Die Distributoren, ihre (neuen) Kunden und Konkurrenten

Neukunden sind gefragt, auch bei den Distributoren. Also-Actebis-Chef Gustavo Möller-Hergt ist bei der Suche nach Neukunden fündig geworden, und er musste gar nicht mal so lange suchen: Es sind die IT-Hersteller, mit denen er ohnehin schon Geschäft macht. Doch das Ganze ist leichter gesagt als getan.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Distributoren und Distributions-Kunden,

Kunden sind Menschen, Firmen oder Institutionen, die Rechnungen bezahlen, die andere ihnen gestellt haben. Deshalb sind Kunden so beliebt und gesucht. Besonders Neukunden stehen hoch im Kurs. Die meisten Firmen sind auf der Suche nach neuen Kunden. Distributoren machen da keine Ausnahme.

Auch Also-Actebis-Chef Gustavo Möller-Hergt ist auf der Suche nach Neukunden. Und er hat sie gefunden, und dazu brauchte er gar nicht mal so lange zu suchen. Er fand sie sozusagen im eigenen Haus – in Gestalt der IT-Hersteller nämlich, mit denen Also-Actebis ohnehin zusammenarbeitet. Bei einem Pressemeeting am Firmenstandort in Straubing vergangene Woche hat Professor Möller-Hergt eine interessante Vorlesung gehalten. Nachdem er zunächst feststellte, dass einerseits die Preise und die Margen in den vergangenen Jahren immer geringer und dafür andererseits das Geschäft immer schwieriger und komplexer wurden , stellte er die Sinnfrage. Etwa so: Welche Sinn macht bzw. welche Perspektive hat dieses Geschäft eigentlich noch für einen Distributor wie Also-Actebis? Vor allem dann, wenn man Umsatzrenditen anstrebt, die höher als ein Prozent liegen!

Um es kurz zu machen: Möller-Hergt hat nach neuen, lukrativen Geschäftsfeldern und nach neuen Kunden gesucht. Dabei ist ihm aufgefallen, dass die IT-Hersteller sehr viel Geld an Firmen wie Sellbytel oder Arvato überweisen, sogenannte Outsourcingdienstleister. Arvato zum Beispiel ist stolz darauf, "dass bereits mehr als 50 Unternehmen der IT/Hightech-Branche – vom Mittelständler bis zum Weltmarktführer – auf Arvato als leistungsstarken und zuverlässigen Partner vertrauen"; zu diesen Kunden zählen unter anderem Microsoft und Toshiba. Auf der Referenzliste von Sellbytel stehen so prominente Namen wie Cisco, Epson, HP, NetApp, Samsung und Vodafone. Ihnen allen bieten die Dienstleister eine breite Palette von Services an, angefangen vom Channel-Management über Customer Relation bis hin zu Presales, Sales und Aftersales.

Von diesem Kuchen möchte Also-Actebis-Chef Möller-Hergt gerne ein möglichst großes Stück abhaben. Aus diesem Grund hat er wohl auch vor einigen Monaten Matthias Lorz verpflichtet. Lorz kam von Arvato in Gütersloh, wo er als Director Business Development das Portfolio- und Kundenmanagement in der Computing-, Communication- und Consumer-Electronic-Industrie verantwortete. Seit Februar diesen Jahres bei Also-Actebis, ist er gerade zum Geschäftsführer für den Bereich Service befördert worden.

Dass Möller-Hergt die IT-Hersteller nun nicht mehr Lieferanten, sondern Kunden nennen möchte, ist mehr als eine sprachliche Nuance. Es ist eine fundamentale Erweiterung der Geschäftsstrategie bzw. der Positionierung des Unternehmens. Bisher hat Also-Actebis als Distributor die Rechnungen der Hersteller bezahlt und war damit per definitionem der Kunde der Hersteller. Wenn in Zukunft die Rollen getauscht und die Hersteller die Kunden von Also-Actebis sein sollen, dann stellt Also-Actebis die Rechnungen, welche die Hersteller bezahlen sollen. Dabei handelt es sich dann aber sicher nicht mehr um Distributionsleistungen im klassischen Sinne, sondern um Outsourcingdienstleistungen im Stile von Sellbytel und Arvato.

