​Lahmen Smartphones Beine machen ​

Mit den richtigen Einstellungen und genügsamen Apps bekommt man so manches alte Smartphone wieder flott.

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​Lahmen Smartphones Beine machen ​
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Spätestens nach zwei Jahren Nutzung zeigt das Smartphone die ersten Anzeichen der Altersschwäche. Mindestens im direkten Vergleich mit der jungen Konkurrenz, die voll im Saft steht, will man die eigene alte Schindmähre lieber auf dem Gnadenhof denn an der eigenen Seite wissen. Die Hersteller tragen ihren Teil bei – mit immer tolleren Versprechungen für die neuen Modelle und stiefmütterlicher Pflege ihrer älteren Geschwister. Doch auch für diese besteht Hoffnung, mit den richtigen Einstellungen und abgespeckten Apps macht man so manches Smartphone wieder flott.

Bei Einsteigersmartphones stellt schon der normale Betrieb die schwachbrüstige Hardware bisweilen vor Herausforderungen. Da ruckelt mal das Video, mal legt das Gerät beim Start von Apps mehrere Gedenksekunden ein oder es kneift der schmale Speicher. Einige Verzögerungen lassen sich minimieren.

Zuerst geht es den Performance-Problemen an der Kragen. Erster Schritt: Verzichten Sie auf aufwendige Designeffekte bei der Anordnung von Apps auf dem Display und für den Start- oder Sperrbildschirm. Ebenso sind Live-Hintergründe Schwerarbeit fürs Smartphone. Streng genommen reicht ja auch ein monochromer Hintergrund.

Übergangseffekte und Animationen können Sie über die Entwickleroptionen eingrenzen oder ganz ausschalten: Suchen Sie dazu im Menü „Einstellungen“ nach ­„Entwickleroptionen“. Sind die Entwickleroptionen bei Ihnen noch nicht freigeschaltet, tippen Sie dazu zuerst auf „Telefoninfo“, dann sieben Mal auf den Eintrag „Build-­Nummer“ und dann den Zurück-­Button. Suchen Sie das neue Menü „Entwickleroptionen“ und darin die Einträge „Animatorzeit“ und „Übergangsanimation“. Stellen Sie dort einen kleineren Wert ein. Möglich, aber optisch nicht schön: Sie können die Animation auch ganz abdrehen.

In den Entwickleroptionen findet sich auch der Punkt „Hintergrundprozess­limit“, der mit Vorsicht zu genießen ist. Bei sehr wenig Arbeitsspeicher begrenzt er auf Wunsch die Zahl der Prozesse, welche beispielsweise für das Pushen von Nachrichten auch dann ablaufen, wenn man die betreffende App gerade nicht nutzt. Das mag einigen Apps etwas mehr RAM verschaffen, doch sollte man nicht vergessen, diese Schraube wieder auf den Standardwert zurückzudrehen, damit das Smartphone noch ordnungsgemäß funktioniert.

Generell ist es immer – selbst bei neuen Geräten – eine gute Idee, sie erstmal auszumisten und so Ballast abzuwerfen. Recht einfach geht das mit der Google-App „Files“ beziehungsweise der schlankeren Version „Files Go“. Damit können Sie nach überflüssigen Dateien und Installationsresten suchen, überbordende Medienordner etwa für WhatsApp oder andere Messenger bereinigen.

Ein für alte Androidversionen (vor 9) noch sinnvoller Tipp war, gelegentlich mal den App-Cache zu leeren. Davon sollten Sie bei Smartphones mit neuerem Betriebssystem Abstand nehmen, denn das kann Android mittlerweile allein besser als mit Ihrer Hilfe.

Sollten ein knapper Gerätespeicher Platzprobleme verursachen oder sie erahnen lassen, können Sie gegensteuern, indem Sie große Dateien, etwa Fotos und Videos alsbald in die Cloud Ihrer Wahl verschieben und nur das Allernötigste auf dem Gerät selbst speichern. Alternativ könnte zumindest bei einigen Geräten das Auslagern auf eine MicroSD-Karte das Problem entschärfen.

