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Schnee und Eis gekonnt fotografieren 0 Kommentare

Sandra Petrowitz

Wer Eis und Schnee in Szene setzt, entdeckt eine Fülle von Motiven. Von Landschaftsaufnahmen bis zu winzigen Details, vom Spiel mit Licht und Schatten bis zu grafischen Studien, von Porträts bis zu Wintersport. Bildidee, Gestaltung und Aufnahmetechnik sind gleichermaßen entscheidend. Wir zeigen, wie besondere Winteraufnahmen gelingen.

Die fotografischen Themen in Schnee und Eis sind so vielfältig, dass für jeden etwas dabei sein dürfte: Weiße Landschaften, Atemwölkchen vor dem Gesicht, rote Nasen, ein Schneemann oder eine Schneeballschlacht, Eisblumen am Fenster, Winterwald, Rodeln, Stille, tief verschneite Nadelbäume, die Spitzen von der Schneelast gebogen, das orangerötliche Licht des Sonnenaufgangs, blaue Schatten, feine Eiskristallwirbel in der Luft, eine Kette schwarzer Zaunpfähle als Wegmarke inmitten weißer Hügel …

Eine sorgfältige Bildgestaltung ist bei Landschaftsaufnahmen im Schnee tendenziell noch wichtiger als zu anderen Jahreszeiten, in denen Farben dabei helfen, den Blick des Betrachters zu lenken. Insbesondere bei Weitwinkel-Fotos empfiehlt es sich (das gilt nicht nur im Winter), einen markanten Vordergrund ins Bild einzubauen, der den Betrachter in die Aufnahme hineinzieht und als Anker dient. Das kann eine tief verschneite Hütte sein, hinter der man eine Berglandschaft in Szene setzt, aber auch ein gelbes Grasbüschel, das mit seinen raureifbesetzten Blättern die morgendliche Kälte symbolisiert. Spuren im Schnee leiten ins Bild hinein oder aus ihm heraus, Schatten lassen sich nutzen, um andernfalls leere weiße Flächen zu füllen. Ein Weg, der ins Bild hineinführt, aber zum Beispiel auch ein tiefer Kamerastandpunkt über den Riffeln einer frisch präparierten Skipiste oder Langlaufloipe erzeugt Tiefe im Bild.

Auf der Zugspitze an einem klaren, kalten Wintermorgen: Das seitlich einfallende Licht sorgt für die deutliche Aufteilung in Hell und Dunkel und damit für die räumliche Wirkung. Ein Polfilter verstärkt die Kontraste - und den Nebel im Tal lässt man hier oben weit unter sich. <br />
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Nikon D70 mit AF-S-Nikkor 3.5-4.5/18-70 mm  37 mm  ISO unbekannt  f/16  1/400 s  Polfilter

Auf der Zugspitze an einem klaren, kalten Wintermorgen: Das seitlich einfallende Licht sorgt für die deutliche Aufteilung in Hell und Dunkel und damit für die räumliche Wirkung. Ein Polfilter verstärkt die Kontraste - und den Nebel im Tal lässt man hier oben weit unter sich. Nikon D70 mit AF-S-Nikkor 3.5-4.5/18-70 mm | 37 mm | ISO unbekannt | f/16 | 1/400 s | Polfilter

Bei trübem Wetter oder Schneefall leiden weiter entfernte Motive unter Schärfeverlust und Kontrastarmut — die Bilder wirken flau. In diesen Fällen ist es ratsam, sich auf näher gelegene Motive zu beschränken, etwa indem man Schneetreiben direkt vor einem nahe gelegenen dunklen Wald inszeniert. Umgekehrt liefert manch klarer, kalter Wintertag eine fantastische Fernsicht. Ein Polfilter hilft, das Himmelsblau noch zu verstärken und die Kontraste anzuheben. Man sollte es damit nicht übertreiben — die Maximalwirkung des Filters ist meist etwas zu plakativ.

