Spaß in der ersten Reihe - Apples Front Row aufbohren

Die in Mac OS X eingebaute Media-Center-Software ist nett, aber eingeschränkt. Wer Front Row mag, würde damit auch gern fernsehen, Filme und Musik von anderen Laufwerken in exotischen Formaten abspielen, YouTube anzapfen oder im Web surfen. Das geht alles – wenn man weiß, wie.

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Inhaltsverzeichnis

Front Row gehört schon seit fünf Jahren zum Lieferumfang von OS X. Das Programm ist selbst für Laien zu bedienen und stellt Bilder aus iPhoto sowie Lieder und Filme aus iTunes zu einer angenehm animierten Mediathek zusammen. Dennoch haben ihm viele Mac-Nutzer mittlerweile den Rücken gekehrt und eine Alternative installiert. Hätte Apple bekannt gegeben, dass und wie sich Front Row erweitern lässt, sähe die Sache sicher anders aus. Mit den richtigen Plug-ins kann die Systemkomponente nämlich genauso viel wie Plex & Co., ohne dabei überladen zu wirken.

Zum Starten von Front Row drückt man die Menütaste der Apple Remote. Wer keine hat, verwendet das iPhone als Fernbedienung – dazu später mehr – oder ruft die Oberfläche per Ctrl+Esc auf. Das Kürzel lässt sich in Systemeinstellungen/Tastatur/Tastaturkurzbefehle/Front Row ändern. Bequemer ist es freilich, die Software gleich nach dem Einschalten serviert zu bekommen; dazu aktiviert man sie in Systemeinstellungen/Benutzer/Anmeldeobjekte per Plus-Button.

Übrigens müssen Sie keinen aktuellen Mac besitzen, um in den Genuss von Front Row zu kommen. Im Netz finden sich diverse Download-Adressen und Anleitungen für ältere Rechner.

Die Front-Row-Plug-ins verbergen sich im Ordner /System/Library/CoreServices. Klicken Sie mit der rechten Maustaste auf "Front Row.app", wählen Sie "Paketinhalt zeigen", um dann den Ordner/Contents/PlugIns/ zu öffnen. Die dort abgelegten Unterordner heißen "Frappliances"; pro Menüeintrag in Front Row gibt es einen. Standardmäßig residieren dort bereits Movies, Music, Photos und andere.

Für diese Schnittstelle gibt es mittlerweile einige weitere Plug-ins, allesamt kostenlos. Manche muss man manuell in den Ordner kopieren, andere bringen einen Installer mit. Zum Deinstallieren braucht man sie einfach nur wieder aus der Ordnerstruktur zu löschen. Auf dem gleichen Weg kann man auch nicht benötigte Menüeinträge streichen. Mit mehreren zusätzlichen Plug-ins muss man sonst unter Umständen scrollen. Wer Frappliances löscht, sollte sie aber vorher an sicherer Stelle deponieren. Um Änderungen an dem Verzeichnis vornehmen zu dürfen, braucht man Administratorrechte.

Einige Plug-ins laufen nur unter Mac OS X 10.5 (Leopard), andere setzen 10.6 (Snow Leopard) voraus. Seit 10.4 haben sich immer wieder die Methoden im API und der Aufbau der Binaries geändert. Nach dem nächsten Betriebssystem-Update muss man also unter Umständen auch die Erweiterungen aktualisieren.

Besonders gut macht sich Front Row auf einem schicken großen Flachbildfernseher. Dahinter lässt sich prima ein Mac mini verstecken, der ist leise, sparsam und viel flexibler als jeder Stand-alone-TV-Receiver, schließlich kann man mit dem Mac auch spielen, surfen und arbeiten. Um einen Fernseher per HDMI anzuschließen, bedarf es eines Adapters für den Mini-DVI- oder Mini-Display-Port; so etwas gibt es bei eBay schon für 10 Euro.

