Branding ade
Wie der PC profitieren Handys und Smartphones von Flexibilität und Funktionsreichtum per Software. Doch nirgendwo in der Elektronikbranche handhaben die Hersteller Software-Updates so restriktiv wie beim Handy.
- Rudolf Opitz
Mit Adressbuch und Terminplaner, Kamera oder MP3-Player ist das Handy von heute ein kleiner Computer. Wie der PC profitiert es von Flexibilität und Funktionsreichtum per Software, leidet aber auch unter den damit einhergehenden Fehlern. Doch nirgendwo in der Elektronikbranche handhaben die Hersteller Software-Updates so restriktiv wie beim Handy – und treiben ihre Kundschaft förmlich in die illegale Selbsthilfe.
Das PC-BIOS ist buggy oder veraltet? Kein Problem, da steht längst ein neues zum Download auf der Website des Boardherstellers – mit Tool und Anleitung für ein sicheres Update. Ihr DVD-Brenner kennt die neuesten Rohlinge nicht? Ihr DVB-C-Receiver findet Kanäle nicht? Auch hier wartet neue Firmware längst auf den Download.
Warum soll das bei Handys nicht ebenso einfach gehen? Gründe für regelmäßige Updates gibt es nämlich jede Menge. Neben der reinen Fehlerbehebung konnten wir zum Beispiel diverse Verbesserungen feststellen, die ausschließlich jüngerer Firmware zu verdanken waren:
Die Menüs reagieren schneller, der Mediaplayer spielt Videoclips mit weniger Geruckel ab oder unterbricht eine MP3-Wiedergabe nicht mehr, wenn man gleichzeitig andere Handyfunktionen nutzt; die Datenverbindung via GPRS oder UMTS läuft stabiler und liefert höhere Datenraten; Bluetooth koppelt schneller an die Autofreisprecheinrichtung oder das Funk-Headset. Das Fotohandy Nokia 6230i präsentierte zum Beispiel seine Bilder nach einer Software-Aktualisierung mit kräftigeren Farben und besserem Kontrast, wenn auch mit moderat stärkerem Rauschen.
Drei Variationen, ein Handy: Das Sony Ericsson K600i (links) gibt es auch in der Vodafone-Version V600i (mitte) und als K608i (rechts) in einer Version für T-Mobile.
Zur Firmware der Handys und Smartphones gehören nicht nur das eigentliche Betriebssystem, sondern auch Ländereinstellungen mit den dazugehörigen Sprachpaketen und Anwendungen wie Terminkalender, Bildbearbeitung oder MP3-Player. Die Firmware liegt in einem wiederbeschreibbaren Flash-Speicher, wo sie sich im Prinzip ohne großen Aufwand gegen eine andere Version ersetzen lässt. Dennoch wird längst nicht jedem Handykunden gestattet, sich die Neuerungen legal in Eigenregie nutzbar zu machen.
Gebrandmarkt
Viele Nutzer stören sich an der zum Teil penetranten Eigenwerbung der Netzprovider auf den Mobiltelefonen, dem so genannten Branding. Voreingestellte Hintergrundbilder und Klingeltöne sollen dem Kunden verdeutlichen, dass er nicht nur mit etwa einem Nokia-, sondern auch mit einem T-Mobile- oder Vodafone-Handy telefoniert. Große Provider ordern gar exklusive Modelle mit geändertem Gehäusedesign, angepasster Firmware und neuer Typenbezeichnung: So gibt es beispielsweise das Sony-Ericsson-Handy K600i auch als V600i von Vodafone und als K608i in einer T-Mobile-Variante. Abgesehen vom Gehäuse unterscheiden sich die Modelle nur im Betriebssystem; mit anderer Firmware verwandelt sich folglich ein V600i "innerlich" in ein K600i.
Weit ärgerlicher als Werbe-Logos oder -Klingeltöne sind vorbelegte Funktionstasten, die ohne Rückfrage eine kostenpflichtige WAP-Verbindung aufbauen. Auch in den Menüs der gebrandeten Handys lauern solche Kostenfallen, zum Beispiel in der Klingelton- oder Bilderauswahl: Der Menüpunkt "weitere Bilder" führt dann nicht etwa in ein Untermenü, sondern direkt aufs WAP-Portal des Anbieters, wo man weitere Bildchen und Töne für 2,49 Euro das Stück herunterladen kann.