Winter am Jochberg in Oberbayern: Der Wind hat den Schnee an der Wetterseite gegen die Baumstämme geweht. <br />
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Nikon D70 mit AF-S-Nikkor 3.5-4.5/18-70 mm  27 mm  ISO 200  f/5.0  1/100 s

Winter am Jochberg in Oberbayern: Der Wind hat den Schnee an der Wetterseite gegen die Baumstämme geweht. Nikon D70 mit AF-S-Nikkor 3.5-4.5/18-70 mm | 27 mm | ISO 200 | f/5.0 | 1/100 s

Kalte Schönheit: An einem eisigen Wintermorgen im Freisinger Moos tragen die Bäume fotogenen Raureif. <br />
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Nikon D70 mit AF-S-Nikkor 3.5-4.5/18-70 mm  40 mm  ISO unbekannt  f/9.0  1/200 s  Polfilter

Kalte Schönheit: An einem eisigen Wintermorgen im Freisinger Moos tragen die Bäume fotogenen Raureif. Nikon D70 mit AF-S-Nikkor 3.5-4.5/18-70 mm | 40 mm | ISO unbekannt | f/9.0 | 1/200 s | Polfilter

Schnee deckt zu, verhüllt, verschleiert. Die Spuren menschlicher Eingriffe in die Landschaft verblassen und verschwinden. Im dominierenden Weiß kommen Motive zur Geltung, an denen man im Sommer vielleicht achtlos vorbeigeht. Monochrome Eindrücke lösen die Farbigkeit ab. Das Fehlen der Farbe reduziert die Komplexität, stellt Fotografen aber vor andere Herausforderungen. In solchen Bildern bekommt die klassische Schwarzweiß-Bildgestaltung mit Hilfe von Linien, Kontrasten, Struktur und Textur mehr Bedeutung. Die Verästelung einer Baumkrone wird im Winter ganz anders sichtbar als im Sommer. Niedergedrückte Gräser oder dunkle Linien im Schnee fügen sich zu grafischen Mustern.

Das Licht- und Schattenspiel auf windverblasenem Schnee, subtile Unterschiede in der Helligkeit von Schneelandschaften, aber auch deren runde und harmonische Formen vor dunklerem Himmel lassen sich abstrakt in Szene setzen — es entstehen Impressionen in Weiß.

Inspirations-Tipp dazu: Der Fotograf Michael Kenna [1] ist ein Meister darin, Winterlandschaften minimalistisch abzubilden. Seine Winterbilder vor allem aus Japan sind Genuss und Anregung zugleich.

Reizvoll ist auch das bewusste Durchbrechen des Monochromen, das Spiel mit Farbtupfern im Weiß. Das kann farbige Kleidung sein, aber auch ein Schild, das aus dem Schnee ragt, oder das, was vom Herbst an der einen oder anderen Stelle noch übrig geblieben ist – zum Beispiel ein letztes Blatt oder eine einsame Hagebutte.

Kleiner Mensch in großem Weiß: Bergsteiger auf dem Weg zum Gipfel, Antarktische Halbinsel. Der eng gewählte Ausschnitt betont die grafischen Elemente im Bild. <br />
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Nikon D700 mit AF-S-Nikkor 4/500 mm  500 mm  ISO 400  f/5.6  1/3200 s

Kleiner Mensch in großem Weiß: Bergsteiger auf dem Weg zum Gipfel, Antarktische Halbinsel. Der eng gewählte Ausschnitt betont die grafischen Elemente im Bild. Nikon D700 mit AF-S-Nikkor 4/500 mm | 500 mm | ISO 400 | f/5.6 | 1/3200 s

Schnee ist erst einmal nichts weiter als eine weiße Fläche. Licht und Untergrund ergänzen die dritte Dimension. Seiten- oder Streiflicht bringt die Textur von Oberflächen besonders gut zur Geltung, weil es eine Licht- und eine Schattenseite erzeugt. Im Schnee werden Wellen, Rippen und Hügel bei seitlich einfallendem Licht deutlich, während man sie bei frontalem Licht (oder auch bei bedecktem Himmel) mitunter überhaupt nicht wahrnimmt. Der eigene Standpunkt in Relation zur Lichtquelle Sonne spielt also eine große Rolle — gehen Sie um ein Motiv erst einmal herum und beobachten Sie, wie der Lichteinfall die Formen modelliert. Hier gilt das Gleiche wie bei Sanddünen: Bitte vorher überlegen, wohin man den Fuß setzt — sonst stören die eigenen Tapsen womöglich nachher im Bild! Das gilt insbesondere dann, wenn man zu mehreren fotografiert; Absprachen sind in diesen Fällen unerlässlich.

Mittags sind die Schatten am kürzesten, in den Morgen- und Abendstunden dagegen wesentlich länger, weil die Sonne flacher über dem Horizont steht.

