Also/Actebis-Fusion: wie russisches Roulette?

Für den Unternehmensberater Johannes Gerds sind die „Erfolgsaussichten bei Fusionen und Übernahmen schlechter als die Überlebenschancen beim russischen Roulette“. Auch im Falle der geplanten Fusion der Distributoren Also und Actebis gibt es gute Gründe, die Sache abzublasen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Schindlers und Droeges, Anteilseigner und Gesellschafter der Distributoren Also und Actebis,

nachdem Sie Ende November mitteilten, dass der Zusammenschluss von Also und Actebis nicht wie geplant noch in diesem Jahr stattfinden werde, sondern wegen ausgiebiger Prüfungen, Abstimmungen und Genehmigungen auf das Jahr 2011 verschoben werden müsse, haben Sie jetzt einen wichtigen Meilenstein erreicht: Die geplante Vermählung der beiden Distributoren hat den Segen der Europäischen Gemeinschaft erhalten.

Als weiteren Grund für die Verzögerung teilten Sie mit, dass die Verhandlungen mehr Zeit in Anspruch nehmen würden als ursprünglich geplant. Lieber Schindlers und Droeges, bitte nehmen Sie sich auch weiterhin diese Zeit! Prüfen Sie genau, wägen Sie ab, und denken Sie lieber einmal zu oft als zu wenig nach. Und wenn Sie anschließend zu dem Schluss kommen, die ganze Sache doch lieber abzublasen, dann ist das obsolut okay. Nein, das wäre keine Blamage, nein, das wäre nicht peinlich, nein, das wäre kein Gesichtsverlust. Im Gegenteil würde eine solche Entscheidung von wirtschaftlicher Vernunft und unternehmerischer Verantwortung zeugen. (Auch wenn der eine oder andere Wettbewerber oder auch Medienvertreter eine solche Entwicklung mit Häme kommentieren würde.)

Dass viele Fusionen oder Übernahmen scheitern, ist bekannt. Dr. Johannes Gerds, Partner der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte, formuliert es pointiert: „Die Erfolgsaussichten bei Fusionen und Übernahmen sind schlechter als die Überlebenschancen beim russischen Roulette.“ Die wesentlichen Gründe für die hohe Misserfolgsquote: Die Firmen lassen sich im Vorfeld nicht genug Zeit, den zukünftigen Partner kennen zu lernen und sie unterschätzen die Integrationsrisiken. Dazu kommt ein weiterer Punkt: „Bei kaum einer Gelegenheit wird so viel gelogen wie bei einer Übernahme“, sagt der Unternehmensberater Hans-Christian Heiling. Und die Köpfe an den Spitzen der beteiligten Unternehmen lassen sich viel zu oft blenden von irgendwelche Zahlen in Excel-Tabellen und ansteigenden Kurven auf Powerpoint-Charts. Die Frage, ob denn auch die Menschen und die unterschiedlichen Kulturen der beiden Firmen zueinander passen, ob das gut geht anschließend, ob man harmonisch miteinader arbeiten kann, diese wichtigen Fragen werden meistens ausgeklammert. Deloitte-Berater Gerds sieht denn auch einen wesentlichen Grund für die hohe Misserfolgsquote bei Fusionen darin, dass „über die Integration des übernommenen Unternehmens viel zu spät nachgedacht wird – in aller Regel erst dann, wenn die Verträge schon unterzeichnet und der Kauf abgeschlossen ist“. Und weiter: „Nach meiner Erfahrung werden die Synergieeffekte häufig überschätzt, und das macht dann in gewisser Hinsicht blind für die bestehenden Integrationsrisiken“, sagt Gerds in der Wirtschaftswoche (Ausgabe 49/2010).

Vor diesem Hintergrund ist es absolut vernünftig, dass Sie sich Zeit lassen, liebe Schindlers und Droeges. Es spricht für Sie. Und wie gesagt: Wenn Sie am Ende der Prüfung zum Schluss kommen, es lieber sein zu lassen: Tun Sie´s! Das Risiko zu scheitern und Werte zu vernichten, ist schließlich enorm. Ich für meinen Teil war schon bei der Ankündigung der Fusion im Sommer dieses Jahres skeptisch, ob der Zusammenschluss von Also und Actebis eine gute Idee ist. Und je länger ich mich mit dem Thema gedanklich befasse, desto mehr nimmt meine Skepsis zu. Klar, auf dem Papier sieht die gemeinsame Zukunft prima aus. Aber wie heißt es schon bei unserem Dichterfürsten Goethe: "Grau ist alles Theorie und grün des Lebens goldner Baum." So habe ich starke Zweifel, dass die Kultur und die Menschen beider Unternehmen wirklich gut zusammen passen. Die Unterschiede fangen schon in der Geschäftsführung an: Verschiedener als die beiden Deutschland-Chefs Michael Dressen (Also) und Uwe Neumeier (Actebis) können zwei Menschen kaum sein. Es fällt mir schwer zu glauben, dass diese beiden Manager sich im Tagesgeschäft gut vertragen.

Und die Synergieeffekte, die unter anderem von Actebis-Chef Klaus Hellmich hervorgehoben werden, sind diese wirklich so groß? Und worin bestehen sie überhaupt? Das Problem bei einer Fusion von Also und Actebis sehe ich auch darin, dass auf der einen Seite beide Firmen als IT-Distributoren viele Dinge ähnlich machen, auf der anderen Seite aber auch wieder völlig anders. Es fällt mir daher sehr schwer, in der Fusion einen wirklichen strategischen Mehrwert für eine der beiden Firmen zu sehen. Anders wäre es, wenn einer von ihnen zum Beispiel eine starke Position als Value Add Distributor hätte.

Bin gespannt, was am Ende Ihrer Überlegungen und Verhandlungen rauskommen wird. Kann mir kaum vorstellen, dass Sie - Schweizer hier, Westfalen dort - russisches Roulette spielen wollen.

Beste Grüße

Damian Sicking

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