IPv6: Das Mega-Netz

Seite 4: Adressumstellung

Inhaltsverzeichnis

Das in der Praxis größte Problem für den kompletten Umstieg, Adressumstellungen im laufenden Betrieb, schafft IPv6 dank Renumbering aus der Welt. Die Routing-Tabellen dürften dadurch deutlich verkleinert werden, denn bei den IPv4-Routing-Tabellen gibt es fragmentierte Adressbereiche: So kann der Gesamtbereich XY einem Provider gehören, aber der darin liegende Unterbereich Z einem ehemaligen Kunden, der zu einem anderen ISP umgezogen ist.

Teilte man solche Bereiche auf, wären sie nicht mehr als Aggregat durch eine Route zusammenfassbar und die weltweite Routing-Tabelle würde explodieren. Das vermeidet das Renumbering von IPv6, und Kunden, die mit ganzen Firmennetzen den Provider wechseln wollen, können den Schritt wagen, weil der Aufwand deutlich kleiner ist.

Wechseln die Kunden zugleich von IPv4 auf IPv6, gewährleisten verschiedene LAN- und Internet-Verfahren den schmerzfreien Übergang. Der Wechsel zu IPv6 beginnt im LAN. Dort gibt es grundsätzlich Geräte, die auf Layer 1 (etwa Hubs), auf Layer 2 (Switches) und auf Layer 3 (Router) aufsetzen. Layer-1-Geräte sind für IPv6 transparent, weshalb für diese keine Anpassung erforderlich ist. Layer-2-Devices wie Switches müssen Multicast beherrschen. Das ist bei allen modernen Switches der Fall.

Wenn man sich auf LANs beschränkt, dann markieren die Layer-3-Geräte (Router) im Heimbereich meist die Grenze des eigenen Netzes und sind daher für das Weiterleiten von IPv6-Verkehr zunächst nicht wichtig. Man kann also heute im LAN prima mit IPv6 arbeiten. Will man das LAN per IPv6 ans Internet anbinden, sieht es im Heimbereich routerseitig recht düster aus. Doch mit zwei LAN-Karten kann man PCs zu Routern aufrüsten: eine für die PPPoE-Verbindung zum IPv6-Provider und eine für die Anbindung des LAN. Linux-basierte Router-Distributionen können dann die IPv6-Fähigkeiten des Kernels zur Verfügung stellen.

Die verbreiteten PC-Betriebssysteme sind für einen nahtlosen Umstieg auf IPv6 gerüstet. Dafür haben Linux, Mac OS X oder auch Windows Dual Stacks, mit denen sie IPv6 und IPv4 gleichzeitig beherrschen (RFC 4213). Bei Windows Vista ist IPv6 von Haus aus aktiviert und nicht wie beim Vorgänger XP lediglich mitgeliefert. Mit Vista ausgerüstete PCs greifen auf Netzwerkdienste wo immer möglich, also automatisch via IPv6, zu.

Um die zurzeit nur inselartige Ausbreitung von IPv6 zu stützen, also IPv6-Verkehr über die IPv4-Infrastruktur hinweg zu ermöglichen, gibt es mehrere Techniken. Man kann relativ leicht mit ein paar statischen Tunneln IPv6-Inseln über das Internet verbinden. Das hat zum Beispiel das 6BONE-Projekt demonstriert, das nach erfolgreicher Testphase Mitte 2006 abgeschaltet worden ist.

Bei 6over4 tauschen zwei IPv6-Hosts Daten über einen per Multicast aufgebauten Tunnel durch das IPv4-Netz aus. Damit das auch mit dynamischen IPv4-Adressen funktioniert, hat das Centro Studi e Laboratori Telecomunicazioni (CSELT) Tunnel-Broker erfunden, bei denen man nach dem Einwählen automatisch seinen Tunnel aktivieren kann. Via 6to4 können zwei IPv6-Hosts Daten in IPv4-Pakete enkapsulieren und über das IPv4-Netz austauschen. Teredo, eine Technik, die in Vista eingebaut ist, tunnelt IPv6-Verkehr via UDP durch NAT-Router. Weiterführende Informationen zu diesen und anderen Transitionsverfahren gibt es zum Beispiel beim IPv6-Dienst Six Access.

Für die meisten Anwender wird IPv6 trotz der Implementation auf ihren PCs zunächst wohl nur im Verborgenen wirken. Mac OS X oder auch Vista bringen dafür gar keine zusätzlichen grafischen User-Interfaces mit, IPv6 werkelt dort von Haus aus im Autopilotmodus und ermöglicht zumindest ansatzweise Surfen ohne Benutzereingriffe.

Im Bunde mit den verschiedenen Transitionsmechanismen dürfte vor allem Vista erheblichen Auftrieb verschaffen. Einen ersten Schub gab es bereits, als IPv6 in Japan und Süd-Korea eingeführt wurde. Ab 2008 wird es auch für die Backbones in den USA Pflicht, was wohl den entscheidenden Dominostein zugunsten von IPv6 umstoßen dürfte. Erste IPv6-Router als fertige Boxen für den Privatanwender dürften dann nicht lange auf sich warten lassen. (je) ()