Bei Sonnenschein und wolkenlosem blauem Himmel ist Winterlicht häufig sehr knackig — gut für grafische Spielereien mit Licht und Schatten beziehungsweise hellen und dunklen Bildanteilen. Schnee bekommt im Schatten oft einen markanten Blaustich (siehe den ergänzenden Text zum Thema Weißabgleich), was ebenfalls ein spannendes Motiv sein kann, vor allem in Verbindung mit dem kontrastierenden Weiß von sonnenbeschienenem Schnee.

Eisberg-Detail als Studie zum Lichteinfall: Erst durch den Schatten, der die Formen im Eis herausarbeitet, entsteht Tiefe im Bild. <br />
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Nikon D300 mit AF-S-Nikkor 2.8/70-200 mm  225 mm  ISO 400  f/11  1/1600 s

Eisberg-Detail als Studie zum Lichteinfall: Erst durch den Schatten, der die Formen im Eis herausarbeitet, entsteht Tiefe im Bild. Nikon D300 mit AF-S-Nikkor 2.8/70-200 mm | 225 mm | ISO 400 | f/11 | 1/1600 s

Gegenlicht ist zwar nicht immer einfach zu handhaben, belohnt den Fotografen aber mit Eindrücken, die sich vom üblichen „Sonne im Rücken“-Bild deutlich unterscheiden. Silhouetten reduzieren bekannte Motive auf ihre Umrisse — je nach Motiv von leicht erkennbar (ein Baum, eine markante Kirche, Menschen …) bis hin zu rätselhaft. Alles, was Licht zumindest teilweise durchscheinen lässt, bekommt im Gegenlicht eine völlig neue Qualität: Schneegeflinsel, gefrostete Scheiben, die letzten Blätter an einem Zweig, der Raureif auf Gräsern …

Mit einem schönen Vordergrund und Gegenlicht bei klarem Himmel kann man mit einem Weitwinkel einen „Sonnenstern“ produzieren: Dazu baut man die Sonne mit ins Bild ein und schließt die Blende möglichst weit, damit die Sonne als Sternchen abgebildet wird. An die optimale Position der Sonne in Relation zum Hauptmotiv muss man sich herantasten; man kann das „Sonnensternchen“ zur Abwechslung auch mal zwischen verschneiten Ästen oder zwei nahe beieinander stehenden Baumstämmen hervorblitzen lassen, damit es nicht immer nur plakativ am blauen Himmel steht.

Vom Charme überfrorener ostgrönländischer Pfützen: Auf dem Bauch liegend konnte ich die Strukturen im Eis aus nächster Nähe fotografieren. Für die kühle, bläuliche Anmutung sind die Position des Motivs im Schatten und der Weißabgleich auf 5350 K maßgebend ? die Automatik hätte das Bild wesentlich wärmer abgestimmt. <br />
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Nikon 1 AW1 mit 1 Nikkor AW 3.5-5.6/11-27.5 mm  74 mm  ISO 400  f/5.6  1/125 s

Vom Charme überfrorener ostgrönländischer Pfützen: Auf dem Bauch liegend konnte ich die Strukturen im Eis aus nächster Nähe fotografieren. Für die kühle, bläuliche Anmutung sind die Position des Motivs im Schatten und der Weißabgleich auf 5350 K maßgebend – die Automatik hätte das Bild wesentlich wärmer abgestimmt. Nikon 1 AW1 mit 1 Nikkor AW 3.5-5.6/11-27.5 mm | 74 mm | ISO 400 | f/5.6 | 1/125 s

