So funktioniert Internet-Routing

Seite 2: Tier 1 bis 3

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Ziel der AS-Betreiber ist, ihre eigenen Systeme möglichst redundant mit dem Internet zu verknüpfen. Dabei verfolgt jeder Provider unterschiedliche Strategien, abhängig vom Kerngeschäft des Unternehmens und der Größe und Ausdehnung des autonomen Systems. Kleinere Systeme werden meist über einen IP-Transitvertrag mit Backbones größerer Carrier verbunden. In diesem Fall spricht die Branche von "Uplinks". Der Kleinere zahlt für das hochgeleitete Datenaufkommen.

Anders ist dies bei einer privaten Peering-Vereinbarung. Hier treffen zwei Provider ein Abkommen, ohne Berechnung Daten zwischen ihren Netzen auszutauschen. Beim Peering geben die beiden AS-Netze nur ihren Traffic aneinander weiter. Damit ein AS sämtlichen Verkehr eines anderen AS weiterleitet, muss zusätzlich ein Transit-Abkommen bestehen. Ein autonomes System erlaubt im Regelfall beispielsweise keinen Durchgangsverkehr von einem Peering-Partner zu dessen eventuell vorhandenen Transit-Providern. Diese Vereinbarungen werden vorab in Routing-Richtlinien (Policies) gegossen.

Das Zustandekommen eines Peering-Vertrags ist abhängig von vielen Faktoren. Eine wesentliche Rolle spielt die Größe der potenziellen Partner. Eher informell hat sich eine Einteilung der Provider in drei Schichten etabliert: Autonome Systeme, die keine Kunden mehr "unter" sich haben, also keinen Transit verkaufen, sondern ausschließlich Endkunden versorgen, werden als Edge-Networks bezeichnet und bilden die unterste Schicht (Tier 3).

Große autonome Systeme, die keinen Transit mehr hinzukaufen, sondern nur mit anderen großen autonomen Systemen Peering-Verbindungen betreiben, bilden die Oberschicht (Tier 1). Von diesen Carrier-Riesen gibt es höchstens ein Dutzend weltweit. Dazu zählen Verizon, Level3, Cogent und Sprint, aber auch Mischkonzerne wie AOL. Alle anderen AS bilden die mittlere Stufe (Tier 2).

Sowohl bei der Entscheidung über AS-Verknüpfungen als auch beim Routing der Pakete selbst stehen ökonomische Belange im Vordergrund. Es ist durchaus möglich, dass große Provider (Tier 1) mit kleineren Providern (Tier 2) peeren, wenn sie sich einen Vorteil durch dieses Abkommen erhoffen. So kann es etwa vorkommen, dass der kleinere Partner über eine große Anzahl von Endkundenanschlüssen verfügt, die der große unbedingt erreichen will.

Zur Absicherung existieren in den Peering-Verträgen meist Vereinbarungen über maximale Datenvolumen, die in die jeweilige Richtung geschickt werden. Übersteigt ein Provider diese Grenzen, werden Kosten fällig.

Peeren können zwei AS-Netze auch an diversen öffentlichen Peering-Punkten (Internet Exchange Points, IXP), in Deutschland beispielsweise am bei weitem größten, dem DE-CIX, und regionalen wie dem Münchner INXS und dem Berliner B-CIX. Diese Knoten bestehen aus riesig dimensionierten Switches, mit denen sich IP-Provider über einen Router verbinden können. Beim DE-CIX beispielsweise kann jedes angeschlossene AS ohne Traffic-Berechnung Daten mit jedem anderen vorhandenen AS austauschen. Die Peering-Kunden zahlen stattdessen einen monatlichen Festbetrag für den Switch-Port.

Früher waren es die gegenüber Transit-Verträgen geringeren Kosten, die die Provider veranlasst haben, Peering-Vereinbarungen an öffentlichen Internetaustauschpunkten einzugehen. Dieses Argument ist angesichts ins Bodenlose fallender Transitpreise heute kaum noch relevant. Arnold Nipper, der technische Leiter des DE-CIX erläutert, dass die Provider unterschiedliche Motivationen haben, teilzunehmen. Zum einen spielen demnach die kürzeren Wege und die dadurch geringere Verzögerung eine Rolle, zum anderen die vom CIX-Betreiber gut gewartete Anbindung des AS am Switch.

Umgekehrt gibt es auch Provider, die bewusst die Anbindung an öffentliche Austauschpunkte meiden. Sie kalkulieren anders und peeren nicht öffentlich am DE-CIX. Das prominenteste Beispiel ist hierzulande wohl die Deutsche Telekom. Aber auch global agierende Tier-1-Carrier wie Sprint machen um das DE-CIX einen großen Bogen. Sie setzen darauf, dass viele Provider ohnehin nicht darum herum kommen, Verbindungen zu ihnen zu unterhalten. Und dann möchten sie dafür gerne Geld sehen.