausfallen.

Ohne die konkrete Belastungssituation zu messen, bleibt es daher schwierig, gezielter vorzusorgen als nach dem für das Mobiltelefon propagierten Ansatz "so selten, kurz und körperfern wie möglich". Die häufig gegebene zusätzliche Empfehlung, Antennen, Access Points oder Basisstationen möglichst durch Wände abzuschirmen, was tendenziell umso besser funktioniert, je höher die Frequenz des Senders ist, macht nur für Unbeteiligte Sinn. Für den Nutzer ist nicht nur beim mobilen Telefonieren, sondern auch mit dem Notebook auf dem Schoß eine möglichst ungestörte und schnelle Verbindung auch unter Vorsorgegesichtspunkten das Maß der Dinge.


Messungen der Gesamtbelastung
MesspunktUKW [mW/m2]UHF [mW/m2]D-Netz [mW/m2]E-Netz [mW/m2]WLAN [mW/m2]Summe [mW/m2]
10,0370,0090,080,0212,532,7
40,650,0330,330,0160,321,35
100,0080,0010,110,0140,0040,14
alle Messungen auf dem Unicampus Bremen
maximale Messwerte inklusive einem Sicherheitsaufschlag von 6 Dezibel
Grenzwert-Empfehlung nach ICNIRP: 10 000 mW/m2, nach Ecolog-Institut: 10 mW/m2

Hinweise, wie sich denn eigentlich mehrere gleichzeitig einwirkende Quellen unterschiedlicher Frequenz auf den Körper auswirken, können allerdings auch solche Messungen wie die auf dem Unicampus nicht liefern. Auch die BfS-Broschüre gibt zum Stichwort Mehrfachbelastung keine Erläuterungen. Das Bundesamt steht allerdings keineswegs allein mit seiner Zurückhaltung bei dieser Frage. Aus der Forschung fehlen hierzu bisher nicht nur klare Antworten – solange nicht einmal die Einzelbelastungen eindeutig bewertet werden können, wird diese Frage nicht einmal gestellt. (anm)

Literatur
[1]Angela Meyer, Ausgang offen, Forschungsergebnisse zu Gesundheitsgefährdungen durch Elektrosmog, www.heise.de/mobil/artikel/54843
[2]BfS-Broschüre Strahlung und Strahlenschutz, www.bfs.de/bfs/druck/broschueren/str_u_strschutz.html


Grenzbereiche
Basis der meisten Grenzwerte sind die von der Internationalen Kommission zum Schutz vor nicht ionisierender Strahlung (ICNIRP) empfohlenen Werte für die spezifische Absorptionsrate (SAR). Die SAR-Werte geben die vom Körper aufgenommene Leistung in Watt pro Kilogramm (W/kg) an. Sie sind so gewählt, dass ihre Einhaltung sicher vor den wissenschaftlich nachgewiesenen gesundheitlichen Gefährdungen durch die Umwandlung der hochfrequenten Energie elektromagnetischer Felder in Körperwärme schützt. Im Bereich von 100 kHz bis 10 GHz gilt als Grenzwert für eine Belastung des ganzen Körpers der SAR-Wert 0,08 W/kg. Werden nur Teile des Körpers erreicht, so gilt für Kopf und Rumpf der SAR-Wert 2 W/kg und für die Gliedmaßen 4 W/kg.

Etliche Staaten haben von diesen Werten ihre verbindlichen Grenzwerte abgeleitet, die sie wegen der einfacheren Messbarkeit in der Regel als elektrische oder magnetische Feldstärke in V/m oder A/m beziehungsweise als Leistungsflussdichte in W/m2 angeben. Allerdings muss bei dieser Umrechnung wegen der Frequenzabhängigkeit der Absorption teilweise auch die Frequenz rechnerisch mit berücksichtigt werden, sodass die aus den ICNIRP-Empfehlungen abgeleiteten Ganzkörperwerte beispielsweise für die Leistungsflussdichte zwischen 400 MHz und 2 GHz von 2 W/m2 auf 10 W/m2 oder 10 000 mW/m2 ansteigen. Diese beiden Eckwerte gelten jeweils bis hinunter zu 10 MHz beziehungsweise weiter hoch bis 300 GHz.

Auch die Grenzwerte, die die Bundesregierung mit der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) für ortsfeste Sendeanlagen mit einer Sendeleistung von mehr als 10 W EIRP (Equivalent Isotropic Radiated Power, Senderausgangsleistung plus Antennengewinn) rechtlich festgelegt hat, beziehen sich auf die ICNIRP-Empfehlungen. Manchen Ländern reichen diese nicht aus: Die Schweiz und Italien haben sich ebenso wie Russland und China für deutlich niedrigere Grenzwerte entschieden, die für den Fall einer Dauerbelastung um die 0,1 W/m2 liegen.

Kritikern erscheinen auch diese Werte noch zu hoch: So hält das Ecolog-Institut einen Vorsorgegrenzwert von 10 mW/m2 für sinnvoller, während Baubiologen und Bürgerinitiativen Grenzwerte im µW/m2-Bereich fordern.