Bedeckter Himmel eignet sich der gleichmäßigen Ausleuchtung wegen gut für Porträtaufnahmen, aber auch für Details, bei denen ein zu starker Kontrast hinderlich wäre. Raureif auf Gräsern und Blättern ist ein Beispiel dafür, aber auch Eisränder an Gewässern. Bei direkter Sonneneinstrahlung besteht die Gefahr, dass das Spiel von Licht und Schatten vom eigentlichen Sujet ablenkt, weil die hellsten Anteile des Motivs überstrahlen, während die Schatten viel zu dunkel geraten. Bei Details kann man gegebenenfalls in den Schatten oder Halbschatten ausweichen. Bei Nebel entwickeln verschneite Wälder, aber auch Gewässer, Flussniederungen und Moore eine ganz eigene Stimmung. Die Ferne verschwindet, die Nähe bekommt stärkeres Gewicht, und etwas Geheimnisvolles schwingt in der Aufnahme mit. Morgennebel, der in unterschiedlich dichten Schwaden über der Landschaft liegt, ist ein spannendes Motiv, vor allem von einem deutlich erhöhten Standpunkt aus und im Gegenlicht fotografiert, das den Nebel leuchten lässt gegen die dunklen Silhouetten von Bäumen oder Häusern. Solitärbäume mit ihrer oftmals markanten Form lassen sich auch bei Nebelstimmungen gut in Szene setzen — manchmal verschwinden sie nur zum Teil in flachen Nebelbänken. Während sich in den Tälern der Nebel hält, kann man von höher gelegenen Standorten oft darüber hinweg fotografieren — der Gegensatz aus Nebel im Tal und klarer Sicht in den Höhenlagen ist ebenfalls ein schönes Motiv.

Etwas Vorsicht ist bei Aufnahmen gegen die Sonne geboten: Hinter einer dünnen Nebelschicht oder wenn die Sonne schon recht hoch steht, kann sie zu einem sehr dominanten hellen Fleck im Bild werden, der überstrahlt. Bei tief stehender Sonne und dichterem Nebel bleibt sie dagegen ein dezenter, wenngleich heller Punkt.

Ausblick vom Mast des Segelschiffs ?Antigua? auf Spitzbergen: Die weit geschlossene Blende erzeugt das Sonnensternchen in diesem Bild. <br />
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Nikon D800 mit Sigma 4.5-5.6/12-24 mm  19 mm  ISO 200  f/18  1/320 s

Ausblick vom Mast des Segelschiffs „Antigua“ auf Spitzbergen: Die weit geschlossene Blende erzeugt das Sonnensternchen in diesem Bild. Nikon D800 mit Sigma 4.5-5.6/12-24 mm | 19 mm | ISO 200 | f/18 | 1/320 s

Wenn Michael Martin in seinem Vortrag „Planet Wüste“ von den niedrigen Nachttemperaturen bei seinen Eiswüstentouren berichtet, dann ist als Bild dazu die Temperaturanzeige im Motorrad-Cockpit zu sehen — ein Bild sagt mehr als viele Worte. Detailbilder mit einem Thermometer, Eisblumen am Fenster und Raureif auf den Gräsern ergänzen jede Winter-Fotoserie. Die Liste lässt sich beliebig verlängern; wichtig ist, mit offenen Augen durch die winterliche Welt zu gehen.

Gewässerufer sind eine Fundgrube für Motive. Zugefrorene Pfützen — vielleicht noch mit herbstlich gefärbten Blättern darin — und verschneite Bachläufe bieten sich als Spielwiese für Fotografen an. Dabei ruhig auch mal die Perspektive wechseln und sich flach auf den Boden legen, um auf Augenhöhe an die Motive zu kommen – „tief runter und nah ran“ lautet die Devise, wind- und wasserdichte Bekleidung ist im Winter ja ohnehin selbstverständlich.

Eher abstrakte Bilder wie die von im Eis eingeschlossenen Grashalmen, Blättern oder Luftbläschen gelingen häufig, wenn man direkt von oben fotografiert. Ein Polfilter hilft, unerwünschte Spiegelungen (farbige Kleidung!) fernzuhalten. Bei flächigen Motiven sollte man die Szene kritisch auf ihren Kontrastumfang prüfen und auf eine gleichmäßige Ausleuchtung achten — Übergänge von Schatten zu Sonne treten auf dem Foto wesentlich stärker hervor, als unsere Augen sie wahrnehmen, und können vom eigentlichen Motiv ablenken.

Faszination Eis: Um Details zu fotografieren, muss man mit der Kamera möglichst nahe heran gehen und auf einen ruhigen Hintergrund achten.

Faszination Eis: Um Details zu fotografieren, muss man mit der Kamera möglichst nahe heran gehen und auf einen ruhigen Hintergrund achten.

Gibt es etwas Typischeres für den Winter als tanzende Schneeflocken? Kurze Verschlusszeiten frieren die Bewegung ein, längere Verschlusszeiten machen das Fallen der Schneeflocken sichtbar. Lange Brennweiten verdichten das Schneegestöber – vor allem gegen einen dunklen Hintergrund entstehen beeindruckende Flockenwirbel-Bilder.