Wir haben alle vorgestellten Lösungen an einem Mac mini mit Core 2 Duo bei 2 GHz ausprobiert. An einem Philips-LCD mussten wir allerdings im Monitore-Kontrollfeld den Overscan-Modus abschalten, weil sonst die Menüzeile nicht zu sehen war.

Nach aktuellem Kenntnisstand wird Apple wohl auch in Zukunft keine große Mühe in die Verschmelzung von Mac und Fernseher investieren, auch mit Apple TV nicht. Das Unternehmen will lieber Filme und Sendungen über iTunes verkaufen. Mit den Plug-ins für gängige TV-Empfänger kann man die Lücke in Front Row aber schließen.

Für die TV-Software The Tube und die USB-Sticks von Equinux gibt es Tubefront, das allerdings nur bis einschließlich Mac OS X 10.5 läuft. Der Autor Cedric Kastner räumte gegenüber c't ein, dass er momentan nicht die Zeit für eine Neuimplementierung finde.

Besser integrieren lässt sich die Kombination aus Tuner-Hardware und EyeTV-Software von Elgato. Wir haben gute Erfahrungen mit dem USB-Stick EyeTV diversity und der DVB-S-Box EyeTV Sat gemacht. Letztere ist mit 200 Euro zwar kein Schnäppchen, für Besitzer einer Satellitenschüssel aber die bessere Wahl, zumal sie schon HDTV aufzeichnen kann.

Die Hard- und Software zum Fernsehen, EyeTV, lässt sich mit Hilfe eines Plug-in in Front Row integrieren.

Beide Plug-ins, die wir finden konnten, FrontTV und PyeTV, fügen einen Eintrag "EyeTV" im Front-Row-Hauptmenü hinzu. FrontTV ist die einfachere Variante. Es startet EyeTV und stellt sicher, dass dieses sich nicht beendet, sondern im Hintergrund weiterläuft, wenn man zu Front Row wechselt.

Die Möglichkeiten von PyeTV gehen noch darüber hinaus. Es implementiert Untermenüs, mit denen man auch durch aufgezeichnete Sendungen samt Metainformationen (kurze Beschreibung aus dem EPG, Bild) navigieren kann. Es hängt sich sogar an die ebenfalls sehr nützliche Erweiterung ETVComskip, welche das Überspringen von Werbung in EyeTV erlaubt.

Über die Menü-Taste der Fernbedienung gelangt man jederzeit vom Fernsehprogramm zurück in Front Row. Damit zwischendurch nicht die OS-X-Oberfläche stört, sollte EyeTV im Vollbildmodus starten, was sich in den Einstellungen konfigurieren lässt.

Im Falle von Inkompatibilitäten zwischen EyeTV und Apple Remote hilft es, den alternativen Treiber Candelair zu installieren und im zugehörigen Kontrollfeld den "Leopard compatiblity mode" zu aktivieren.
Freilich gelingt nicht alles mit der Fernbedienung, zumindest in der Konfigurationsphase. Wer kein USB-Verlängerungskabel für Tastatur und Maus zum Sofa legen möchte, sondern eine drahtlose Variante bevorzugt, dem sei an dieser Stelle erneut die Funklösung ACK-540 MAC-RF von KeySonic für knapp 50 Euro empfohlen. Dank integriertem Trackpad kann die jeder bedienen, der schon mal ein MacBook in den Händen hatte.

Die eingebaute Festplatte ist bald voll, daher lagern viele Filmfans ihre Sammlung auf externe Laufwerke aus – und plötzlich findet Front Row sie nicht mehr. Abhilfe schafft ein Alias, also ein kleiner Verweis, dann bindet das Programm die Filme ein, als lägen sie weiterhin auf der internen Platte. Man zieht einfach das Symbol des Ordners, der die Dateien enthält, mit gedrückten Alt- und Cmd-Tasten nach "Filme" innerhalb des Benutzerordners. (Analog dazu funktioniert auch ein Alias zu Liedern auf einer externen Platte oder einem anderen Rechner in "Musik".)

