Die Verdunstung der Rechenzentren und die Folgen für den Channel

Der Fujitsu-Manager Dr. Joseph Reger provozierte auf der Synaxon-Hausmesse "SynIT 2010" die Besucher, kam aber mit dem Leben davon.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Synaxon-Chef Frank Roebers (links) auf der "SynIT 2010"

(Bild: sic)

Lieber Synaxon-Chef Frank Roebers,

mit der Wahl Ihres Keynote-Speakers Dr. Joseph Reger von Fujitsu TS für die Hausmesse SynIT am vergangenen Freitag hatten Sie wieder einmal ein gutes Händchen bewiesen. Denn nachdem Reger sich erst einmal warm geredet hatte, bekamen die zahlreichen Zuhörer nicht nur ein paar interessante Fakten, sondern zudem auch eine pointierte Meinung zu hören. Der Vorteil von pointierten Meinungen besteht ja in erster Linie darin, dass sie den Zuhörer herausfordern, ebenfalls Stellung zu beziehen ("Sehe ich genauso", "Was für ein Unsinn!", "Der Mann hat Recht!", "Der Mann hat von dem Thema so viel Ahnung wie die Kuh vom Sonntag!" etc.). Natürlich kann es nicht schaden, wenn solche Meinungsäußerungen mit guten Argumenten unterfüttert sind, zur Not geht es aber auch ohne.

Der Vortrag von Reger hatte den Titel "Die folgerichtige IT-Generation", und es ging – Überraschung! – um Cloud-Computing. Was den Informationsteil betrifft, so wartete der Fujitsu-Technologe mit ein paar Fakten auf, die wohl die meisten Zuhörer staunen ließen. Oder hätten Sie gedacht, dass es derzeit allein in Deutschland rund 10.000 Rechenzentren gibt? Weltweit sollen es sogar 50 Millionen Rechenzentren sein. 50 Millionen! Was für eine Zahl! Doch damit nicht genug. Die durchschnittliche Auslastung dieser Rechenzentren, führte Reger aus, liegt "bei vielleicht zehn Prozent". Was wiederum eine erstaunlich niedrige Zahl ist. Also total ineffizient das Ganze.

Diese Ineffizienz kann sich heute niemand mehr leisten. Die IT-Kosten in den Firmen sind zu hoch, und alle suchen nach Wegen, diese Ausgaben zu senken. Es gibt hierfür eine Lösung, so Fujitsus Chief Technology Officer (CTO), und diese Lösung hat einen Namen: Cloud-Computing. Cloud-Computing werde zur einer regelrechten Verdunstung der Rechenzentren führen. Im eingeschwungenen Cloud-Zustand werde die Welt mit 200 bis 300 Rechenzentren auskommen, sagte Reger. Zur Erinnerung: Heute liegt die Zahl bei 50 Millionen. Irre, nicht wahr? 200 oder 300, wieviel Promille von 50 Millionen sind das überhaupt? Natürlich, so der Fujitsu-CTO, handele es sich bei diesen Rechenzentren um riesige Server-Farmen, die in einsamen Regionen der Welt aufgebaut würden, möglicherweise sogar im Weltall.

Sollte sich Cloud-Computing durchsetzen – und Reger ließ keinen Zweifel daran, dass es so kommen wird –, dann hätte diese Entwicklung auch gravierende Folgen für das Geschäft von Systemhäusern. Denn die Anbieter aus der Industrie würden zwangsläufig Aufgaben und Mehrwerte an sich reißen, die bislang noch zum Hoheitsgebiet der Partner zählen. Die Konsequenz: Die Systemhäuser und IT-Dienstleistungsbetriebe müssten sich nach neuen Mehrwerten und Wertschöpfungsmöglichkeiten umsehen, jenseits der "klassischen" IT-Services. Leider ging Reger auf diesen Punkt nicht näher ein – was natürlich auf einer Partnerkonferenz sehr wünschenswert gewesen wäre –, sondern murmelte lediglich etwas von "Die Partner müssen mehr in die Geschäftsbereiche der Kunden gehen". Soll wohl heißen: mehr in betriebswirtschaftliches Consulting, Prozess-Analyse und -Beratung und dergleichen.

Interessant auch der Zeithorizont, den Reger für die Umsetzung dieser Vision sieht: zehn Jahre! Und zwar von heute an.

Klar, dass nicht jeder SynIT-Teilnehmer die Einschätzung des Fujitsu-Managers teilte. Muss ja auch nicht. Wer weiß schon, ob es wirklich so kommt, wie Reger meint? Prediction ist bekanntlich difficult, besonders of the future. Aber Regers Thesen waren auf jeden Fall gut als Treibstoff für die eigene Meinungsbildung und sorgten für so manche Diskussion unter den SynIT-Besuchern. Schade nur, dass direkt im Anschluss nicht die Möglichkeit bestand, in großer Runde mit Reger über seine Sicht der Dinge zu sprechen. Statt dessen mussten sich die Besucher einen eher uninspirierten und langweiligen Vortrag der Dell-Managerin Sabine Bendiek über das Unternehmen Dell anhören.

Regers Vortrag beinhaltete das, was auch Veranstaltungen wie die SynIT benötigen, um als gelungen zu gelten: die Kombination von Information und Meinungsaustausch. Was die Information betrifft, so kann dieser Bestandteil auf einer Messe wie der SynIT aus ganz elementaren Fragen bestehen wie "Was habt ihr zu bieten, was eine Zusammenarbeit für uns interessant macht?". Und die andere Zutat für eine gelungen Veranstaltung besteht darin, den Teilnehmern die Möglichkeit zur Meinungsbildung und zum Meinungsaustausch zu geben (zum Beispiel: "Wie stellt sich das Thema Cloud-Computing aus Ihrer Sicht dar?"). Wenn man als Veranstalter es schafft, dass dieser Austausch von Informationen und Meinungen funktioniert, dann ist schon viel gewonnen. Bei der diesjährigen SynIT, so mein Eindruck, hat das gut geklappt.

Beste Grüße

Damian Sicking

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