Aufnahmen in der Nähe gelingen auch bei dichtem Schneetreiben häufig gut. Alles, was weiter entfernt ist, verliert allerdings an Schärfe und Kontrast.

Der erste Schneefall betont die Textur — mit Neuschnee überzuckert wirken beispielsweise Berge ganz besonders, weil die dünne Schneeauflage jeden Sims, jeden Felsen deutlich modelliert und Kontraste schafft. Viele Details kommen so zum Vorschein, die in der schneefreien Zeit im Grau in Grau des Gesteins untergehen.

Lange Brennweiten verdichten das Schneegestöber - vor allem gegen einen dunklen Hintergrund wie diesem Boot entstehen beeindruckende Flockenwirbel-Bilder.

Lange Brennweiten verdichten das Schneegestöber - vor allem gegen einen dunklen Hintergrund wie diesem Boot entstehen beeindruckende Flockenwirbel-Bilder.

Um interessante Effekte zu erzielen und dem Bild mehr Tiefe zu geben, kann man durch vereiste oder zugeschneite Fensterscheiben hindurch fotografieren — Eisblumen und Eisstrukturen sorgen für einen Hingucker und verstärken die Tiefenwirkung. Die Schärfe liegt dabei üblicherweise auf dem Vordergrund, um dessen zarte Struktur erkennbar zu machen; man sollte aber auch im unscharfen Hintergrund zumindest noch ungefähr erahnen können, was sich dort befindet.

Kaltes Vergnügen: Das Wasser an der Fensterscheibe ist gefroren - und macht sich ganz wunderbar als Vordergrund.

Kaltes Vergnügen: Das Wasser an der Fensterscheibe ist gefroren - und macht sich ganz wunderbar als Vordergrund.

Winterliche Porträts sind eine dankbare Sache, vor allem bei Bewölkung oder bedecktem Himmel. Die Wolkendecke streut das Licht, macht es weicher und sorgt für eine gleichmäßige Ausleuchtung. Der Schnee wirkt als natürlicher Reflektor gegen dunkle Schatten unter den Augen, unter der Nase und unterm Kinn. Wer sich von der Belichtung her nicht sicher ist, nutzt die Spotmessung aufs Gesicht.

Direktes Sonnenlicht um die Mittagszeit ist auch im Winter nicht unbedingt geeignet: Der Schnee reflektiert und blendet die Porträtierten — zugekniffene Augen und unentspannte Gesichtszüge sind die Folge. Wer dennoch den einen oder anderen Schnappschuss vom Ski-Tag bei bestem Wetter mitbringen möchte, sollte zumindest den Einsatz des Aufhellblitzes in Erwägung ziehen, um die immensen Kontraste zu mindern und die harten Schatten aufzuweichen. Vorsicht mit (Sonnen-)Brillengläsern, in denen sich das Blitzlicht spiegelt — ein externer Blitz wäre ideal, um die Spiegelungen zu vermeiden, aber mitunter reicht es auch schon, sich bei Verwendung des eingebauten Blitzgeräts etwas seitlich zu positionieren.

Frieren an sich lässt sich schlecht abbilden, wohl aber jemand, der in die Hände haucht oder aus seinen dicken Kleidungsschichten kaum noch rausgucken kann. Wenn Atemwölkchen vor dem Gesicht aufsteigen — besonders schön bei Gegenlicht — oder ein vereister Bart zu sehen ist, wird sofort klar: Da ist es kalt!

Wintersport-Aktivitäten lassen sich grundsätzlich gut mit dem Fotografieren kombinieren. Man sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass gute Aufnahmen nicht nebenbei entstehen, sondern geplant werden müssen — und dass dann das Fotografieren im Mittelpunkt steht, nicht mehr unbedingt das Rodeln, Skifahren oder Langlaufen. Farbige Kleidung, nicht zu bunt, sondern möglichst aufeinander abgestimmt, macht sich als Hingucker im Weiß immer gut. Probieren Sie verschiedene Varianten eines Motivs aus: Perspektivwechsel — den Skitourengeher mal vom Boden aus fotografieren, wenn der Ski gerade vorbeigleitet, mit der Landschaft im Hintergrund — oder Variationen in der Verschlusszeit, um Bewegung mal einzufrieren, mal sichtbar werden zu lassen, lockern das Ganze auf.

