Meditatives Bastelprojekt: Der Zeitlupenrahmen
Im Inneren dieses Rahmens scheint die Zeit auf Schneckentempo gebremst: Federn, Blumen oder Blätter führen darin Zeitlupentänze auf, magisch und entspannend.
- Ulrich Schmerold
Als ich an einem langweiligen Samstagnachmittag auf YouTube das Video Slow Dance von Jeff Liebermann entdeckte, konnte ich kaum glauben, was ich dort zu sehen bekam: Pflanzenblätter, Vogelfedern oder Blumen vollführten filigrane Bewegungen wie in Zeitlupe – und das angeblich ohne jeglichen Videoeffekt. Da die Prinzipien, die dahinterstecken, sehr simpel sind und die dafür benötigten Zutaten in meinem Bastelmaterial vorrätig waren, hatte ich bereits nach einer knappen halben Stunde meinen Versuchsaufbau bewerkstelligt. Und tatsächlich: Es funktioniert – und wirkt live noch viel faszinierender als im Internetvideo.
Der Unternehmer Jeff Liebermann besitzt sagenhafte vier Abschlüsse am Massachusetts Institute of Technology (MIT) – in Mathematik, Physik, Robotik sowie Media Art & Design. Bereits als Doktorand beschäftigter er sich mit Zeitlupenaufnahmen. Als Hilfsmittel dienten ihm bald Hochgeschwindigkeitsstroboskope. Jeff Liebermann verbindet gekonnt Kunst, Musik, Bewegung und Licht zu beeindruckenden Designobjekten. Im August 2016 präsentierte er bei der Crowdfunding-Plattform Kickstarter seinen Bilderrahmen SlowDance und sammelte knapp 600 000 US-Dollar an Unterstützergeldern ein. Der Verkaufspreis für einen seiner besonderen Bilderrahmen liegt zurzeit bei rund 300 Dollar.
Wie bei vielen beeindruckenden Konstruktionen aus den vergangenen Make-Ausgaben – etwa der HDD-Clock, dem POV-Globus oder der Laserharfe, spielt auch beim Zeitlupenrahmen wieder die Nachbildwirkung (Persistence of Vision, POV) die entscheidende Rolle. Denn eigentlich bewegen sich die im Rahmen geschwenkten Gegenstände gar nicht wie in Zeitlupe. Ganz in Gegenteil: Elektromagneten bringen die schwingfähig aufgesteckten Objekte in eine etwa 65–100 Hertz schnelle Vibration.
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Das Kürzel POV (Persistence of Vision) steht für die Nachbildwirkung, die durch das mangelnde Auflösungsvermögen des menschlichen Auges entsteht. Ein Lichtreiz, der auf die Netzhaut fällt, wirkt auch nach dessen Abklingen noch nach. Folgen die Lichtreize in schneller Folge, so verschmelzen sie zu einem Bild oder einem kontinuierlichen Bewegungseindruck. Nach wie vor streiten sich die Wissenschaftler, welchen Anteil daran das Auge und welchen das Gehirn hat. Dieser Effekt ist unter anderem die Grundlage für Film und Fernsehen.
Das Geheimnis liegt in der LED-Beleuchtung: Der Zeitlupeneffekt kommt dadurch zustande, dass diese blinkt – und dass die Frequenz der LED-Beleuchtung zur Frequenz des Elektromagneten leicht verschoben wird. Bei jedem Magnetimpuls wird der Verschiebungsbetrag um einen kleinen Teil vergrößert (oder verkleinert). Dadurch sieht der Betrachter bei jedem Durchlauf eine andere Phase der Objektbewegung. Durch Vergrößern oder Verkleinern der Zeitspanne, die bei jedem Durchlauf dazu gezählt wird, wird die Zeitlupe scheinbar verlangsamt oder beschleunigt.
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