Doch bevor Möller-Hergt die erste Rechnung schreiben kann, stellen sich eine Reihe von Fragen. Zum Beispiel diese:

Warum sollte ein Hersteller, der bisher die Dienste von Sellbytel oder Arvato – oder einem anderen Dienstleister mit vergleichbarem Angebot – in Anspruch genommen hat, zu Also-Actebis wechseln? Auf diese Frage kann es nur zwei mögliche Antworten geben:

1. Der Hersteller bekommt für sein Geld eine bessere Leistung.

2. Der Hersteller bekommt dieselbe Leistung zu signifikant günstigeren Konditionen.

Kann Also-Actebis das leisten? Ist der Distributor in der Lage, dieselben Leistung in derselben Qualität zu erbringen wie die Spezialisten? Hat er die richtigen Leute bzw. Kompetenzen dafür an Bord? Es ist Möller-Hergt sicherlich klar, dass er nicht einfach mit dem Finger "schnipp“ machen kann und die Hersteller laufen mit wehenden Fahnen zu ihm rüber. Vielmehr muss er zunächst einmal die internen Voraussetzungen schaffen, um diese Leistungen überhaupt erbringen zu können. Oder er kauft ein Unternehmen hinzu, welches sich bereits auf dieses Gebiet spezialisiert hat. Beides erfordert Zeit und vor allem Geld (Investitionen).

Noch etwas kommt hinzu: Das Ganze ist nicht ohne Risiko. Denn Möller-Hergt muss aufpassen, dass er das klassische Distributionsgeschäft nicht gefährdet. Als potenzieller Outsourcingdienstleister der Industrie wäre es mehr als unklug, Aufgaben für einen Hersteller zu übernehmen, mit denen Also-Actebis in ein Konkurrenzverhältnis zu seinen Kunden aus der Distribution, also den Händlern und Systemhäusern, tritt. Sobald zum Beispiel Endkundenkontakte mit im Spiel sind, wird es kritisch. Reine Theorie? Mitnichten. Hier mal ein "Fallbeispiel" einer Dienstleistung, mit der Sellbytel auf der eigenen Homepage für sich wirbt:

„Ein weltweit agierender IT-Konzern im Bereich Netzwerktechnologie möchte sein Umsatzpotential durch bisher ungenutzte Vertriebswege steigern. Um die flächendeckende Kundenbetreuung über alle Marktsegmente zu gewährleisten, soll der eigene Vertrieb vor allem im Außendienst durch externe Partner verstärkt werden. Ziel ist es, auch mittelständische Unternehmen und Kleinunternehmen optimal zu betreuen. Die Herausforderung liegt darin, dem Kunden vom Erstkontakt bis zum Vertragsabschluss einen dauerhaften Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen.

Livingbrands, der Vertriebsoutsourcing-Spezialist der Sellbytel Group, erhält den Auftrag ein Inside Sales Team aufzubauen, das den hohen Erwartungen der technologieaffinen Kunden im beratungsintensiven IT-Markt entspricht. Ziel ist es, die Reichweite des Vertriebskanals durch eine ganzheitliche, telefonische als auch Vorort-Betreuung zu vergrößern und so kostengünstig neue Marktsegmente im Bereich der mittelständischen Unternehmen sowie der Kleinunternehmen zu erschließen.“

Hier lauern Kanalkonflikte von der ganz massiven Sorte. Ich bin sehr sicher, dass bei jedem Händler sofort die rote Warnlampe angeht, wenn er erfährt, dass sein Distributor nun auch solche Leistungen für einen Hersteller erbringt. Vielleicht ist einem Distributor das dann egal, weil er der Meinung ist, dass mit dem klassischen Distributionsgeschäft ohnehin nicht mehr viel zu verdienen ist und es wesentlich lukrativer für ihn ist, wenn er sich neu orientiert und sich komplett neu erfindet, wie man immer so schön sagt. Aber so etwas muss gut überlegt sein. Denn um eine Analogie aus dem Sport zu benutzen: Wer bisher in der Hockeybundesliga gespielt hat und nun beschließt, in Zukunft auf Fußball zu setzen und dann gegen Mannschaften wie Bayern München oder Borussia Dortmund anzutreten, der wird schnell feststellen, dass man mehr braucht als einen Sportplatz und gut trainierte Spieler, um gegen diese Spezialisten auch nur einen Ball zu sehen. (Ende der Analogie.)

Oder aber der Distributor baut dieses neue Geschäftsfeld sehr behutsam und unter großer Rücksichtnahme auf sein Stammgeschäft auf. Dann läßt sich zwar vermutlich nicht so viel verdienen, dafür aber ist das Risiko auch weitaus geringer.

Ich bin gespannt, womit uns Möller-Hergt noch überraschen wird und ob seine Überlegungen auch eine Vorlage sind für andere Distributoren.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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