Überflüssige Apps zu deinstallieren, versteht sich von selbst – entweder auch per Files-App oder in der normalen App-­Verwaltung. Einige vorinstallierte Apps können Sie nur deaktivieren – damit verhindern Sie, dass die App Systemlast erzeugt, was in diesem Fall schon reicht. Sie könnten die App zwar mit etwas Glück per adb-Trick deinstallieren, doch das bringt Ihnen keinen nutzbaren Speicherplatz, sondern räumt nur Platz auf einer nicht nutzbaren Systempartition frei. Der Trick lohnt sich höchstens, wenn sich die App nicht deaktivieren lässt.

Oft hört man den Tipp, ein CustomROM zu installieren, beispielsweise Line­ageOS. Doch das bringt nur bei wenigen Geräten einen Vorteil. Die meisten CustomROMs nutzen die gleiche Speicheraufteilung, sodass Ihnen nach der Installation kaum mehr Speicher für Apps und Daten zur Verfügung steht als vorher – sofern Sie alle überflüssigen Apps deinstallieren oder deaktivieren. Nur wenige CustomROMs ändern die Partitionsgrößen, und noch seltener erzielen Sie dadurch einen relevanten Vorteil. Manche CustomROMs laufen flüssiger als das Original, aber auch hier erzielen Sie im Allgemeinen das gleiche Ergebnis, wenn Sie Überflüssiges run­terschmeißen oder deaktivieren und obige Einstellungen vornehmen.

Die Facebook-App ist als notorischer Speicherfresser bekannt. Einen schlankeren Zugriff bietet die App Facebook Lite, die nur 1,6 MByte belegt. Google wiederum hat eine Reihe von Apps, die den Zusatz „Go“ tragen. Google Maps zum Beispiel benötigt als App 34,4 MByte, als Go-­Variante nur 123 KByte. Letztere läuft allerdings vollständig als sogenannte Web-App, wird also im Chrome-Browser des Smartphones ausgeführt. Andere Go-Varianten wären noch Gallery Go (8 MByte) und Google Go (7,2 MByte). Nicht in Deutschland erhältlich ist hingegen Google Mail Go.

Die Go-Variante von Google Maps spart erheblich Speicherplatz, läuft dafür aber nur im Browser.

Ähnlich wie Google seine Maps auch im Browser laufen lässt, kann man das vielfach mit anderen Apps machen, die vom Grundsatz her nur Abbilder von Webangeboten sind: Am einfachsten ruft man die betreffende Webseite auf und wählt im Optionen-Menü den Punkt „Zum Startbildschirm hinzufügen“. Solcherart gespeicherte Web-Apps funktionieren natürlich nur mit Internetanbindung. Apps, die sich auf ihre Hauptaufgabe beschränken und ihre Rechentalente nicht dafür verschwenden, Nutzerdaten heimlich an fremde Server zu senden, findet man unter anderem im App Store F-Droid.

Einige Apps aktualisieren ihre Daten im Hintergrund und sollen auch genau das tun – WhatsApp und andere Messenger beispielsweise. Aber muss jede Mail aufploppen, jedes Facebook-Update, jedes Twitter-Gezwitscher, jede drohende Regenwolke, jede News? Die Hintergrund-­Aktivitäten auszuschalten nützt gleich mehrfach: Das spart nicht nur Traffic, Akku und Performance, sondern auch Ihre kostbare Zeit und Aufmerksamkeit. Sie können Anwendungen gezielt die Berechtigung entziehen, im Hintergrund aktiv zu bleiben (Einstellungen / Apps). Das hilft vor allem dann, wenn man die Benachrichtigungen nicht in den Apps selbst deaktivieren kann.

Sinnvoll ist es aber dennoch, die Apps einzeln aufzurufen und in deren Einstellungen nach abschaltbaren Hintergrundaktivitäten zu gucken. So gelingen Ihnen dann auch individuelle Feinheiten, um ­beispielsweise dienstliche Mails ständig zu bekommen, private aber nur alle paar Stunden – oder genau anders herum.

Illusionen sollten Sie sich nicht hingeben: Sie werden Ihr Einsteigersmartphone auf seine alten Tage nicht in einen Sprintstar verzaubern. Doch nach dem Umsetzen der beschriebenen Maßnahmen spult es auf der Langstrecke noch einige Kilometer ab.


Dieser Artikel stammt aus c't 9/2020. (mil)