Um zu verhindern, dass der Benutzer selbst erstellte Klingeltöne im MP3-Format direkt aufs Mobiltelefon überspielt, fehlen bei einigen Handys mit Branding sogar die nötigen Bluetooth-Profile [1]. Zwar lassen sich die Kostenfallen bei vielen Handys umgehen, indem man ein neues Verbindungsprofil mit fehlerhaften Zugangsdaten anlegt oder den GPRS-Dienst netzseitig sperrt, doch funktioniert danach auch der MMS-Versand nicht mehr. Wer also das komplette Provider-Branding samt Einschalt-Jingle und vorbelegten Tasten wirklich loswerden will, braucht eigentlich eine ungebrandete Firmware.
Updates fürs Handy
Wo und wie man eine aktuelle Firmware für sein Mobiltelefon bekommt, hängt vom Hersteller ab. Während der Garantiezeit führen sie Firmware-Updates kostenfrei durch, so man einen Software-bedingten Fehler nachweisen kann. Wenn das Handy dazu eingeschickt werden muss, ist es der Kunde in der Regel für rund zwei Wochen los – ein Unding. Einige Hersteller wie Nokia, Siemens oder Sony Ericsson betreiben Servicestellen, die vor Ort die Firmware aktualisieren. Je nach Auslastung muss man zwischen einer halben Stunde und einem Tag auf sein Handy warten.
Nur Siemens bot bereits 2002 eine Firmware für das S45 zum kostenfreien Herunterladen an [2]. Für den eigentlichen Flashvorgang brauchte man nur ein serielles Kabel. Heute stellen außer BenQ-Siemens immerhin Motorola und Sony Ericsson aktuelle Firmware-Versionen übers Internet bereit (siehe Literaturverzeichnis). Nokia bietet in Großbritannien zurzeit versuchsweise Firmware für einige Smartphones im Web an. Vor Jahresende soll der Dienst offiziell starten. Solange verweist man auf die Servicestellen, die jedoch nur in der Garantiezeit kostenfrei tätig werden und andernfalls bis zu 70 Euro kassieren. Samsung bietet überhaupt keinen Firmware-Service an. Man habe die Software der Handys ausreichend auf Fehlerfreiheit getestet, daher gebe es keinen Grund für ein Software-Update. Im Garantiefall wird das komplette Gerät getauscht.
Die Flasher-Tools für Siemens-Handys arbeiten mit den meisten preiswerten No-Name-Kabeln, nicht jedoch mit dem Original-RS-232-Kabel des Herstellers (rechts) zusammen.
Bei BenQ-Siemens, Motorola- oder Sony-Ericsson benötigt man ein spezielles USB-Kabel für das Update. Während Motorola und BenQ-Siemens die Firmware samt Flash-Software als Paket zum Herunterladen anbieten, stellen Sony Ericsson und Nokia nur einen Update-Client bereit, der die passende Firmware erst während des eigentlichen Update-Vorgangs übers Internet lädt.
Einige Modelle von BenQ-Siemens und Sony Ericsson lassen sich direkt über das Mobilfunknetz (OTA, Over The Air) aktualisieren. Aktiviert man die OTA-Option im Einstellungsmenü, baut das Handy via GPRS oder UMTS eine Verbindung mit dem Update-Server des Herstellers auf und lädt die neue Firmware direkt in den Speicher. Nokia testet das OTA-Update zurzeit ebenfalls. Da ein Firmware-Update mehrere Megabyte umfassen kann, sollte man jedoch mit dem Netzbetreiber einen Datenvertrag mit großem Inklusivvolumen, am besten mit einer Flatrate, abgeschlossen haben, sonst kommt das Update per Funk teuer zu stehen.
Informationen zu verfügbaren Updates stehen auf den Herstellerseiten, aber auch in den zahlreichen Mobilfunkforen. Die bisherige Firmware-Version verrät das Handy meist nach Eingabe eines Codes oder im Einstellungen-Menü (siehe Tabelle). BenQ-Siemens und Sony Ericsson stellen aktuelle Firmwares mittlerweile für die meisten Modelle bereit, bei Motorola findet man bislang nur Updates für das Razr V3 und das Slvr L7.
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Bei einem offiziellen Firmware-Update bleibt das Branding des Netzbetreibers bestehen. Die Servicestellen und die Online-Dienste aktualisieren nur die jeweils im Gerät vorgefundenen Versionen der Firmware. Im Internet findet man jedoch Anbieter wie entbranden.de, erido.de oder handy-experte.de, die je nach Modell für 10 bis 30 Euro auch die Original-Firmware ohne Provider-spezifische Änderungen ins eingeschickte Handy flashen.