Winterwandern grafisch vereinfacht, hier als ?Bunt auf Weiß? an der Antarktischen Halbinsel.

Winterwandern grafisch vereinfacht, hier als „Bunt auf Weiß“ an der Antarktischen Halbinsel.

Wenn es auf den Winter zugeht, macht die Handschuh-Frage bei Fotografen wieder die Runde: Welcher taugt bei Minusgraden? Abgesehen davon, dass es in erster Linie von der eigenen Kälte(un)empfindlichkeit abhängt, wie viel Isolierung man braucht, wetteifern ganz unterschiedliche Konzepte um die Gunst des Fotografen: Fingerhandschuhe und Fäustel, fingerlose Handschuhe und Zwitter wie zum Beispiel Fingerhandschuhe mit einem Fäustlings- Oberteil zum Wegklappen.

Bei der Suche nach dem richtigen Handschuh geht es um nichts weniger als den Versuch, zwei normalerweise sich ausschließende Kriterien miteinander zu vereinen: die feinfühlige Kamerabedienung und den Wunsch nach warmen Fingern — entweder warm oder griffig. Eng anliegende Fingerhandschuhe sind zwar mehr oder minder gefühlsecht, aber für knackige Minusgrade schlicht zu kalt. Voluminöse Handschuhe wie Fäustlinge und gefütterte Fingerhandschuhe halten die Finger warm, lassen die Kamerabedienung jedoch zur Herausforderung werden.

Anfangs hatte ich beim Fotografieren auf dem Schiff in der Arktis und der Antarktis bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und oft mit viel Wind die sehr schönen, aber dünnen Wollhandschuhe Etre Touchy [2] an, bei denen bei Daumen und Zeigefinger die Fingerkuppe frei bleibt. Eine witzige, wenn auch nicht besonders warme Lösung, doch leider machten die Handschuhe den Alltag an Bord der Schiffe nicht lange mit.

Nach vielen Versuchen, die optimalen Handschuhe fürs Fotografieren im Kalten zu finden, hier mein Tipp: Nehmen Sie Pulswärmer und Fäustlinge mit Bändern fürs Handgelenk. Beim Fotografieren ziehen Sie einfach die Handschuhe aus.

Nach vielen Versuchen, die optimalen Handschuhe fürs Fotografieren im Kalten zu finden, hier mein Tipp: Nehmen Sie Pulswärmer und Fäustlinge mit Bändern fürs Handgelenk. Beim Fotografieren ziehen Sie einfach die Handschuhe aus.

Anschließende Versuche mit Fingerhandschuhen, deren Innenhand dank Silikon-Print griffiger sein soll (zum Beispiel Mountain Equipment Touch Screen Grip Glove [3], um 30 Euro), führten zu einer ähnlichen Erkenntnis: griffig, aber auf Dauer zu kalt. Gleiches galt für winddichte Modelle.

Inzwischen nehme ich auf meinen Touren in die Polarregionen gar keine dünnen Handschuhe mehr mit, sondern nur noch gefütterte wasserdichte Fingerhandschuhe (Rab Icefall Gauntlet [4], rund 110 Euro). Zum Fotografieren ziehe ich sie aus. Ein Band sorgt dafür, dass sie am Handgelenk hängen bleiben und nicht ins Wasser fallen. Außerdem bin ich überzeugter Nutzer von Pulswärmern; ob aus Wolle oder Fleece, ist eine Frage persönlicher Vorlieben. Ich finde Fleece praktischer, und die Pulswärmer von Houdini (Power Wrist Gaiters [5], rund 20 Euro) machen bislang klaglos alle Einsätze mit, lassen sich in jeder Jackentasche verstauen und in der Maschine waschen.

Wenn es richtig kalt wird, halten Fäustlinge die Finger am besten warm; ich nutze Daunenfäustlinge aus dem Expeditionsbereich (The North Face Himalayan Mitt [6], rund 140 Euro), die über die Pulswärmer oder auch über dünne Fingerhandschuhe zum Beispiel aus Merinowolle gezogen werden können und für mollig warme Finger sorgen. Zum Fotografieren muss man sie allerdings ausziehen, und für durchschnittliche mitteleuropäische Winter sind sie zu warm.