Wer in Front Row beim Scrollen durch die Liste auch Film-Cover in der linken Bildschirmhälfte sehen möchte, kopiert pro Film einen Scan davon unter dem Namen preview.jpg in den jeweiligen Ordner. Bei DVDs ist das dieselbe Ebene, die auch VIDEO_TS und AUDIO_TS enthält.

Noch schöner wäre es, obendrein eine kurze Inhaltsangabe sowie Regisseur, Darsteller und Genre angezeigt zu bekommen, so wie Front Row das auch mit gekauften iTunes-Filmen macht. Doch die Mühe, sämtliche Filme in ein iTunes-kompatibles Format zu konvertieren, dort zu importieren und dann die Metatags auszufüllen, dürften sich die meisten Filmfreaks sparen wollen. Das Plug-in Saphire will in Front Row Metainformationen aus der riesigen Internet Movie Database ziehen, was bei unseren Versuchen jedoch nicht geklappt hat.

Perian holt weitere Audio- und Video-Codecs ins System, sodass man auch exotischere Dateien abspielen kann.

Wer auf den vollen Komfort aller Metatags partout nicht verzichten möchte, sollte sich das DVDpedia Front Row Plug-in ansehen, das mit der knapp 20 Dollar teuren Mac-Filmverwaltung gleichen Namens zusammenarbeitet. Da aus den Coverbildern aber meist deutlich genug hervorgeht, worum es in den Filmen geht und wer daran beteiligt ist, halten wir diesen Aufwand für übertrieben.

Sollten Sie von einem Freund ein selbst gedrehtes Video oder Filme in einem anderen Format erhalten haben, etwa in FLV (Flash) oder dem beliebten Matroska-Container MKV, so können Sie auch diese mit Front Row anschauen. Die Installation der QuickTime-Komponente Perian genügt. Sie bringt eine ganze Reihe an Video-Codecs mit, etwa für DivX, und obendrein auch die Unterstützung von Mehrkanalton im AC3-Format. (Eine Anleitung, wie man den Dolby-Digital-Output dauerhaft aktiviert, gibt es ebenfalls im Netz.) Mit Hilfe von Microsofts QuickTime-Komponente Flip4Mac lassen sich auch Windows-Media-Filme (WMV) und -Audiodateien (WMA) abspielen.

Gerät die Ordnerstruktur innerhalb von "Filme" zu unübersichtlich, kann man sie im Finder nach Belieben mit Hilfe von Unterordnern kategorisieren und in Front Row per Fernbedienung bequem durch diese zappen. Ein Druck auf die Menü-Taste der Apple Remote führt jeweils eine Ebene zurück.

Die Trailer auf apple.com zu den neuesten Blockbustern sind beeindruckend, doch wer kein Englisch kann oder die Streifen, die hierzulande in den Kinos laufen, bevorzugt, sollte sich einmal die Film-Trailer bei YouTube, Hulu und Netflix anschauen – auch das geht mit Front Row. Das Plug-in Understudy bindet die Videoportale ein. Man kann zwar leider nicht damit suchen, aber immerhin Favoriten im Understudy-Menü ablegen, etwa für die neuesten oder bestbewerteten Clips. Es gibt auch die Möglichkeit, einen neuen Feed hinzuzufügen, wenn dessen URL in der Zwischenablage steht. Leider gelingt es darüber nicht, die reichhaltigen Mediatheken von ARD und ZDF einzubinden, und ein eigenes Plug-in dafür scheint noch nicht zu existieren. Die Perlen dort kann man sich aber zum Glück mit Hilfe spezieller Tools wie Mediathek für Mac OS herunterladen und in die lokale Filmdatenbank aufnehmen. Dann spielt sie natürlich auch Front Row ab.

Mediathek lädt Fernsehsendungen der Öffentlich-Rechtlichen herunter – ganz legal.

