Brainstorming: Jeder für sich und Gott für uns alle!

In vielen Unternehmen gilt Gruppenbrainstorming als DAS Mittel, neue Ideen zu entwickeln. US-Forscher haben aber herausgefunden, dass der einzelne im stillen Kämmerlein viel kreativer ist als in der Gruppe.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

"Und wenn ich mal nicht weiter weiß, dann bild ich einen Arbeitskreis." Wohl jeder kennt den Spruch, denn auch in den Firmen wird oft so gehandelt. Meistens ist das der Fall, wenn die Geschäfts- oder Abteilungsleitung der Meinung ist, dass man dringend neue Ideen braucht, um neue Geschäftsfelder zu erschließen, die Kosten zu senken, die Zusammenarbeit mit den Vertriebspartnern zu verbessern oder wichtige Projekte wie das Programm für die bevorstehende Weihnachtsfeier aufzusetzen. Dann heißt es oft "Alle zum gemeinsamen Brainstorming im kleinen Konferenzraum versammeln!" Im sogenannten Gruppenbrainstorming, so die weitverbreitete Meinung, ploppen die guten Ideen besonders zahlreich auf und die Kreativität feiert fröhliche Urstände.

Ein Irrglaube! Das Gegenteil vielmehr ist richtig. Gruppenbrainstorming fördert nicht, sondern hemmt die Entwicklung von guten und kreativen Ideen. Viel effektiver, zielführender und erfolgbringender ist es, wenn jeder für sich im stillen Kämmerlein über eine Aufgabe brütet. Das behaupten zumindest die texanischen Wissenschaftler Nicholas Kohn und Steven Smith (und bestätigen damit bereits frühere Untersuchungen, denen zufolge in Gruppen zwischen 20 und 50 Prozent weniger Ideen erzeugt wurden als bei Einzelpersonen). Dabei stützen sie sich auf entsprechende Experimente, die sie durchgeführt haben. So gaben Kohn und Smith zum Beispiel zwei Gruppen die Aufgabe, neue Ideen zu entwickeln. Dabei sollte sich die erste Gruppe gemeinsam dieser Aufgabe stellen und in der zweiten Gruppe jeder für sich allein darüber nachdenken. Das Ergebnis: Die Mitglieder der zweiten Gruppe waren viel erfolgreicher als die erste Gruppe. Wer allein arbeitete, hatte schlichtweg mehr Ideen als die Gruppenarbeiter.

Wie kommt das? Die Erklärung der amerikanischen Wissenschaftler: In der Gemeinschaft entsteht schnell ein Komformitätsdruck, der sich auf das einzelne Gruppenmitglied eher hemmend auswirkt. Statt wirklich kreative innovative Ideen zu entwickeln, übernehmen die Teilnehmer eher bereits geäußerte Meinungen und fügen diesen ähnliche Vorschläge hinzu. Diesen Effekt konnten Kohn und Smith in anderen Untersuchungen bereits bei Zweiergruppen feststellen. Der Unterschied zwischen Gruppen- und Einzelbrainstorming fällt bei der Varietät der Ideen noch deutlicher aus: Die Individualisten hatten 55 Prozent mehr frische und wirklich außergewöhnliche Ideen als die Vergleichsgruppe.

Der Praxistipp der US-Forscher daher: Unternehmen sollten immer erst die Mitarbeiter einzelnen über eine Aufgabe nachdenken lassen. Anschließend sollten die Ergebnisse in einem Gruppenmeeting vorgestellt und diskutiert lassen. Um eher schüchternen Mitarbeitern die Scheu zu nehmen, in einer größeren Gruppe aufzutreten, kann man die einzelnen Ideen auch auf Zetteln schreiben, einsammeln und von einer neutralen Person (Moderator) vorlesen lassen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)