Das Zentimetergespenst kehrt zurück

Monitorgrößen werden üblicherweise nach der Bildschirmdiagonale gestaffelt - nach alter amerikanischer Sitte in Zoll. Gewerbliche Anbieter, die mit Zoll-Angaben werben, droht neuerlicher Abmahn-Unbill. Denn 2009 endet eine Ausnahmeregelung.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Als anno 1993 vielen Computerfachhändlern eine Abmahnung vom "Verband zur Förderung der Gleichheit im Wettbewerb" ins Haus flatterte, war die Empörung groß. Der Verband monierte die Werbung der Händler, welche die Größe von "Bildschirmdiagonalen und Datenträgerlaufwerken" nicht in den gesetzlich vorgeschriebenen metrischen Einheiten nannte, sondern in der international seit Langem gebräuchlichen, für deutsche Verhältnisse aber exotischen Größe Zoll. Fortan sollten die Händler die gewohnte 3,5"-Diskette bitte als 89-mm-Diskette bezeichnen und die damals gängige Monitorklasse statt mit "17 Zoll" nur noch mit "43,18 cm" benennen [1].

Die Abmahner stützten ihr Verlangen nach der 89-mm-Diskette auf eine gesetzliche Bestimmung, die sich heute in § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (EinhZeitG) findet [2]. Danach sind im amtlichen und geschäftlichen Verkehr alle Größen in gesetzlichen Einheiten anzugeben, wenn das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) dafür in einer gesonderten Verordnung Einheiten festgesetzt hat [3].

Sämtliche gesetzlichen Einheiten für Längen- und Größenangaben beruhen hierzulande auf dem metrischen System. Das angelsächsische Maß "inch", eingedeutscht "Zoll", gehört mitsamt seinen Abkömmlingen hingegen nicht dazu. Das Zollmaß darf aber – wie alle anderen nicht gesetzlichen Einheiten – aufgrund einer bis Ende 2009 befristeten Ausnahmeregelung in § 3 Satz 2 EinhV neben der gesetzlichen Einheit verwendet werden, wenn diese hervorgehoben wird.

Grundsätzlich hatten die eifrigen Verteidiger des Zentimeters damals also Recht: Im geschäftlichen Verkehr muss man Längen schon von Gesetzes wegen vorrangig in Millimeter, Zentimeter, Meter oder Kilometer angeben. Eine zusätzliche Zollangabe ist aufgrund der (noch) geltenden Ausnahmeregelung zulässig, muss aber untergeordnet sein – also beispielsweise in Klammern stehen.

Dennoch scheiterte der Verband vor Gericht beim Versuch, einen Unterlassungsanspruch gegen die Händler durchzusetzen – zumindest teilweise [4]. Das lag allerdings vor allem an der zum Zeitpunkt der Urteilsfindung geltenden Fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Anders als heute war der Verbraucherschutz damals nicht Gegenstand des UWG.

Um als wettbewerbswidrig zu gelten, musste Werbung damals einem Marktteilnehmer einen sachlich ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil vor gesetzestreuen Mitbewerbern verschaffen. Um die gesetzwidrigen Zollangaben zu einem Wettbewerbsverstoß zu machen, wäre es somit notwendig gewesen, dass die Mitbewerber das EinhZeitG nachweislich befolgten. Zumindest was Disketten anbetraf, tat das damals aber niemand. Alle einschlägigen Händler verwendeten in ihrer Werbung die Größenangabe in Zoll.