Wer nicht jedes Mal Tastatur und Maus bemühen und die schicke Oberfläche beenden möchte, um Inhalte von Webseiten abzurufen, dürfte sich über das Plug-in Couch Surfer freuen, das einen einfachen Web-Viewer auf Basis von Safari in Front Row implementiert. Leider muss man URLs mühsam per Mauszeiger auf einer Bildschirmtastatur zusammenklicken, was mit der Fernbedienung nicht gerade flott von der Hand geht, doch reicht der Mini-Browser allemal, um gelegentlich die Handlung eines Films in der Wikipedia nachzuschlagen. Häufig benötigte Adressen darf man als Bookmarks ablegen. Zum Abruf des aktuellen Wetters brauchen Sie diesen Umweg übrigens nicht zu gehen, auch dafür gibt es ein Plug-in: Weatherfront.

Understudy spielt Videoclips von YouTube, Hulu und Netflix in Front Row ab.

Von Front Row aus kann man den Mac sogar in den Ruhezustand versetzen, ausschalten oder neu starten: Die SystemAppliance fügt das Menü "System" mit diesen drei Einträgen am unteren Ende von Front Row hinzu.

Wir wollen an dieser Stelle Front Row nicht zur perfekten Wohnzimmersoftware küren, es bleiben schon noch einige Wünsche offen. Eine iChat-Integration namens FrontChat für eingehende Videofonate haben wir zwar gefunden, aber nicht zum Laufen gebracht. Ein Skype-Plug-in scheint es nicht zu geben.

Auch eine Möglichkeit, andere Tonspuren oder Untertitel zu aktivieren, fehlt leider. Front Row hält sich an die Konfiguration des Systems. Wenn etwa bei einer MKV-Datei eine andere Sprache voreingestellt ist, muss man den Umweg über den Finder gehen und zum Beispiel MPlayer zum Abspielen verwenden; auch für diesen kennen wir keine Front-Row-Erweiterung.

Vielleicht mag sich ja jemand an solchen oder anderen praktischen Ergänzungen versuchen – das Framework FrontPython ist samt Beispiel-Plug-in gratis erhältlich.

Zum schnellen Surfen zwischendurch ist das Plug-in Coach Surfer allemal geeignet.

Eine komfortablere Fernbedienung via iPhone oder iPod touch wäre auch noch nett. Die Reichweite der Apple Remote ist schließlich begrenzt. Es gibt durchaus einige Apps als Ersatz, doch die bilden lediglich die Originaltasten auf dem Touchscreen nach, was hauptsächlich Sinn ergibt, wenn man keine Fernbedienung oder keinen Infrarot-Empfänger dafür hat. Ganz ordentlich finden wir Front Remote für 1,59 Euro.

Wesentlich cooler wäre es, das vollständige Front-Row-Menü auf dem iPhone-Screen angezeigt zu bekommen und mit dem Finger zu bedienen. Eine solche Lösung müsste aber Apple selbst bauen. Ebenso wäre es wünschenswert, Musik in Front Row über AirPlay oder Airport-Express-Lautsprecher in anderen Räumen anhören zu können. Apples iPhone-Programm Remote startet stumpf iTunes im Hintergrund, sodass schon mal zwei unterschiedliche Lieder gleichzeitig dudeln.

Zur Lösung beider Probleme könnte man einen VNC-Client installieren, die IP-Adresse des Mac eingeben und diesen mitsamt Bedienoberfläche fernsteuern, bräuchte dann aber Cursortasten auf der Bildschirmtastatur. Selbst wenn es einen passenden VNC-Client geben sollte, wäre der Umweg steinig.

Alle Programme rund um Front Row listet das heise Software-Verzeichnis auf einer eigenen Seite, darunter weitere Hilfsmittel, die wir bei der Recherche gefunden haben, etwa zum Aufruf der alternativen Media-Center Boxee, MythTV, Plex oder XBMC von Front Row aus. Mit den genannten Erweiterungen braucht man die aber eigentlich nicht mehr.

(se)