Alle wollen zu Google - ich nicht!

Arbeitgeberrankings nach dem Muster "Bei welcher Firma möchten Sie am liebsten arbeiten?" liegen schwer im Trend. Aber eine Visitenkarte mit einem tollen Firmennamen macht auf Dauer nicht froh. Entscheidend sind andere Faktoren.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Studenten und Job-Sucher,

alle wollen bei Google arbeiten. Gut, vielleicht nicht alle. Aber sehr viele. Vor allem Informatiker, aber auch Wirtschaftswissenschaftler. Gerade veröffentlichte die "Wirtschaftswoche" die Ergebnisse einer entsprechenden Umfrage. Google mit Abstand vor IBM und SAP. Damit bestätigt dieses Ranking die Studienergebnisse des Berliner Trendence-Instituts vom Herbst des vergangenen Jahres. Auch damals lag Google vorne.

Klar, die Vorliebe für Google kann man irgendwie verstehen. Google ist bunt, Google ist jung, Google ist cool. Und Google hat einen enormen Prestige-Faktor. "Wo arbeitest du?" "Ich bin bei Google." "Wow, bei Google, stark!" Ganz egal, was du bei Google machst – unter den meisten Bezeichnungen kann sich ein Externer sowieso nichts vorstellen –, eine Google-Visitenkarte hebt dein Ansehen im Bekanntenkreis enorm. Und was man so liest über das Arbeiten bei dem Suchmaschinenweltmarktführer klingt wirklich nicht übel. Kostenloses Essen, Sportmöglichkeiten, Friseure, Masseure, Ärzte. Und außerdem dürfen die Angestellten ein Fünftel ihrer Arbeitszeit als Kreativzeit nutzen – also zum zweckfreien Spinnen sozusagen. Zumindest auf dem Papier. Klingt alles sehr toll, fast zu schön, um wahr zu sein.

"Der wichtigste Mensch ist der direkte Vorgesetzte."

(Bild: Campus)

Vielleicht ist es ja auch zu schön, um wahr zu sein. Als ich diese Vorliebe der jungen Berufseinsteiger für Google gelesen habe, musste ich spontan an ein paar Textpassagen aus dem Buch "Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln. Wie Sie wertvolle Mitarbeiter gewinnen, halten und fördern" von Marcus Buckingham und Curt Coffman (Campus-Verlag, 2005) denken. Ich gebe sie hier einfach mal im Original wieder, sie sprechen für sich selbst.

"Es ist besser, in einer altmodischen Firma für einen hervorragenden Chef zu arbeiten als in einem modernen, mitarbeiterorientierten Unternehmen für einen schlechten." (S. 29)

"Fähige Mitarbeiter brauchen fähige Vorgesetzte. Anlocken lässt sich ein guter Mitarbeiter gewiss aus den unterschiedlichsten Gründen, etwa weil der Chef des Unternehmens eine begeisternde Leitfigur ist oder weil die Sozialleistungen der Firma so überzeugend oder die Trainingsprogramme Extraklasse sind. Doch wie lange er bleibt und wie produktiv er in dieser Zeit ist, hängt in erster Linie von seinem Verhältnis zum disziplinarischen Vorgesetzten ab." (S. 10)

"Mitarbeiter verlassen nicht Unternehmen, sondern Vorgesetzte. Was wird in der Wirtschaft nicht alles versucht, um gute Leute zu halten – bessere Bezahlung, Sondervergünstigungen, Weiterbildung –, während der entscheidende Faktor doch offenbar der Vorgesetzte ist. Daraus lässt sich nur schließen: Wer ein Fluktuationsproblem hat, sollte sich in erster Linie die Vorgesetzten einmal näher ansehen." (S. 28)

"Mit einem großzügigen Gehalt und einer mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur mag sich manch einer bewegen lassen, ins Unternehmen einzutreten. Doch die Frage, wie lange er bleibt und wie produktiv er in dieser Zeit ist, hängt vom unmittelbaren Vorgesetzten ab. Charismatische Leitfiguren und Goodwill haben nur Türöffnerfunktionen. In letzter Konsequenz (...) kommt es aus Mitarbeitersicht auf das Führungspersonal im unteren und mittleren Management an." (S. 31)

Die Botschaft ist klar: Alles kann super sein in der neuen Firma – wenn Sie mit Ihrem direkten Vorgesetzten nicht klarkommen, werden Sie nicht glücklich werden. Meiner Ansicht und Erfahrung nach haben Buckingham und Coffman das Thema auf den Punkt gebracht. Vor zehn Jahren in der New Economy hatten wir die Situation, dass die Startups wie Pilze aus dem Boden schossen und alles an Personal einstellten, was nicht schnell genug auf den Bäumen war. Auch Führungskräfte. Viel Idealismus, aber von Organisation und Personalführung hatten die meistens jungen Leute keinen blassen Schimmer. Dementsprechend war der Umgang miteinander, sagen wir mal, suboptimal. Hoffen wir, dass das Google-Management in dieser Hinsicht aus der Geschichte gelernt hat.

Liebe Studenten und Berufseinsteiger, lassen Sie sich bei der Wahl Ihres zukünftigen Arbeitgebers nicht von glänzenden Fassaden und schwärmerischen Magazinberichten blenden. Oft sind die bestgeführten Unternehmen diejenigen, über die nicht jeden Tag im Wirtschaftsteil der überregionalen Zeitungen berichtet wird. Das Münchener Beratungs- und Softwareunternehmen Consol mit 180 Mitarbeitern zum Beispiel, das in diesem Jahr zum wiederholten Male zu einem der besten Arbeitgeber Europas gekürt wurde. Oder der Softwareanbieter CAS aus Karlsruhe, der in diesem Jahr zum Arbeitgeber des Jahres 2009 ausgezeichnet worden ist. Klar, diese Unternehmen haben aufgrund ihrer geringeren Größe einen "Awareness-Nachteil". Daher ist es wichtig, dass sie an solchen Wettbewerben teilnehmen und bei einem erfolgreichen Abschneiden anschließend kräftig die Werbetrommel rühren. Wie jetzt ganz aktuell auch der Hamburger Softwareanbieter Novomind, der bei einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gut abschnitt und dies postwendend per Pressemitteilung verkündete.

Liebe Studenten und Berufseinsteiger, fixieren Sie sich nicht darauf, nach Ihrem Studienabschluss eine Visitenkarte mit einem "tollen" Firmennamen zu ergattern. Viel wichtiger sind die Menschen, mit denen Sie zu tun haben werden, vor allem Ihr direkter Chef. Im Leben eines Berufseinsteigers ist der wichtigste Mensch sein direkter Vorgesetzter. Gerät er an dieser Stelle an einen schlechten Chef, dann hat das mitunter negative Auswirkungen auf den kompletten Rest seiner Karriere. Hat er dagegen das Glück, von einem guten Chef geführt zu werden, sollte er jeden Tag sein Schicksal preisen. Gute Firmenchefs wissen um diese Verantwortung ihrer Führungskräfte und achten sehr darauf, wem von ihren Leuten sie Personalverantwortung übertragen.

Beste Grüße

Damian Sicking

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