Also-/Actebis-Zusammenschluss: 1 + 1 = 1

Der Zusammenschluss von Actebis mit Also ist ein geschickter Schachzug von Actebis-Mutter Droege, die Tochter doch noch an die Börse zu bringen. Die Wettbewerber aus der Distribution, vor allem Ingram Micro und Tech Data, dürften nach dem ersten Schreck wieder ruhiger atmen: Die Fusion würde bedeuten, dass sie einen Konkurrenten weniger haben werden.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Schindlers und Droeges, Anteilseigner und Gesellschafter der Distributoren Also und Actebis,

zwei Dinge sind mir im Zusammenhang mit der Ankündigung der geplanten Fusion von Also und Actebis besonders aufgefallen:

1. Keiner der Beteiligten hat bisher gesagt, dass in diesem Fall 1 plus 1 mehr als 2 oder sogar 3 ergibt. Das ist insofern bemerkenswert, als es sich um eine Standardfloskel handelt, ohne die ansonsten keine Übernahme oder Fusion über die Bühne geht. Wahrscheinlich ist das der Hauptgrund, weshalb noch immer mehr als die Hälfte der Zusammenschlüsse scheitern: Weil die Leute an den Unternehmensspitzen offensichtlich nicht rechnen können. Denn 1 plus 1 ergibt nun einmal nicht mehr als 2 und schon gar nicht 3, da kann man sich auf den Kopf stellen. Dass Sie, liebe Schindlers und Droeges, auf die 1+1-Floskel bisher verzichten, spricht für Sie, Ihre Beherrschung der Grundrechenarten und auch dafür, dass die Fusion von Also und Actebis tatsächlich klappen könnte.

Allerdings ergibt bei genauerer Betrachtung auch der Zusammenschluss dieser beiden Firmen nicht 2, erst recht nicht drei, sondern schlicht und einfach 1. Die Rechnung würde also lauten "1 + 1 = 1", was ja nach Adam Riese auch wieder nicht ganz korrekt ist und somit quasi im Vorbeigehen beweist, dass die Rechenart Addition bei Firmenübernahmen und -fusionen ohnehin nur begrenzt tauglich ist, denn im Gegensatz zum numerischen Zeichen "1" verändert sich die Größe einer Firma beim Zusammenschluss (so dass also für diesen Fall eine Rechenart "Integration" erfunden werden müsste). Jedenfalls steht fest, dass sollte die Fusion von Also und Actebis gelingen, aus zwei Firmen nur noch eine einzige wird. Und das ist auch der Grund, warum sich die Wettbewerber, allen voran Ingram Micro und Tech Data, nach dem ersten Schrecken schnell wieder erholt haben dürften. Denn die gute Nachricht aus ihrer Sicht lautet: ein Konkurrent weniger!

Überhaupt ist nicht davon auszugehen, dass sich die großen Konkurrenten aus der Distributionslandschaft jetzt vor Angst ins Hemd machen, denn aus eigener Erfahrung wissen sie natürlich, dass Fusion für die beteiligten Firmen zunächst immer auch Konfusion bedeutet, weil sie viele innere Kräfte bindet.

2. Die zweite Sache, die mir aufgefallen ist, ist Folgende: In Bezug auf die wichtige Frage, wer denn das neue Unternehmen anführen werde, antwortete Actebis-Chef Klaus Hellmich, dass man diese Themen "zu einem späteren Zeitpunkt mit ruhiger Hand entscheiden" werde. Wie "mit der Hand"? Werden in Soest die Entscheidungen denn nicht mit dem Kopf getroffen, wie sonst überall im Land (oder zumindest mit dem Bauch)? Sondern mit der Hand? Vielleicht so, dass sich in der Hand ein Würfel befindet? Oder meinte Hellmich gar nicht "mit der Hand" sondern "mit der Faust" (Aua!)? Frei nach dem heute zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Lied "Knut Wuchtig" der 70er Jahre-Kultband Insterburg & Co.: "Dies ist die Geschichte von Knut Wuchtig, er schrieb sie mit dem Bleistift nicht, er schrieb sie mit der Faust..."

Bis die Geschichte der "neuen Also", wie das fusionierte Unternehmen heute bereits genannt wird, geschrieben werden kann, müssen natürlich erst noch ein paar Hürden überwunden werden (Prüfung durch das Kartellamt, Due Dilligence etc.). Vor allem aus Sicht der Droege-Gruppe, die im vergangenen Jahr Actebis übernommen hatte, scheint der Deal mit Schindler/Also ein geschickter Schachzug zu sein. Denn auf diese Weise gelingt es Droege, Actebis an die Börse zu bringen, wie es schon der frühere Actebis-Eigner Arques geplant, aber nicht geschafft hatte. Offenkundig sind die Actebis- sowie auch die Also-Gesellschafter zu der Überzeugung gekommen, dass ein Zusammenschluss für sie Sinn macht und ihnen nutzt. Das ist schön für sie, für ein Gelingen der Fusion aber reicht das natürlich nicht. Denn der Deal muss, um wirklich langfristig erfolgreich zu sein, weitere Bedingungen erfüllen. Ich hoffe daher, dass Schindler und Droege sich auch folgende Fragen gestellt haben:

- Macht der Zusammenschluss der beiden Firmen auch Sinn für die Also-/Actebis-Kunden? Und zwar welchen?

- Macht der Zusammenschluss der beiden Firmen auch Sinn für die Also-/Actebis-Lieferanten? Und zwar welchen?

- Und auch: Macht der Zusammenschluss der beiden Firmen auch Sinn für die Also-/Actebis-Mitarbeiter? Und zwar welchen?

Nur wenn auch diese Fragen mit „ja" beantwortet werden, der Zusammenschluss von Also und Actebis also nicht nur für die Shareholder – in erster Linie Schindler und Droege – gut ist, sondern auch für die sogenannten Stakeholder, besteht eine realistische Chance, dass die Fusion dauerhaft erfolgreich sein wird.

Beste Grüße

Damian Sicking

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