Diese Dienste sind allgemein vom Hersteller oder Provider nicht autorisiert. Daher muss man mit dem Verlust der Garantieansprüche rechnen. entbranden.de bietet daher an, solche Garantieleistungen zu übernehmen. Je nach Vorgehen der Entbrander kann es auch rechtliche Bedenken geben, etwa was das Urheberrecht an der verwendeten Firmware betrifft (siehe Kasten "Rechtliches zu Eingriffen ins Handy"). Viele der Serviceanbieter arbeiten daher in einer rechtlichen Grauzone. Bislang verhalten sich Hersteller und Provider abwartend und dulden das Entbranden stillschweigend.
Hacker-Methoden
Wie wichtig vielen Zeitgenossen ihr Handy ist, demonstriert am anschaulichsten die Goldgrube "Klingeltöne". Doch Kultobjekte ziehen Subkulturen nach sich, und wo sich die Handyhersteller sperrig anstellen, greift die Fangemeinde zur Selbsthilfe. Dass die auch bei großzügiger Betrachtung rechtlich äußerst fragwürdig ist, dürfte klar sein.
Das Internet quillt förmlich über an Quellen mit mehr oder weniger aktuellen Firmware-Versionen inklusive der nötigen PC-Software, um sein Handy selbst zu aktualisieren. Dazu ist bei älteren Modellen nur ein einfaches Datenkabel für wenige Euro nötig, neuere Handys und Smartphones benötigen in der Regel eine so genannte Flash-Box, die je nach Ausstattung mehrere hundert Euro kosten kann – dafür kauft sich der Privatanwender lieber ein brandneues Handy.
Eine Flash-Box enthält einen Mikrocontroller, der die Kommunikation mit der Serviceschnittstelle des Handys übernimmt.
Viele der Tools entfernen auch SIM- und Net-Locks, wie wir bei unseren Nachforschungen feststellen durften. Das sind von den Providern eingerichtete Sperren im Handy, die verhindern, dass der Kunde mit einer anderen als der mitgelieferten SIM-Karte (SIM-Lock) oder mit einer Karte für ein anderes Funknetz (Net-Lock) telefonieren kann. Bei Handys aus Prepaid-Paketen sind diese Sperren seit langem üblich, bei Vertragshandys kommen sie gerade in Mode. Ein Net-Lock lässt sich ganz legal durch Eingabe eines Codes entfernen. Den rückt der Provider in den ersten zwei Jahren aber erst nach einer Ausgleichszahlung für die Handysubvention von rund 100 Euro heraus; danach erhält man den Code üblicherweise auf Anfrage gratis.
Hacker-Tools hebeln nicht nur solche Sperren aus, mit etlichen lässt sich sogar die weltweit einzigartige Seriennummer IMEI (International Mobile Station Equipment Identity) ändern. Hier geht es dann aber nicht mehr um rechtliche Grauzonen, sondern um einen strafrechtlich relevanten Tatbestand vom Kaliber "Urkundenfälschung".
Die meisten Handynutzer, die sich der Handy-Flasher-Gemeinde anschließen, wollen dagegen nur eine aktuelle, fehler-, werbe- und kostenfallenfreie Firmware. Restriktives Verhalten der Hersteller und aggressives Branding der Provider sorgen jedoch dafür, dass ihre technikinteressierten Kunden selber Hand anlegen und erst dadurch entdecken, was noch so alles geht: So reichen wir die Frage, wieso die Hersteller eine urkundlich-relevante Angabe wie die IMEI überhaupt in einem Bereich ablegen dürfen, den jeder technisch Versierte ändern kann, einfach an die Juristen zum Bebrüten weiter. (rop)
Literatur
[1] Rudolf Opitz, Mobilfunk-Königsklasse, UMTS-Handys und-Smartphones, www.heise.de/mobil/artikel/62452 |
[2] Murat Özkilic, Rudolf Opitz, Andre Wussow, Grau oder teuer, Firmware-Updates bei Handys, c't 16/02, S. 160 |
[3] BenQ-Siemens Firmware-Updates für Handys |
[4] Motorola Handy-Update-Seite |
[5] Sony Ericsson Update-Client (Aktualisierungsservice) |
[6] Nokia Firmware-Update-Test (Großbritannien) |
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