Ebenfalls eine Überlegung wert für all jene, die häufig längere Zeit fotografierend in der Kälte verbringen, sind Handwärmer, auch Taschenwärmer oder Taschenöfen genannt. Es gibt verschiedene Systeme von benzinbetrieben bis zu klassischen Wärme-Pads, bei denen die Wärmeentwicklung auf einer chemischen Reaktion beruht, die man durch Knicken aktiviert. Abhängig vom Modell spenden sie mehrere Stunden lang Wärme.

Von wegen Schneeweiß: Mit winterlichen Motiven ist der automatische Weißabgleich mancher Kamera überfordert. Die Folge sind unschöne Farbstiche in den Bildern. In diesen Fällen muss man nachhelfen, vor allem dann, wenn man nur JPEGs aufnimmt, bei denen sich der Weißabgleich nachträglich nur eingeschränkt anpassen lässt. Der Weißabgleich (englisch: White Balance, WB) wird von „Automatisch“ zunächst auf eine feste Voreinstellung gesetzt, um herauszufinden, ob das Bild dann den optischen Eindruck vor Ort trifft. Für Winterlandschaften, die man tagsüber bei gutem Wetter fotografiert, testen Sie am besten die Einstellung „Tageslicht“, je nach Wetter alternativ auch „Bewölkt“ . Für meinen Geschmack werden Bilder mit großem Schnee-Anteil dann aber häufig schon zu stark braun- oder orangestichig, sie wirken schmutzig oder „zu warm“.

Der Abschied von der Weißabgleichs-Automatik hat noch einen weiteren Vorteil: Nun erstellt die Kamera nicht mehr für jedes einzelne Bild erneut einen Weißabgleich, sondern behält die Voreinstellung bei — die Farbeindrücke bei vergleichbaren Motiven sollten sich jetzt stark ähneln, was die Bildbearbeitung vereinfacht.

Bei teureren Kameras lässt sich die Farbtemperatur oft auch über die Auswahl von Kelvin-Werten einstellen. Mit der Voreinstellung meiner Nikon-DSLR auf eine Farbtemperatur von 5000 Kelvin komme ich schon relativ nahe an das gewünschte Ergebnis heran. Dieser Wert liefert eine etwas kühlere (sprich: bläulichere) Abstimmung als die Einstellung durchschnittliches Tageslicht mit circa 5400 K. Jede Kamera reagiert ein bisschen anders. Erlaubt ist, was zusagt — und wer sich einmal die Mühe macht, verschiedene Voreinstellungen durchzuprobieren, findet schnell heraus, was bei welcher Lichtsituation zu schönen Fotos führt.

Das Ganze ist immer auch Geschmackssache — es geht ja nicht unbedingt darum, einen neutralen, also farbrichtigen Weißabgleich zu finden, wie ihn zum Beispiel ein Produktfotograf braucht, um Farben möglichst korrekt abzubilden. Stattdessen möchte man in der Regel die zum Zeitpunkt der Aufnahme herrschende Stimmung möglichst gut wiedergeben, insbesondere in den Morgen- und Abendstunden mit ihrer potenziell intensiven Farbigkeit — oder eben im Winter. Obendrein ist es die kalte Jahreszeit, und kalt verbinden wir üblicherweise mit der Farbe Blau.

Im Raw-Format können Sie den Weißabgleich auch nachträglich bei der Bildbearbeitung am Rechner korrigieren. Ich finde es allerdings schwierig, mich dann zu erinnern, wie es in Wirklichkeit ausgesehen hat. Auch hier sollte man darauf verzichten, der Versuchung „Automatisch“ nachzugeben. Das geht meist schief, und die Aufnahmen werden viel zu warm abgestimmt und bekommen einen Orange- bis Sepia-Stich. Das Abnehmen eines vermeintlich neutralen Weiß oder Grautons per Pipette ist auch nur selten zielführend — Schnee ist nur theoretisch rein weiß, tendiert in der Realität dagegen bei Sonnenschein häufig ins Bläuliche, weil er das Himmelsblau reflektiert, insbesondere im Schatten, wo ihn kein direktes, weißes Sonnenlicht trifft.

Ein Bild, vier Varianten (von links oben, nach rechts unten): automatischer Weißabgleich, Einstellung &quot;Bewölkt&quot;, &quot;Tageslicht&quot;, manueller Abgleich (5350 K)

Ein Bild, vier Varianten (von links oben, nach rechts unten): automatischer Weißabgleich, Einstellung "Bewölkt", "Tageslicht", manueller Abgleich (5350 K)

Kameras tendieren dazu, Bilder mit großen Weißanteilen unterzubelichten. Das liegt daran, dass sehr helle Flächen, also auch Schnee, wesentlich mehr Licht reflektieren als normale Motive mit durchschnittlicher Helligkeit. Die Kamera, die sich an jenen normalen Motiven orientiert, liegt daher mit ihrem Belichtungsvorschlag bei Schnee-Landschaften oft genauso daneben wie bei weißen Hochzeitskleidern oder sehr hellen Strandszenen. Die Folge: Der Schnee wird zu dunkel dargestellt, er sieht nicht weiß aus, sondern grau.

Abhilfe schafft die Belichtungskorrektur. Abhängig vom Motiv und von der gewählten Belichtungs-Messmethode empfiehlt sich als Ausgangswert in Fotos mit hohem Weißanteil eine Überbelichtung von etwa zwei Drittel Blendenstufen (oder Lichtwerten, LW oder EV genannt) bis einer ganzen Blendenstufe. In der Anzeige für die Belichtungskorrektur erscheint dann +0.7 oder +1.0. In Einzelfällen ist auch eine deutlich stärkere Korrektur nötig.

Um sicherzustellen, dass trotz der Überbelichtung keine Farbinformationen in den hellsten Bildbereichen verloren gehen, hilft ein Blick aufs Histogramm. Das „Gebirge“, das sich dort zeigt, sollte für ein typisches Schnee-Bild in der rechten Hälfte zu finden sein, aber nicht an den rechten Rand des Histogramms anstoßen oder gar aus dem Histogramm hinauslaufen. Hat man ein großflächig weißes Foto, das im Histogramm eine Kurve weit links zeigt, ist das Bild mutmaßlich unterbelichtet; um eine richtige Belichtung zu erreichen, ist die erwähnte Belichtungskorrektur nötig — es sei denn, der Fotograf oder die Fotografin zieht einen kreativen Umgang mit der Helligkeit des Bildes dem Abbilden der tatsächlichen Situation vor. Ein Beispiel dafür ist das Foto des Eisbergs — dort ging es mir darum, den kalten, düsteren Eindruck des Morgens zu verstärken, weswegen ich die Aufnahme von vornherein sehr knapp belichtete, was sich im Histogramm spiegelt.

Wichtig: Bitte nicht vergessen, die Belichtungskorrektur nach dem Ende der Fotosession im Schnee wieder auf null zu stellen. Die Kamera macht das nicht automatisch, und es besteht bei Vergessen die Gefahr, dass die nächsten Bilder in einer nicht von Schnee geprägten Umgebung zu hell ausfallen.

Um die Belichtungskorrektur einzustellen, muss man üblicherweise die grüne Vollautomatik verlassen, die manuelle Eingriffe nicht vorsieht, und in einen der anderen Modi wie P (Programmautomatik) wechseln.

Eine Alternative für alle, die sich den manuellen Eingriff in die Belichtung (noch) nicht zutrauen, sind Schnee-Motivprogramme (Schneemann- oder Schneeflocke-Symbol). Eventuell hilft, sofern es kein Schnee-Programm gibt, auch das Strand-Programm weiter. Dabei geht die Kamera davon aus, dass helle Farben im Bild überwiegen, wie es bei einer Schneelandschaft typischerweise der Fall ist, korrigiert die Belichtung entsprechend nach oben und passt normalerweise auch den Weißabgleich an. Allerdings lässt sich dies vom Fotografen nicht direkt beeinflussen, ist also nur zweite Wahl nach der von Hand eingestellten Belichtungskorrektur. Auch hier gilt: Nach dem Fotografieren im Schnee sollte man das Schnee-Programm wieder verlassen, sonst besteht die Gefahr, dass die nachfolgenden Fotos deutlich überbelichtet werden und einen falschen Weißabgleich haben.

Düsterer Eisberg: Das Histogramm - hier ein Screen shot aus Adobe Lightroom - zeigt, dass die Aufnahme unterbelichtet ist. Bei diesem Bild war der Effekt erwünscht.

Düsterer Eisberg: Das Histogramm - hier ein Screen shot aus Adobe Lightroom - zeigt, dass die Aufnahme unterbelichtet ist. Bei diesem Bild war der Effekt erwünscht.

(tho [7])


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